Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) stellte im Rahmen ihrer Inspektion zum Evaluationsverfahren für das neue Kampfflugzeug keine we-sentlichen Mängel bei der technischen Evaluation durch Armasuisse fest. Hingegen erachtet sie die Weiterverarbeitung der Ergebnisse durch das Eidg. Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und die Behandlung des Ge-schäfts im Bundesrat als teilweise unzweckmässig. Sie kritisiert insbesondere, dass das VBS und der Bundesrat die Rahmenbedingungen zu Beginn des Verfahrens oh-ne vertiefte Prüfung so definierten, dass der Bundesrat am Ende keinen Handlungs-spielraum hatte, um bei seinem Entscheid auch aussenpolitische Aspekte einzube-ziehen.

Die GPK-N schloss heute ihre im November 2021 eingeleitete Inspektion zu ausgewählten Aspekten des Evaluationsverfahrens für das neue Kampfflugzeug der Schweizer Armee ab. Sie kam zu folgenden Ergebnissen:

1. Die technische Evaluation war rechtmässig

Die technische Evaluation lief rechtlich korrekt ab und Armasuisse traf die nötigen Massnahmen, um die Gleichbehandlung der Anbieter und ein objektiviertes, nachvollziehbares Verfahren sicherzustellen. Auch die gewählte, neue Bewertungsmethodik (AHP-Methode) war rechtmässig. Allerdings barg die erstmalige Anwendung dieser Methode bei einem so bedeutenden Rüstungsgeschäft gewisse Risiken. Zudem ist für die Kommission nur teilweise nachvollziehbar, weshalb Armasuisse darauf verzichtete, soweit möglich auch die Erfahrungen von Ländern einzubeziehen, welche die evaluierten Kampfflugzeuge schon betreiben.

2. Die Rahmenbedingungen waren nicht zweckmässig und liessen dem Bundesrat beim Typenentscheid keinen Handlungsspielraum

Die GPK-N stellt fest, dass sich der Bundesrat im Verfahren an die rechtlichen und von ihm selber definierten politischen Vorgaben gehalten hat. Das Beschaffungsrecht räumt dem Bundesrat bei Rüstungsbeschaffungen grundsätzlich einen grossen Handlungsspielraum ein. Je nach Definition der Rahmenbedingungen hätte er somit beim Entscheid auch übergeordnete politische Überlegungen einbeziehen können. Aufgrund der von ihm zu Beginn des Verfahrens definierten Rahmenbedingungen stellte der Bundesrat beim Typenentscheid aber fest, dass ein Einbezug aussenpolitscher Überlegungen gar nicht möglich war. Diese frühzeitige und aus ihrer Sicht unnötige Einschränkung des Handlungsspielraums identifizierte die GPK-N als Hauptproblem des Beschaffungsverfahrens.

Die GPK-N ist der Ansicht, dass der Bundesrat die Rahmenbedingungen für Rüstungsbeschaffungen so definieren sollte, dass er den Handlungsspielraum, den die rechtlichen Vorgaben für Rüstungsbeschaffungen vorsehen, behält und er bei seinem Entscheid auch übergeordnete politische Überlegungen einbeziehen kann. Die technische Evaluation soll die Angebote in einem ersten Schritt aus militärischer Sicht prüfen und bewerten. In einem zweiten Schritt sollte der Bundesrat auf dieser Basis auch politische und wirtschaftliche Überlegungen einbeziehen und letztlich abwägen können, welches Angebot im Gesamtinteresse der Schweiz ist. Dazu hätte sich im vorliegenden Fall eine gute Gelegenheit geboten, da alle evaluierten Kampfflugzeuge die Anforderungen erfüllten und der Schweiz gleichzeitig Zusicherungen für bedeutsame «Gegengeschäfte» vorlagen.

Die Kommission erachtet es daher als bedenklich, dass der Bundesrat zu Beginn des Verfahrens nicht diskutierte bzw. abklären liess, welchen Handlungsspielraum er aufgrund des geplanten Vorgehens nach der Evaluation durch Armasuisse beim Typenentscheid haben würde. Stattdessen erkannte er erst anlässlich des Typenentscheids, dass er angesichts des klaren Resultats aus der technischen Evaluation lediglich deren Vorschlag bestätigen konnte. Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang auch das VBS als federführendes Departement: Die Abklärungen der GPK-N zeigten, dass wohl selbst im VBS lange nicht klar war, welchen Handlungsspielraum der Bundesrat hatte und dass das VBS hierzu im Bundesrat widersprüchlich informierte.

Die GPK-N erachtet auch die weitere Behandlung der Ergebnisse der technischen Evaluation durch das VBS als nicht zweckmässig. Obwohl der Vorsteherin das Ergebnis der Evaluation seit Mitte März 2021 bekannt war, informierte sie die anderen Departementsvorsteherinnen und -vorsteher erst Mitte Mai (Vorsteherin EJPD und Vorsteher EDA) bzw. in der ersten Junihälfte 2021 (übrige Departementsvorsteherinnen und –vorsteher) darüber. Die späte Information und die oben erwähnten Unklarheiten über den Handlungsspielraum des Bundesrates führten dazu, dass verschiedene Departemente bis kurz vor dem Typenentscheid vom 30. Juni 2021 mit Herstellerländern über Lösungen in anderen Dossiers verhandelten, welche mit dem Typenentscheid verknüpft waren. Dadurch wurden politische Verstimmungen auf zwischenstaatlicher Ebene in Kauf genommen.

3. Zusammenfassende Würdigung

Die GPK-N ist der Ansicht, dass das Evaluationsverfahren für das neue Kampfflugzeug rechtmässig ablief. Kritik übt die Kommission aber an der Zweckmässigkeit des Verfahrens, insbesondere in Bezug auf die Rahmenbedingungen und Vorgaben für die Beschaffung, die Behandlung der Evaluationsergebnisse auf Stufe VBS und Bundesrat sowie den Umgang mit den Herstellerländern. Sie hat in diesem Zusammenhang fünf Empfehlungen formuliert und fordert insbesondere, dass der Bundesrat bei künftigen Rüstungsbeschaffungen frühzeitig klärt, inwiefern er auch übergeordnete politische Überlegungen einbeziehen will, und dafür sorgt, dass sein Handlungsspielraum erhalten bleibt. Der Bundesrat ist eingeladen, bis am 15. Dezember 2022 zu den Erkenntnissen und Empfehlungen Stellung zu nehmen.

Die GPK-N hat am 9. September 2022 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (SP, LU) in Luzern getagt und den Bericht einstimmig verabschiedet.