Die Finanzkommissionen von National- und Ständerat befassten sich an ihrem diesjährigen Finanzpolitischen Seminar in Zug eingehend mit den wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Im Mittelpunkt standen Präsentationen über die Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die Auswirkungen der Coronakrise auf die Finanzen des Bundes, die Sozialversicherungen und die Wirtschaftsaussichten für die Zeit nach der Krise. Am Tag nach dem Seminar haben die Finanzkommissionen an einer Sitzung die aktuelle finanzpolitische Ausgangslage diskutiert.

Die Wahl des diesjährigen Themas lag auf der Hand. Die wichtigsten wirtschaftlichen Akteure waren stark in die Bewältigung der Coronakrise involviert, welche in der Schweiz Ende Februar ihren Anfang nahm. Nach wie vor sind viele Fragen zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen dieser Krise offen. Die Finanzkommissionen (FK) und das Parlament bewilligten in den letzten Monaten zahlreiche Nachtragskredite, mit denen die unmittelbaren Folgen der Krise abgefedert werden sollen. Die Auswirkungen der Coronakrise auf die Finanzen des Bundes und die Schweizer Wirtschaft im Allgemeinen sind noch unklar. Ziel des Finanzpolitischen Seminars war es u.a., die Konjunkturprognosen und die Einschätzungen der Folgen der Covid-19-Krise besser nachvollziehen zu können. Eine der grössten wirtschaftspolitischen Herausforderungen besteht nämlich darin, zu verstehen, ob es sich um eine Konjunkturkrise mit einer allfälligen Erholung der Wirtschaft und in der Folge einer Rückkehr zur vor der Krise prognostizierten Entwicklung handelt oder ob die Krise strukturelle Auswirkungen hat und das Wachstum des Schweizer Bruttoinlandproduktes deshalb nach der Krise nicht wieder dasselbe sein wird wie vor der Krise.

Um die Gesundheitsvorschriften des BAG einzuhalten, fand das Seminar in einer extra für diesen Anlass umfunktionierten Turnhalle statt. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier wurden dort vom Zuger Stadtpräsidenten Karl Kobelt empfangen, der eingangs einige Grussworte an sie richtete.

Wirtschaftliche Auswirkungen der Coronakrise

Im ersten Seminarblock präsentierten drei Referenten ihre Analyse der aktuellen Wirtschaftslage und ihre Einschätzung der Konjunkturaussichten.

Der Präsident des Direktoriums der SNB, Thomas Jordan, präsentierte die Analyse der SNB zur wirtschaftlichen und politischen Lage im Zusammenhang mit der Coronakrise. Die SNB geht davon aus, dass die Krise wohl dauerhafte wirtschaftliche Auswirkungen haben wird. Sie erwartet nicht, dass sich die Weltwirtschaft in den kommenden Jahren vollständig erholen wird. Thomas Jordan erläuterte, welche Rolle die SNB bei der Bewältigung der Krise spielt. So nutzt die Nationalbank alle ihr zur Verfügung stehenden geldpolitischen Instrumente, um den Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken abzuschwächen und um den Wirtschaftsakteuren günstige Finanzierungsbedingungen zu gewährleisten.

Der stellvertretende Direktor des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), Eric Scheidegger, präsentierte den Ratsmitgliedern die Einschätzung der konjunkturellen Lage und der Schweizer Wirtschaftsaussichten durch den Bund. Die beispiellosen Zahlen zeigen die erheblichen Auswirkungen der Krise auf die Wirtschaft. Das SECO erwartet allerdings bis Ende 2020 eine Normalisierung der Wirtschaftsaktivität und eine Rückkehr auf das Niveau vor der Krise in nahezu allen Wirtschaftsbereichen ausser dem Tourismus. Das SECO wies ausserdem darauf hin, dass diese Krise in erster Linie zu einem Angebotsschock geführt hat und die Schweiz als Exportland bei der Wiederankurbelung der Wirtschaft keinen grossen Handlungsspielraum hat. Das Staatssekretariat spricht sich aber zur Stabilisierung der Konjunktur für eine expansive Geldpolitik und für Massnahmen zur Senkung der Unternehmenskosten aus.

Zum Abschluss des ersten Seminarblocks präsentierte der Direktor der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich, Professor Jan-Egbert Sturm, die Einschätzung der Schweizer Wirtschaftsaussichten durch ein externes Institut. Die KOF geht davon aus, dass der Privatkonsum sowie die Exporte und Importe relativ schnell wieder auf ihrem früheren Niveau sein werden. Als grösste Herausforderung sieht die KOF die Investitionsfähigkeit der Unternehmen. Diese haben durch die Krise keine Liquiditätsreserven mehr und können folglich nicht mehr investieren. Professor Sturm sprach sich deshalb für eine staatliche Investitionsförderung aus, z. B. mittels Bürgschaften für Investitionskredite.

