Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-S) hat sich einstimmig für die Annahme der Motion Engler 22.4448 «Mehr Rechtssicherheit im Mietrecht» ausgesprochen, welche den Bundesrat beauftragt, eine Regelung zur zulässigen Nettorendite für Wohn- und Geschäftsräume vorzulegen.

Mit Urteil vom 26. Oktober 2020 (BGE 147 III 14) änderte das Bundesgericht die Praxis zur Berechnung der Nettorendite im Sinne von Artikel 269 OR dahingehend, dass die Nettorendite den Referenzzinssatz neu um 2 Prozent übersteigen darf. Das Urteil lässt aber die Frage offen, wie hoch die maximal zulässige Nettorendite ausfällt, wenn der Referenzzinssatz 2 Prozent übersteigt. Die Kommission hat verschiedene Experten zu dieser Frage angehört und daraus gefolgert, dass die Klärung dieser Frage durch den Gesetzgeber die Rechtssicherheit im Mietrecht erhöhen würde.

Die Fachleute haben verschiedene Lösungen vorgeschlagen, die im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens des Bundesrates zu prüfen sind.

Die Kommission hat aber auch zur Kenntnis genommen, dass die Berechnung der zulässigen Nettorendite in der Praxis gegenüber den Überwälzungssätzen (prozentuale Mietzinserhöhungen aufgrund einer Veränderung des Referenzzinssatzes und der Inflation) von untergeordneter Bedeutung ist. Diese führen in der derzeitigen Situation zum Paradox, dass die Nationalbank mit Zinserhöhungen die Inflation bekämpfen will, die dadurch steigenden Mieten die Inflation aber weiter anheizen. Die Kommission hat davon Kenntnis genommen, dass die aktuelle Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt das Risiko eines gesellschaftspolitischen Minenfelds birgt, da die aktuelle Gesetzgebung Mietzinserhöhungen zulässt, welche die Mittelschicht nicht mehr bezahlen kann.

Die Kommission hat zudem drei Vorlagen zum Mietrecht ihrer Schwesterkommission beraten, welche die Anliegen von vier parlamentarischen Initiativen (15.455 («Missbräuchliche Untermiete vermeiden»), 16.458 («Keine unnötigen Formulare bei gestaffelten Mietzinserhöhungen», 16.459 («Die Mietvertragsrecht. Auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschriften für zulässig erklären») und 18.475 («Beschleunigung des Verfahrens bei der Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf des Vermieters oder seiner Familienangehörigen») zu ausgewählten Fragen des Mietrechts umsetzen. Die Kommission hat alle drei Vorlagen in der Gesamtabstimmung angenommen (15.455: mit 6 zu 4 Stimmen; 16.458/16.459: mit 10 zu 1 Stimmen; 18.475: mit 8 zu 3 Stimmen). Bei den Vorlagen 15.455 und 18.475 beantragt eine Minderheit Nichteintreten, weil dadurch die Position der Mietenden bei der Untermiete und der Kündigung wegen Eigenbedarf einseitig geschwächt würde. Die Vorlagen werden in der Herbstsession vom Ständerat beraten.

Volksinitiative «Für ​Freiheit und körperliche Unversehrtheit» überzeugt nicht

Die Kommission schliesst sich dem Beschluss des Nationalrates an und empfiehlt ihrem Rat einstimmig mit 1 Enthaltung, Volk und Ständen zu empfehlen, die Volksinitiative «Für körperliche Unversehrtheit und Freiheit» (22.075) ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Sie ist wie der Bundesrat der Auffassung, dass der Initiativtext viel zu allgemein formuliert ist und zu grosser Rechtsunsicherheit führen würde, namentlich was die Anwendbarkeit von Artikel 36 der Bundesverfassung (allgemeine Kriterien für die Einschränkung der Grundrechte) anbelangt.

Weitere ​Geschäfte:

  • Die Kommission hat der Initiative 22.428 «Adoptionen und Herkunftssuche» ihrer Schwesterkommission mit 6 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens zum zweiten Mal keine Folge gegeben. Eine Minderheit beantragt ihrem Rat Folge zu geben. In der Herbstsession wird nun der Ständerat über die Initiative befinden.
  • Die Kommission hat sich gleichzeitig mit den zwei parlamentarischen Initiativen 23.400 und 21.524 sowie mit der Motion 21.4354 befasst, mit denen ein Verbot der Verwendung von nationalsozialistischen, rassistischen oder extremistischen Symbolen im öffentlichen Raum angestrebt wird. Die unterschiedliche Tragweite dieser drei Geschäfte und die Modalitäten von deren Umsetzung haben zu einer intensiven Debatte geführt und verschiedene Fragen aufgeworfen, weshalb die Kommission beschlossen hat, die Diskussion an einer ihrer nächsten Sitzungen zu vertiefen.
  • Die Kommission hat Kenntnis genommen vom Bericht des Bundesrates in Erfüllung des von der RK-S eingereichten Postulats 18.4092 («Folgen von ‹Loyalitätsaktien›»). In der Diskussion tauchten mehrere Fragen auf, namentlich zu den Möglichkeiten, die das geltende Recht bereits bietet. Die Kommission hat daher die Verwaltung beauftragt, ihr für eine der nächsten Sitzungen zusätzliche Informationen zu liefern.
  • Mit 6 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen beantragt die Kommission ihrem Rat, die von Nationalrätin Arslan eingereichte Motion 22.4503 («Verankerung des Verbrechens der Aggression im Sinne des internationalen Strafrechts im Strafgesetzbuch») abzulehnen. In ihren Augen wurde dem Bundesrat mit der Annahme der Motion 22.3362 durch die beiden Räte bereits ein entsprechender Auftrag erteilt.
  • Die Kommission hat die Beratung der Differenzen im Geschäft zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (034) abgeschlossen. Die Vorlage wird zwischen den Räten voraussichtlich in der Herbstsession bereinigt werden können.
  • Die Kommission hat zur Kenntnis genommen, dass der Bundesrat nach der Sommerpause die Vernehmlassung zu einer Revision des Geldwäschereigesetzes eröffnen wird. Sie hat deshalb entschieden, die Beratung zu entsprechenden Vorstössen vorerst zurückzustellen (Motionen 22.3637, 22.3456 «Wer sind die wirtschaftlich Berechtigten?», 21.4396 «Zur Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung muss ein Register über die wirtschaftlich Berechtigten an juristischen Personen und Trusts eingeführt werden» und 22.3104 «Keine Umgehung der Sanktionen. Unterstellung des Kunsthandels unter das Geldwäschereigesetz»).
  • Die Kommission hat ihre Arbeiten zur Einsetzung eines Fachbeirates, welcher die Gerichtskommission im Auswahlverfahren für Magistratspersonen unterstützen soll, (21.452) fortgesetzt. Vor der Verabschiedung eines Erlassentwurfs wird sie die interessierten Kreise konsultieren.
  • Mit 9 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung hat die Kommission eine Initiative beschlossen, mit der sie verlangt, den Richterbestand am Bundesverwaltungsgericht vorübergehend um fünf Stellen auf 70 Personen zu erhöhen (23.449).
  • Zu guter Letzt hat die Kommission vom Nachtrag zum zweiten GRECO-Konformitätsbericht «Prävention von Korruption bei Mitgliedern von Parlamenten, Gerichten und Staatsanwaltschaften» Kenntnis genommen.

Die Kommission hat am 26. / 27. Juni 2023 unter dem Vorsitz von Ständerat Carlo Sommaruga (SP, GE) in Bern getagt.