Die Rechtskommission des Nationalrats (RK-N) spricht sich für ein allgemeines Verbot von Paritätsklausen in Verträgen zwischen Beherbergungsbetrieben und Buchungsplattformen aus. Sie geht damit über das in der bundesrätlichen Vorlage zur Änderung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (21.079) vorgesehene Verbot von Preisparitätsklauseln hinaus.

Am 17. November 2021 hat der Bundesrat die Botschaft zu einer Änderung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verabschiedet. Die Vorlage sieht ein Verbot von Preisparitätsklauseln in Verträgen zwischen Online-Buchungsplattformen und Beherbergungsbetrieben vor. Die Kommission hat mit 16 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschlossen, auf das Geschäft einzutreten. Die grossen internationalen Buchungsplattformen seien durch ihre Marktmacht in der Lage, gerade kleinen und mittleren Schweizer Beherbergungsbetrieben nach Belieben ihre Regeln zu diktieren. Davor müssten die Schweizer Hotellerie und die Konsumenten geschützt werden. Ein Blick ins umliegende Ausland zeige zudem, dass die meisten Nachbarländer gesetzlich verankerte Verbote von Preisparitätsklauseln kennen, der Verzicht auf ein Verbot würde also zu einem Standortnachteil für Schweizer Beherbergungsbetriebe führen. Eine Minderheit lehnt die Vorlage mit der Begründung ab, dass damit eine Ausnahmeregelung für eine einzelne Branche geschaffen würde, wo konsequenterweise eine branchenübergreifende Lösung diskutiert werden müsste.

Die Kommission will nicht nur wie vom Bundesrat vorgesehen Preisparitätsklauseln verbieten, sondern Paritätsklauseln im Allgemeinen, also auch Verfügbarkeits- und Konditionenparitätsklauseln. Sie hat einem entsprechenden Antrag mit 18 zu 6 Stimmen zugestimmt. Eine Minderheit lehnt diesen Antrag ab. Mit 14 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen hat sich die Kommission gegen eine strafrechtliche Sanktionierung von Verstössen gegen das neue Verbot ausgesprochen, eine Minderheit befürwortet diese.

In der Gesamtabstimmung hat sich die Kommission mit 17 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen für die Annahme der Änderung des UWG ausgesprochen. Der Nationalrat wird sich im Rahmen der Frühjahrssession mit dem Geschäft befassen.

Justice restaurative: Ball zurück an Bundesrat

Der Ständerat hat in der Wintersession 2021 die Strafprozessordnung (19.048) zum ersten Mal als Zweitrat beraten und diverse Differenzen zum Nationalrat geschaffen. Die Rechtskommission des Nationalrates (RK-N) hat nun die erste Runde der Differenzbereinigung abgeschlossen.

Das vom Nationalrat in die Vorlage aufgenommene Konzept der «justice restaurative» wurde vom Ständerat abgelehnt. Die Kommission spricht sich nun mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung dafür aus, auf eine Umsetzung in der laufenden Revision zu verzichten. Sie ist der Ansicht, dass der Bundesrat dem Parlament eine separate Vorlage zur «justice restaurative» unterbreiten soll und hat deshalb mit 18 zu 7 Stimmen die Motion 21.4336 «justice restaurative» ihrer Schwesterkommission angenommen. Eine Minderheit möchte an der Umsetzung der «justice restaurative» im Rahmen der laufenden Revision der Strafprozessordnung (19.048) festhalten. Nachdem der Nationalrat die vom Bundesrat vorgeschlagene Einschränkung der Teilnahmerechte abgelehnt hat, hat der Ständerat eine neue Formulierung beschlossen, wonach die Staatsanwaltschaft die beschuldigte Person von der Einvernahme einer anderen beschuldigten Person ausschliessen kann, solange die beschuldigte Person ausserhalb des Haftverfahrens nicht einvernommen worden ist. Die Kommission hat sich mit 18 zu 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen dafür ausgesprochen, am Beschluss des Nationalrates festzuhalten und die Einschränkung der Teilnahmerechte ganz aus der Vorlage zu streichen. Eine Minderheit beantragt ihrem Rat, dem Ständerat zu folgen. Im Gegensatz zum Nationalrat hat der Ständerat die vom Bundesrat vorgesehene Beschwerdemöglichkeit für die Staatsanwaltschaft gutgeheissen. Die Kommission lehnt diese mit 13 zu 12 Stimmen weiterhin ab. Eine Minderheit beantragt, dem Ständerat zu folgen. Die beiden Geschäfte (19.048 und 21.4336) werden in der kommenden Frühjahrssession im Nationalrat beraten.

