Seit dem Brexit-Referendum vom 23. Juni 2016 sind mittlerweile mehr als fünf Jahre vergangen. Nach den Austrittsverhandlungen und der Einigung mit der EU über das Abkommen zu den künftigen Beziehungen («Handels- und Kooperationsabkommen») trat das UK Anfang 2021 aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion aus. Im Austausch mit den britischen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern wird für die Delegation der APK-N von Interesse sein, wie diese neu definierte «Drittstaatsbeziehung» der EU in der Praxis funktioniert und welche wirtschaftlichen Auswirkungen der Brexit nach sich zieht. Im Vordergrund steht dabei die Frage, wie die britische Exportwirtschaft mit den neuen nichttarifären Handelshemmnissen und den Zollkontrollen im Warenverkehr mit der EU umgeht, ob es zu Veränderungen der Lieferketten und der Handelsströme gekommen ist und inwiefern der Arbeitskräftemangel, der sich zurzeit unter anderem in der Logistikbranche bemerkbar macht, auf den Brexit zurückzuführen ist.
Ein zweiter Schwerpunkt der Reise sind die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem UK. Der Brexit war nicht nur ein Neuanfang im Verhältnis zwischen Brüssel und London, er betraf auch zahlreiche Drittstaaten wie die Schweiz, deren Beziehungen zum UK bis zum britischen Austritt über die EU geregelt waren. Bereits wenige Monate nach dem Referendum im Jahr 2016 formulierte der Bundesrat im Rahmen seiner «Mind the Gap»-Strategie das Ziel, die in den bilateralen Beziehungen bestehenden Rechte und Pflichten so weit wie möglich zu sichern und so für Kontinuität und Planungssicherheit zu sorgen. Das seither mit dem UK ausgehandelte Nachfolgeregime umfasst insgesamt neun bilaterale Abkommen. Die Schweiz war eines der ersten Drittländer, mit denen das UK ein «Rollover»-Handelsabkommen abgeschlossen hat.
In einer nächsten Phase geht es nun darum, diese Beziehungen weiter zu festigen und auszubauen. Das UK ist der sechstwichtigste Handelspartner der Schweiz, in Bezug auf den Dienstleistungsexport gar das drittwichtigste Zielland. Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem UK geht in verschiedenen Punkten weiter als das Handelsabkommen zwischen der Schweiz und dem UK (z. B. in Sachen Dienstleistungen, digitaler Handel oder geistiges Eigentum). Die parlamentarische Delegation wird im Rahmen ihrer Gespräche das Interesse der Schweiz an einem weiteren Ausbau der Handelsbeziehungen bekräftigen. Ähnliches gilt für die Zusammenarbeit im Finanzsektor, wo die Absicht besteht, den gegenseitigen Marktzugang für Finanzdienstleistungen zu erleichtern.
In Gesprächen mit den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses und des Ausschusses für internationalen Handel im britischen Unterhaus wird sich die Delegation über die Neuausrichtung der britischen Aussenpolitik unterhalten: Nach vollzogenem Brexit schickt sich die britische Regierung unter dem Leitmotiv «Global Britain» an, die eigene Aussen- und Sicherheitspolitik neu zu konzipieren und globaler zu machen. Im Zentrum der neuen aussenpolitischen Strategie steht das Bekenntnis, sich weltweit für demokratische Gesellschaften und offene Seewege einzusetzen. Auch will sich das UK künftig stärker dem indopazifischen Raum zuwenden.
Der Arbeitsbesuch führt die Delegation nebst London auch nach Edinburgh und Belfast. Im Referendum von 2016 sprach sich die Mehrheit der schottischen und nordirischen Stimmbevölkerung gegen den Austritt aus. Vor diesem Hintergrund ist für die Schweizer Delegation von Interesse, wie sich der bisherige Brexit-Prozess auf die politische Situation in diesen Landesteilen und auf die Union zwischen den vier Nationen England, Wales, Schottland und Nordirland ausgewirkt hat. Während in Edinburgh das Streben der Lokalregierung nach einem zweiten Unabhängigkeitsreferendum im Zentrum der Gespräche steht, wird sich die Delegation in Belfast zu den Spannungen im Zusammenhang mit dem Nordirland-Protokoll informieren.
Die Delegation der APK-N steht unter der Leitung der Kommissionspräsidentin Tiana Angelina Moser (GLP, ZH) und setzt sich im Weiteren zusammen aus den Nationalrätinnen Christine Bulliard-Marbach (Die Mitte, FR) und Christa Markwalder (FDP, BE) sowie den Nationalräten Roger Köppel (SVP, ZH), Fabian Molina (SP, ZH), Yves Nidegger (SVP, GE), Eric Nussbaumer (SP, BL) und Nicolas Walder (Grüne, GE).