Der Ständerat ist in der Wintersession 2019 auf den indirekten Gegenentwurf zur Konzernverantwortungsinitiative (16.077, Entwurf 2) eingetreten und hat ein neues Konzept für einen indirekten Gegenentwurf verabschiedet. Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates hat sich nun im Rahmen der Differenzbereinigung mit 14 zu 5 Stimmen bei 6 Enthaltungen dafür ausgesprochen, am indirekten Gegenentwurf des Nationalrates festzuhalten und hat diesen überarbeitet.

​Die Kommission ist der Ansicht, dass der Entwurf des Nationalrates besser geeignet ist, klare Vorgaben und Rechtssicherheit für die von der Konzern­verant­wortungs­initiative aufgegriffene Problematik anzubieten. Die Regelung füge sich in die bekannte Systematik des schweizerischen Obligationenrechts ein, währenddessen das Konzept des Ständerates mit vielen unklaren und dem schweizerischen Recht unbekannten Begriffen operiere, welche aus dem EU-Recht übernommen werden. Die Kommission weist darauf hin, dass sich die Frage, ob eine schweizerische Muttergesellschaft für ihre ausländische Tochter haftet, gemäss dem Konzept des Ständerates nach ausländischem Recht richte. Es bestehe bezüglich der Frage der Haftung beim Beschluss des Ständerates deshalb eine grosse Rechtsunsicherheit, welche Haftung sich aus dem anzuwendenden ausländischen Recht ergibt. Mit dem Gegenentwurf des Nationalrates würde die Haftungsfrage in Zukunft ausschliesslich nach schweizerischen Recht beurteilt und die Voraussetzungen für eine Haftung im Vergleich zur bereits nach geltendem Recht bestehenden Geschäftsherrenhaftung in vielerlei Hinsicht eingeschränkt (u.a Haftung nur bei Schäden an Leib und Leben oder Eigentum; keine Haftung für das Verhalten von Dritten; keine persönliche Haftung der Organe) und präzisiert. Die Kommission hat den ursprünglichen Entwurf des Nationalrates in verschiedenen Punkten überarbeitet. Sie hat sich dabei in erster Linie an den Anträgen der Rechtskommission des Ständerates vom 21. November 2019 orientiert und diese punktuell angepasst.

Eine Minderheit möchte sich dem Beschluss des Ständerates anschliessen. Sie weist darauf hin, dass der indirekte Gegenentwurf des Nationalrates beinahe einer Umsetzung der Initiative gleichkomme. Die vom Bundesrat mit Beschluss vom 14. August 2019 ins Spiel gebrachten und vom Ständerat verabschiedeten Vorschläge erachtet sie demgegenüber als ausgewogene und wirtschaftsverträgliche Angleichung des Schweizer Rechts an das europäische Niveau, welche den Kernanliegen der Initiative genügend Rechnung tragen.

Schliesslich gibt es eine Minderheit, welche gar keinen indirekten Gegenentwurf unterstützt (14 zu 7 Stimmen bei 4 Enthaltungen). Sie beantragt alle materiellen Bestimmungen aus dem Entwurf zu streichen.

Die Differenzbereinigung des indirekten Gegenentwurfs wird in der Frühjahrssession fortgesetzt. Die Vorlage muss in der Frühjahrssession 2020 zusammen mit der Volksinitiative 17.060 in die Schlussabstimmung, wenn die Möglichkeit eines bedingten Rückzugs der Initiative aufrechterhalten werden soll. Bis zu einer allfälligen Einigungskonferenz muss die Vorlage noch in jedem Rat zweimal beraten werden.

Nichteintreten auf das Geldwäschereigesetz

Die Kommission hat als Einstieg in ihre Beratungen zur Revision des Geldwäschereigesetzes (19.044) die interessierten Kreise angehört. Im Anschluss daran hat sie mit 13 zu 12 Stimmen beschlossen, nicht auf die Vorlage einzutreten. Die Kommission ist der Auffassung, die Schweiz müsse die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz erhalten und einen «Swiss finish» verhindern. In ihren Augen ist der aktuelle Präventionsmechanismus ausreichend. Mit der Vorlage des Bundesrates käme es in verschiedenen Bereichen zu einem «Swiss finish», so u. a. bei den Bestimmungen zum Anwaltsgeheimnis und zur Beratertätigkeit. Die Kommissionsminderheit beantragt Eintreten, da sie die Revision für notwendig erachtet und der Meinung ist, die Schweiz erhalte dadurch eine Gesetzgebung, welche den wichtigsten Empfehlungen der «Groupe d’action financière (GAFI)» Rechnung trage.

Keine Regeln zum «Whistleblowing» im Arbeitsrecht

Nachdem der Nationalrat die Vorlage des Bundesrates zum «Whistleblowing» (13.094) in der Sommersession 2019 abgelehnt hatte, wurde sie vom Ständerat in der Wintersession angenommen. Im Rahmen der Differenzbereinigung beantragt die Kommission ihrem Rat nun mit 20 zu 5 Stimmen, am Beschluss des Nationalrats festzuhalten und auf die Vorlage nicht einzutreten. Damit wäre das Geschäft endgültig erledigt. Die Kommission ist der Ansicht, dass die Vorlage keinen wirklichen Schutz für betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bringen würde. Eine Minderheit unterstützt die Vorschläge des Bundesrates und beantragt Eintreten.

Differenzbereinigung beim Enteignungsrecht

Anders als der Bundesrat haben die beiden Räte anlässlich der ersten Beratungsrunde entschieden, dass im Enteignungsrecht künftig eine erhöhte Entschädigung für landwirtschaftliches Kulturland vorgesehen werden sollte (18.057). Eine Differenz besteht noch in der Frage der Höhe dieser Entschädigung. Mit 14 zu 11 Stimmen entschied die Kommission, sich dem Ständerat anzuschliessen und dem Rat zu beantragen, dass die Entschädigung das Dreifache des massgeblichen Höchstpreises betragen soll. Während eine Kommissionsminderheit am Faktor sechs festhalten will, beantragt eine andere Minderheit die Streichung der Spezialregelung. Einstimmig hält die Kommission überdies am Grundsatz fest, dass für die Mitglieder der Schätzungskommissionen die gleichen Regeln für die Amtsdauer gelten sollen wie für die Mitglieder der eidgenössischen Gerichte.

Die Kommission tagte am 30./31. Januar 2020 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle (SP, GE) in Bern.