Strengere Sanktionen gegen betrügerische Unternehmen

Die Kommission hat der parlamentarischen Initiative Roduit 21.470 («Die Nichteinhaltung der obligatorischen Arbeitsbedingungen stellt einen qualifizierten unlauteren Wettbewerb dar und muss strafrechtlich verfolgt werden») mit 13 zu 7 Stimmen bei 4 Enthaltungen Folge gegeben. Die Nichteinhaltung der obligatorischen Arbeitsbedingungen ermögliche es betrügerischen Unternehmen, tiefere Preise als ihre redliche Konkurrenz anzubieten. In den Augen der Kommission reicht die bereits heute bestehende Möglichkeit eines zivilrechtlichen Verfahrens zur Bekämpfung des Problems nicht aus. Als Nächstes befindet die ständerätliche Schwesterkommission darüber, ob sie dem Entscheid der RK-N zustimmt.

Für einen neuen Straftatbestand der Folter

Mit 13 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen hat die Kommission der Initiative 20.504 von Nationalrat Beat Flach Folge gegeben. Diese verlangt, dass Folter als eigener Straftatbestand im Schweizer Strafrecht eingeführt wird. In den Augen der Kommission ist eine solche Ergänzung für die Glaubwürdigkeit der Schweizer Rechtsordnung unerlässlich. Die Minderheit ist demgegenüber der Auffassung, dass die Verhaltensweisen, die unter den Straftatbestand der Folter fallen sollen, durch die geltenden strafrechtlichen Bestimmungen bereits geahndet werden können. Die RK-S muss diesem Entscheid noch zustimmen.

Kommission will Kausalhaftung für Mangelfolgeschäden begrenzen

Die Kommission hat sich mit der parlamentarischen Initiative 20.491 («Keine unbegrenzte Kausalhaftung des Verkäufers für Mangelfolgeschäden») befasst. Anlass für diese Initiative war ein viel kritisierter Entscheid des Bundesgerichts, in dem dieses eine sehr weitgehende vertragliche Kausalhaftung anlässlich eines Papageienkaufs bejahte (BGE 133 III 257). Die Kommission hat mit knapper Mehrheit beschlossen (11 zu 10 Stimmen bei 3 Enthaltungen), der Initiative Folge zu geben. Da die einschlägige Gesetzesbestimmung nur fürs Kaufrecht gilt, erachtet die Kommissionsmehrheit deren Anpassung als zweckmässig. Die RK-S muss diesem Entscheid noch zustimmen.

Weitere Geschäfte:

  • Im Rahmen der Differenzbereinigung beantragt die Kommission ihrem Rat ohne Gegenstimme der parlamentarischen Initiative (Rickli Natalie) Rutz 18.467 «Keine Anerkennung von Kinder- und Minderjährigenehen in der Schweiz» Folge zu geben.
  • Die Kommission lehnt ein gesetzliches Verbot von Greenwashing ab. Sie beantragt ihrem Rat mit 13 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen, der parlamentarischen Initiative Pasquier-Eichenberger 21.457 («Stopp dem Greenwashing») keine Folge zu gegeben.
  • Die Kommission will kein Werbeverbot für Produkte und Dienstleistungen mit hohem CO-2-Ausstoss. Sie beantragt ihrem Rat mit 15 zu 8 Stimmen, der parlamentarischen Initiative Python 21.458 («Für eine Regulierung der Werbung gemäss dem Life Cycle Assessment eines Produktes») keine Folge zu geben.
  • Die Kommission beantragt mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung, die von Nationalrat Fabio Regazzi eingereichte parlamentarische Initiative 16.470 («Verzugszinssatz des Bundes. Anpassung an Marktzinsen») abzuschreiben und somit auf eine Anpassung des Verzugszinssatzes zu verzichten. Eine Kommissionsminderheit will die Beratungsfrist verlängern und die Arbeiten mit dem Ziel einer baldigen einer Vernehmlassung fortführen.
  • Im Anschluss an die Medienberichte zu den sogenannten «Pandora Papers» hat sich die Kommission ein weiteres Mal mit der Frage befasst, ob auch Beraterinnen und Berater den Vorgaben des Geldwäschereigesetzes zu unterstellen seien. Sie hat zur Kenntnis genommen, dass die entsprechenden Arbeiten im Finanzdepartement bereits im Gang sind und entsprechend entschieden, vorerst keine eigenen Arbeiten zu initiieren.
  • Die Kommission beantragt einstimmig, die parlamentarische Initiative 12.419 von alt Nationalrat Filippo Leutenegger abzuschreiben, da der strafrechtliche Weg aus ihrer Sicht nicht der richtige ist.
  • Die Kommission beantragt ihrem Rat mit 13 zu 11 Stimmen, der Initiative 21.468 («Entschädigung für Opfer von Menschenhandel») keine Folge zu geben. Ein Minderheitsantrag auf Folgegeben wurde eingereicht.

Die Kommission tagte am 3./4. Februar 2022 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Christa Markwalder (FDP, BE) in Bern.