Wirtschaftshistorischer Kontext der Coronakrise

Im zweiten Seminarblock legte Professor Tobias Straumann von der Universität Zürich dar, wie die Coronakrise im wirtschaftshistorischen Kontext einzuordnen ist. Aus seinem Referat ging hervor, dass die öffentlichen und privaten Akteure – anders als bei früheren Krisen – rasch und wirksam reagierten, ihnen aber dafür auch erhebliche Mittel zur Verfügung standen, mit denen viel bewirkt werden kann, wenn sie korrekt eingesetzt werden.

Auswirkungen auf die Finanzen des Bundes

Im letzten Seminarblock befassten sich drei Referenten mit den Auswirkungen der Coronakrise auf den Bundeshaushalt.

Der Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV), Serge Gaillard, präsentierte die Lagebeurteilung sowie die Konjunkturprognosen der EFV. Gemäss EFV werden die ausserordentlichen Covid-Ausgaben auf das Amortisationskonto gebucht. Ein dadurch entstehender Fehlbetrag muss gemäss Finanzhaushaltsgesetz (FHG) abgebaut werden. Ausserdem bleibe die Verschuldung der Schweiz im internationalen Vergleich tief. Die EFV prognostiziert, dass in den nächsten Jahren wieder ein normales Schuldenniveau erreicht wird.

Der stellvertretende Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV), Bruno Parnisari, legte dar, wie sich die Coronakrise nach Meinung des BSV auf die Politik der öffentlichen Hand im Bereich der Versicherungen auswirkt. Das BSV ist der Ansicht, dass sich die Krise nur kurzfristig auf die Wirtschaft auswirkt, die Zinsvariablen aber langfristig wieder auf den Wachstumspfad zurückfinden und die Sozialversicherungen so die Auswirkungen der Krise bewältigen können.

Der Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK), Michel Huissoud, schloss das Seminar mit einem Referat über die Massnahmen des Bundes zur Bekämpfung von Missbräuchen bei Krediten, die im Rahmen der Coronakrise gewährleistet werden und vom Bund abgesichert sind. Er zeigte auf, dass alle denkbaren Massnahmen ergriffen wurden, um die Solvabilität der Kreditnehmer und die Legitimität der Kreditansprüche überprüfen zu können. Das Vertrauen in Programme des Bundes zur Wiederankurbelung der Wirtschaft hänge nämlich auch davon ab, wie gut diese geführt würden und wie gut Missbräuche verhindert werden könnten.

Besichtigung von V-Zug

Nach dem Seminar hatten die Ratsmitglieder Gelegenheit, die Fabrik von V-Zug zu besichtigen. Sie wurden vom Konzernchef Heinz Buhofer empfangen, der u.a. die Auswirkungen der Coronakrise auf V-Zug und die Nachhaltigkeitspläne dieses Familienunternehmens erläuterte.

Rahmenprogramm

Das Finanzpolitische Seminar der FK fand am 29. Juni 2020 unter der Leitung des Tagungspräsidenten, Ständerat Peter Hegglin (CVP, ZG), in Zug statt. Das Seminar wird jeweils im Kanton der Präsidentin bzw. des Präsidenten der für die Organisation verantwortlichen Kommission durchgeführt. Ein solches Seminar bietet auch Gelegenheit, den Austausch mit dem Gastkanton zu pflegen. So kamen die FK für ein Abendessen mit Heinz Tännler, Regierungsrat und Finanzdirektor des Kantons Zug, zusammen. Dieser überbrachte eine Grussbotschaft der Zuger Regierung und lobte die gute Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Kantonen während der Coronakrise.

Plenarsitzung der Finanzkommissionen am 30. Juni 2020

Die Finanzkommissionen diskutierten am 30. Juni die finanzpolitische Ausgangslage im Lichte der Coronakrise. Bundesrat Ueli Maurer präsentierte den beiden Finanzkommissionen zwei von diesen bestellten Berichte. Diskutiert wurden unter anderem die möglichen Vorgehensweisen in Bezug auf den Schuldenabbau, die Frage möglicher Steuersenkungen oder -erhöhungen sowie die Ausgangslage für die kommenden Voranschläge und Finanzpläne. Verschiedene Mitglieder hätten sich bereits erste Entscheide des Bundesrats gewünscht. Bundesrat Maurer führte diesbezüglich aus, dass derzeit noch viele Unsicherheiten bestehen, z.B. in Bezug auf die tatsächliche Höhe der Schulden, und der Bundesrat zuerst eine Gesamtschau erstellen will, bevor er weitere Entscheide fällt. Der Bundesrat wird am 1. Juli 2020 eine Aussprache zur finanzpolitischen Ausgangslage führen. Die Vorgehensweise des Bundesrats wurde von den Mitgliedern mehrheitlich gestützt. Die Kommissionen werden sich im Rahmen der Beratung des Voranschlags 2021 und des Finanzplan 2022 – 2024 mit der Frage des Schuldenabbaus befassen.