Die Kommission ist ohne Gegenstimme auf die Vorlage eingetreten. Sie hat die Detailberatung begonnen und im Hinblick auf ihre nächste Sitzung vom EFD verlangt, über die Verordnungsentwürfe informiert zu werden.

11.028 s Bankengesetz. Änderung (too big to fail)

Diese Vorlage wurde in der Sommersession vom Ständerat angenommen. Nun hat sich die Kommission des Nationalrates mit dem Gesetzesentwurf befasst und in diesem Zusammenhang Anhörungen mit Vertretern der Schweizerischen Nationalbank (Thomas Jordan, Vizepräsident Direktoriums), der FINMA (Patrick Raaflaub, Direktor), des Financial Stability Board (Eva Hüpkes, Adviser on Regulatory Policy and Cooperation) sowie der beiden Grossbanken (UBS: Kaspar Villiger, Verwaltungsratspräsident; Credit Suisse: Tobias Guldimann, Group Chief Risk Officer) durchgeführt.

Nach diesen Anhörungen ist die Kommission einhellig zum Schluss gekommen, dass Gesetzgebungsbedarf besteht und ist deshalb auf die Vorlage eingetreten. Die Kommission anerkennt damit die Problematik der so genannten Too-big-to-fail-Finanzinstitute. Die Schieflage einer der zwei Schweizer Grossbanken kann das Funktionieren des gesamten Finanzsystems bedrohen und damit die Schweizer Volkswirtschaft gefährden. Der Staat ist praktisch gezwungen, rettend einzugreifen, da das Unternehmen „too big to fail“ (TBTF: „zu gross, um zu scheitern“) ist. Ein zentraler Sanktionsmechanismus des Marktes ist damit ausgehebelt.

Die Kommission begrüsst die Vorlage in ihren Grundzügen. Diese sieht als Kernmassnahmen strengere Eigenmittelanforderungen sowie organisatorische Massnahmen vor, die bei drohender Insolvenz eine Weiterführung der systemrelevanten Funktionen gewährleisten.

Mit 19 zu 7 Stimmen lehnte die Kommission einen Antrag ab, wonach die Vorlage an den Bundesrat zurückgewiesen werden sollte u. a. mit dem Auftrag, Massnahmen in Bezug auf die Organisationsstruktur systemrelevanter Banken vorzusehen, um die faktische und rechtliche Beistandspflicht innerhalb der Konzerne auszuschalten. Auch sollte der Gesetzesentwurf so abgeändert werden, dass die Rechtssicherheit gewährleistet ist und die Wettbewerbsnachteile beseitigt werden. Die Kommissionsmehrheit hält eine Rückweisung nicht für sinnvoll, weil die Vorlage in ihren Augen eine gute Diskussionsgrundlage darstellt und das Inkrafttreten der neuen Gesetzesbestimmungen mit einer Rückweisung verschoben würde, was alles andere als erstrebenswert ist.

Hingegen verlangte die Kommission mit 16 zu 10 Stimmen von der Vorsteherin des EFD, eingehend über die Verordnungsentwürfe informiert zu werden. Da zahlreiche Punkte – so u.a. zu den Eigenmittelanforderungen (Gruppen/Einzelgesellschaften), zu organisatorischen Massnahmen,  zum Mechanismus bei der Wandlung von Cocos oder zu Rabattierung – auf Verordnungsstufe geregelt werden, ist es nach Auffassung der Kommissionsmehrheit absolut unerlässlich, über die Verordnungsentwürfe oder zumindest deren wichtigste Bestimmungen orientiert zu sein, um in voller Kenntnis der Sachlage über die Gesetzesvorlage beschliessen zu können.

In der Detailberatung nahm die Kommission mit 14 zu 12 Stimmen einen Antrag an, wonach der Bundesrat und nicht die Nationalbank die systemrelevanten Banken bezeichnet. Die Mehrheit ist der Auffassung, dass für diese äusserst wichtige und bei weitem nicht rein technische Frage der Bundesrat zuständig sein soll.

Die Kommission wird die Beratung an ihrer nächsten Sitzung vom 29. und 30. August fortsetzen, um die Vorlage in der Herbstsession in den Nationalrat zu bringen.

 

Verschiedene Geschäfte zur Arbeitslosenversicherung

Mit der am 1. April 2011 in Kraft gesetzten Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes wurde beschlossen, dass Versicherte, die über 55 Jahre alt sind oder die einen Invaliditätsgrad von mindestens 40% aufweisen, nur dann einen Anspruch auf 520 Taggelder haben, wenn sie eine Minimalbeitragszeit von mindestens 24 Monaten in den letzten zwei Jahren nachweisen können. Die Erfüllung der erforderlichen Beitragszeit wird praktisch verunmöglicht, wenn die Versicherten sich nicht am ersten Tag nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses bei der Arbeitslosenversicherung melden oder wenn ein Stellenwechsel nicht nahtlos erfolgt. Um diesem Problem zu begegnen und Härtefälle zu vermeiden, hat die WAK-N mit 16 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen eine Kommissionsinitiative (11.467) eingereicht, mit welcher die Mindestbeitragszeit auf 22 Monate gesenkt werden soll. Die Kommission möchte die Initiative schnell umsetzen.

