Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates hat eine Justizvollzugsanstalt besucht, die namentlich Personen unterbringt, die zu einer stationären therapeutischen Massnahme (Art. 59 StGB) verurteilt worden sind. Im Anschluss an diesen Besuch befasste sie sich mit mehreren Geschäften zum Straf- und Massnahmenvollzug.

​Am Donnerstagnachmittag besuchte die Kommission die Justizvollzugsanstalt Solothurn in Deitingen. Sie wurde empfangen vom Solothurner Regierungsrat Peter Gomm, der unter anderem für den Straf- und Massnahmenvollzug in seinem Kanton zuständig ist, sowie vom Leiter des Amtes für Justizvollzug des Kantons Solothurn und vom Direktor der Justizvollzugsanstalt. Die Kommission durfte die Anstalt besichtigen und konnte sich dabei auch von den Zellen der Häftlinge und ihren Arbeitsplätzen ein Bild machen. Zudem wurde sie von Ärzten, Sozialarbeitern und Gefängniswärtern über den Betrieb, den Alltag und die Herausforderungen einer Strafanstalt informiert.

Die Kommission hat verschiedene Geschäfte im Bereich des Straf- und Massnahmenvollzugs, v.a. auch zum Thema Verwahrung, geprüft. Sie beschloss mit 12 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen der Initiative 15.494 Folge zu geben. Diese verlangt, die Schändung (Art. 191 StGB) als Tatbestand für eine lebenslängliche Verwahrung vorzusehen. Mit 12 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung sprach sie sich zudem dafür aus, an ihrem Beschluss, der parlamentarischen Initiative 13.462 Folge zu geben, festzuhalten. Diese verlangt eine restriktivere Praxis für bedingte Entlassungen aus der Verwahrung; demnach soll ein Täter erst bedingt entlassen werden, wenn „praktisch sicher" ist, dass er sich in der Freiheit bewährt. Schliesslich beantragt die Kommission einstimmig, die Motion 16.3142 anzunehmen. Diese beauftragt den Bundesrat, eine Sicherheitslücke im Jugendstrafrecht zu schliessen, indem vorgesehen wird, dass auch gegenüber Jugendlichen, deren Schutzmassnahmen laut Jugendstrafgesetz wegen Erreichen der Altersgrenze beendet werden müssen, die für die Sicherheit Dritter notwendigen Massnahmen angeordnet bzw. weitergeführt werden können.

 

Kein strafprozessuales Beschwerderecht für Minderheitenschutzorganisationen

Die Kommission hat im Rahmen der Vorprüfung der parlamentarischen Initiative 15.460 mit 16 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung entschieden, Organisationen, die sich beispielsweise für die Bekämpfung von Rassismus oder Homophobie einsetzen, auch künftig keine Parteistellung in Verfahren zur Verfolgung von Straftaten gegen Art. 261bis StGB einzuräumen. Eine Minderheit der Kommission ist dagegen der Ansicht, dass ein solches strafprozessuales Beschwerderecht für eine effektive Durchsetzung des Diskriminierungsverbots unerlässlich sei. Zudem hat die Kommission vom Bericht des Bundesrates zum Recht auf Schutz vor Diskriminierung vom 25. Mai 2016 Kenntnis genommen (Bericht in Erfüllung des Postulats Naef 12.3543). Mit 12 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung wurde eine Kommissionsmotion angenommen, welche den Bundesrat dazu auffordert, einen konkreten Aktionsplan für den Schutz vor Diskriminierung vorzulegen (16.3626).

 

Kein Rechtsanspruch auf Beschäftigungsreduktion nach der Geburt

Die Kommission hat der parlamentarische Initiative 15.470 mit 12 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung keine Folge gegeben. Die Initiative zielt darauf ab, das Obligationenrecht so anzupassen, dass – analog zum Bundespersonalrecht – die Arbeitnehmenden nach der Geburt eines Kindes ein Rechtsanspruch auf Beschäftigungsreduktion gewährt wird (höchstens 20 Prozent). Kleinere Unternehmen sollen von der Regelung ausgenommen werden. Die Mehrheit der Kommission betonte, dass Unternehmen bereits heute flexible Lösungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bieten müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Ein im Obligationenrecht gesetzlich geregelter Anspruch auf Reduktion des Arbeitspensums erachtet sie als unnötigen Eingriff ins liberale Arbeitsrecht. Die Minderheit ist der Ansicht, dass die Möglichkeit zur Beschäftigungsreduktion – insbesondere auch für Väter – sowohl gleichstellungspolitisch wie auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel einen zentralen Aspekt darstellt. Sie betont, dass die Initiative ein konkretes Instrument bietet, um den weitverbreiteten Wunsch von Vätern nach Teilzeitarbeit in die Realität umzusetzen, und so gleichzeitig auch den Verbleib der Frauen im Arbeitsmarkt zu fördern.

 

Publikation von Erwachsenenschutzmassnahmen

Die Kommission hat Kenntnis genommen von der Stellungnahme des Bundesrates zu ihrem Entwurf betreffend die Publikation von Erwachsenenschutzmassnahmen (11.449). Sie schliesst sich einstimmig dem Antrag des Bundesrates an, in Artikel 449 c des Zivilgesetzbuches klar festzuhalten, welche weiteren Behörden die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde über die Anordnung einer Massnahme zu informieren hat; eine entsprechende Bestimmung war bereits im Vernehmlassungsentwurf enthalten.

 

Weitere Geschäfte

Die Kommission beantragt ihrem Rat mit 12 zu 7 Stimmen bei 4 Enthaltungen, der parlamentarischen Initiative 15.472 n (Pa.Iv. Schneeberger. KMU-taugliche Lösung sichern. Eingeschränkte Revision zum Schutz unserer KMU verwesentlichen) keine Folge zu geben. Im Rahmen der Vorberatung der parlamentarischen Initiative 14.470 s (Pa.Iv. Luginbühl. Schweizer Stiftungsstandort. Stärkung) hat die Kommission Anhörungen durchgeführt. Sie wird an einer ihrer nächsten Sitzungen entscheiden, ob sie sich ihrer Schwesterkommission anschliessen und der Initiative zustimmen wird.

 

Die Kommission hat am 18. und 19. August unter dem Vorsitz von Nationalrat Jean Christophe Schwaab (SP, VD) in Bern getagt.