Die parlamentarische Initiative Prelicz-Huber. Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes. Gleiche Abzüge für alle Einkommen (10.491) will das AVIG so anpassen, dass unbegrenzt auf alle Löhne bzw. Einkommen der gleiche prozentuale Betrag in die Arbeitslosenkasse einbezahlt wird. Mit 18 zu 8 Stimmen beantragt die Kommission, dieser Initiative keine Folge zu geben. Hingegen hat die Kommission mit 14 zu 12 Stimmen eine Kommissionsmotion (11.3755) beschlossen, welche die Erhebung eines Solidaritätsbeitrags von 1 Prozent auf Einkommen über 315‘000 Franken verlangt. Die Kommissionsmehrheit ist der Ansicht, dass eine solche Gesetzesänderung dazu beitragen würde, die Schulden der Arbeitslosenversicherung rascher zu tilgen.

Die Standesinitiative des Kantons Jura (10.304) will Anreize für Unternehmen schaffen, Jugendliche einzustellen, die länger als sechs Monate arbeitslos sind. Nachdem bereits der Ständerat dieser Initiative keine Folge gegeben hatte, macht die Mehrheit der WAK-N mit 13 zu 8 Stimmen die gleiche Empfehlung an ihren Rat. Die Mehrheit ist der Meinung, dass bereits eine breite Palette an arbeitsrechtlichen Massnahmen zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen besteht. Anders sieht dies eine Minderheit, die der Standesinitiative Folge geben möchte, um der Jugendarbeitslosigkeit etwas entgegen zu stellen. Mit der Standesinitiative wurde auch eine Petition der Jugendsession behandelt, welche die gleichen Ziele verfolgt.

Ausserdem beantragt die Kommission mit 13 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen der parlamentarischen Initiative de Buman. Wiedereinführung der Kantonsklausel im Arbeitslosenversicherungsgesetz (10.504) keine Folge zu geben. Mit der Kantonsklausel wurde dem Bundesrat die Möglichkeit gegeben, die Bezugsdauer von Arbeitslosenentschädigung in Zeiten mit einer erhöhten Arbeitslosenquote zu verlängern. Die Kommissionsmehrheit argumentiert,  dass die Kantonsklausel nicht zu einer schnelleren Wiedereingliederung von Arbeitslosen führt und dass es geeignetere Instrumente zur Entlastung des Arbeitsmarktes gibt. Eine Minderheit hingegen beantragt, der Initiative Folge zu geben. Sie weist insbesondere darauf hin, dass der Bundesrat mit der Klausel schnell und effizienter handeln konnte als mit neuen Konjunkturprogrammen.

Mit der parlamentarischen Initiative Robbiani. Zugang zu arbeitsrechtlichen Massnahmen im Avig (10.529) sollen Arbeitslose, bereits während der Wartezeit an arbeitsmarktlichen Massnahmen teilnehmen können. Die Mehrheit der WAK-N empfiehlt mit 16 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltung der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben. Sie weist darauf hin, dass Jugendliche bereits während der Wartezeit Zugang zu verschiedensten Massnahmen haben. Eine Minderheit hingegen argumentiert, dass die Wartezeit die meisten Massnahmen hinauszögert und dadurch deren Wirksamkeit schmälert. Sie beantragt daher, der Initiative Folge zu geben.

Mit 15 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen beziehungsweise 11 zu 8 Stimmen beantragt die Kommission ausserdem den Petitionen „Solidarität gegen Arbeitslosigkeit“ der Association Rebondire und „Jugendliche und die Wirtschaftskrise: Arbeitsbedingungen von Praktikantinnen und Praktikanten regeln“ der Jugendsession keine Folge zu geben.

Der parlamentarische Initiative Lustenberger. Öffentliches Beschaffungswesen. Ausbildung von Lehrlingen als Kriterium (03.445) wurde bereits 2005 Folge gegeben. In den Jahren 2007 und 2009 wurde jeweils die Frist zur Behandlung verlängert, weil die Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) hängig war. Nachdem das Projekt einer Totalrevision des BöB vorerst nicht weiterverfolgt wird, hat die WAK-N mit 19 zu 4 Stimmen entschieden, die Umsetzung der parlamentarischen Initiative in Angriff zu nehmen und hat die Verwaltung damit beauftragt, einen entsprechenden Vorentwurf auszuarbeiten.

 

10.471 n Pa.Iv. Nordmann. Sonderuntersuchung der Fehler der UBS seit 2000 durch die Finma


Die Kommission beantragt mit 16 zu 4 Stimmen, dieser von Nationalrat Nordmann eingereichten Initiative keine Folge zu geben. Diese verlangt, dass die FINMA mit einer Sonderuntersuchung über die Führung und das Fehlverhalten der UBS in den Jahren 2000 bis 2009 beauftragt wird. Die Mehrheit der Kommission ist der Auffassung, dass die Missstände in der UBS bereits mit zahlreichen Berichten dokumentiert worden sind und nun vielmehr dafür gesorgt werden muss, dass in Zukunft solche Vorkommnisse vermieden werden. Die Vorlage zu den Too-big-to-fail-Finanzinstituten (11.028) trage zweifellos zur Erreichung dieses Ziels bei.

 

10.489 n Pa.Iv. Mörgeli. Keine Haftungsbegrenzung für die Finma

Die Kommission beantragt mit 13 zu 7 Stimmen, dieser Initiative von Nationalrat Mörgeli keine Folge zu geben. Sie verlangt u.a., dass die Haftungsbegrenzung für die FINMA aufgehoben wird und die Bestimmung, wonach die FINMA auf Kosten des Beaufsichtigten externe Untersuchungsbeauftragte einsetzen kann, gestrichen wird. In den Augen der Kommissionsmehrheit liegt eine wirksame Aufsichtsbehörde im Interesse des Schweizer Finanzplatzes. Mit der Umsetzung der Initiative könnte dieses Ziel vereitelt werden.

Indessen hat die Kommission mit 12 zu 7 Stimmen eine Motion eingereicht, welche den Bundesrat beauftragt, das Gesetz so zu ändern, dass die Untersuchungskosten nur dann von den Beaufsichtigten getragen werden müssen, wenn sich die Vorwürfe bestätigt haben.

10.490 n Pa.Iv. Mörgeli. Abschaffung der "Steuerpolizei" des Bundes

 

Mit 10 zu 6 Stimmen beantragt die Kommission, dieser Initiative von Nationalrat Mörgeli keine Folge zu geben. Sie verlangt, dass die Bestimmungen über die besonderen Untersuchungsmassnahmen, welche die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) bei Verdacht auf schwere Steuerwiderhandlungen ergreifen kann, gestrichen werden. Nach Meinung der Mehrheit sind die Untersuchungen der EStV bei komplexen Fällen durchaus sinnvoll, passen aber nicht in ein Steuersystem, in welchem die Kantone für die Steuererhebung verantwortlich sind. Deshalb reichte die Kommission mit 10 zu 7 Stimmen eine Motion ein, welche den Bundesrat beauftragt, im Rahmen der laufenden Revision des Steuerstrafrechts dafür zu sorgen, dass die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen sowie zwischen den verschiedenen Untersuchungsbehörden auf Bundes- und Kantonsebene respektiert wird.

Stärke des Schweizer Frankens

Die Kommission hat sich eingehend mit der Problematik des hohen Frankenkurses befasst und äussert sich besorgt über dessen Auswirkungen für die Schweizer Industrie. Angesichts der Gefahr von Betriebsverlagerungen ins Ausland und von schlechteren Arbeitsbedingungen hat sie das EVD und die Nationalbank um eine Einschätzung der Lage und der Perspektiven gebeten. Bundesrat Johann Schneider-Ammann versicherte der Kommission, dass das Bundesratskollegium eine Reihe von Massnahmen prüfe, welche bei einer weiteren Verschlechterung der Situation zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Schweiz ergriffen werden könnten. Philipp Hildebrand, der Präsident des SNB-Direktoriums, betonte, dass die Preisstabilität derzeit gewährleistet sei und die Nationalbank nötigenfalls die zur weiteren Sicherung der Preisstabilität erforderlichen Schritte einleiten werde.

Der Frankenkurs wird an der nächsten Sitzung der Kommission erneut auf der Tagesordnung stehen.

 

Die parlamentarische Initiative Bourgeois. Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse. Lebensmittel vom Cassis-de-Dijon-Prinzip ausnehmen (10.538 n) hat die Kommission mit 17 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung sistiert, um vor einem Entscheid zusätzliche Abklärungen bei der Verwaltung in Auftrag zu geben.

Die Kommission hat unter dem Vorsitz von Nationalrat Hansruedi Wandfluh (SVP, BE) und teilweise im Beisein von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und Bundesrat Johann Schneider-Ammann am 4. und 5. Juli 2011 in Bern getagt.

 

 

Bern, 5. Juli 2011 Parlamentsdienste