Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats anerkennt den Handlungsbedarf im Bereich des Schutzes gewaltbetroffener Personen und beantragt dem Ständerat einstimmig die Annahme der entsprechenden Vorlage des Bundesrates.

​Der Bundesrat hat am 11. Oktober 2017 die Botschaft 17.062 (Schutz gewaltbetroffener Personen. Bundesgesetz) verabschiedet, welche Änderungen im Zivil- und Strafrecht zum Schutz gewaltbetroffener Personen vorsieht. Die Vorlage soll einerseits eine elektronische Überwachung von Rayon- oder Kontaktverboten ermöglichen und andererseits die Opfer von häuslicher Gewalt stärker entlasten: So soll der Entscheid über den Fortgang eines Strafverfahrens nicht mehr ausschliesslich vom Willen des Opfers abhängen. Vielmehr soll inskünftig die Strafbehörde in Würdigung der Gesamtumstände entscheiden. Dies vermindert die Gefahr, dass ein Opfer möglicherweise von der beschuldigten Person unter Druck gesetzt wird. Die Kommission unterstützt grundsätzlich die Vorschläge des Bundesrates. Entgegen dem Bundesrat hat die Kommission mit 10 zu 1 Stimmen bei 1 Enthaltung jedoch entschieden, dass bereits im ZGB festgehalten werden soll, dass die Kosten für den Vollzug einer angeordneten elektronischen Überwachung auch dem Täter auferlegt werden können. Der Ständerat berät die Vorlage in der Sommersession.

Kein Handlungsbedarf betreffend organisierter Sterbehilfe

Die Kommission hat die Standesinitiative des Kantons Neuenburg 17.315 (Bedingungen für die Suizidhilfe) vorgeprüft. Die Standesinitiative verlangt, dass die Bundesversammlung die Bedingungen für die Beihilfe zum Selbstmord und die Rechtsgrundlagen für Sterbehilfeorganisationen präzisiert. Die Kommission sieht diesbezüglich keinen Handlungsbedarf und beantragt daher ihrem Rat mit 12 zu 1 Stimmen, der Standesinitiative keine Folge zu geben. Dies auch vor dem Hintergrund, dass darüber in den letzten Jahren bereits ausführliche Debatten in den eidgenössischen Räten geführt wurden und auf eine entsprechende Regelung im Strafrecht ausdrücklich verzichtet wurde.

Asbestopfer: Kommission drängt auf eine rasche Lösung

Die Kommission hat sich erneut mit dem Verjährungsrecht (13.100) befasst und sich bei sämtlichen verbliebenen Differenzen dem Nationalrat angeschlossen. Für sie ist es zentral, dass die Asbestopfer so schnell als möglich in den Genuss von Leistungen des Entschädigungsfonds für Asbestopfer (EFA) kommen können und im Verjährungsrecht wieder Rechtssicherheit herrscht. Entsprechend verzichtet sie auf die Rückwirkung bei asbestbedingten Personenschäden und beantragt ihrem Rat mit 8 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die absolute Verjährung bei Personenschäden von heute 10 auf 20 Jahre zu verlängern. Eine Minderheit beantragt, bei der absoluten Verjährungsfrist des geltenden Rechts zu bleiben.

Neue Rechtsgrundlage für das Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung

Die Kommission hat den Entwurf des Bundesrates zur Totalrevision des Bundesgesetzes über das Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung (18.018) einstimmig und ohne Änderungen angenommen. Damit wird das in Lausanne gelegene Institut, welches im Jahre 1978 errichtet wurde, organisatorisch an die Corporate-Governance-Grundsätze des Bundes angepasst und im Bereich der Leitungsorgane verschlankt. Dank der Totalrevision wird neu auch der bereits heute geltende Grundsatz der wissenschaftlichen Unabhängigkeit des Instituts ausdrücklich im Gesetz verankert werden.

Weitere Geschäfte:

  • Die RK-S hat es mit 12 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung abgelehnt, dem Beschluss der RK-N zuzustimmen, der parlamentarischen Initiative 16.487 Folge zu geben. Diese Initiative verlangt, dass die Bundesanwaltschaft (BA) nicht mehr nur von einer Person geleitet wird, sondern von einem Kollegium aus drei Bundesanwältinnen oder Bundesanwälten, welche die Verantwortung gemeinsam tragen. Nach Meinung der RK-S ist eine solche Änderung nicht gerechtfertigt.
  • Die Kommission teilt die Meinung ihrer Schwesterkommission, wonach bei Artikel 420 ZGB ein Paradigmenwechsel angezeigt sei. Sie hat mit 12 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung der Initiative Vogler 16.428 Folge gegeben, welche vorsieht, dass die Pflicht zur periodischen Berichterstattung und Rechnungsablage für Angehörige, welche als Beistand oder Beiständin eingesetzt werden und vor Einführung des neuen Rechts zum Teil während Jahrzehnten für ihre behinderten Kinder gesorgt haben, nur noch ausnahmsweise gelten soll. Die Kommission hat zudem einstimmig der Initiative Vogler 16.429 Folge gegeben, welche darauf abzielt, die Liste von Angehörigen in Artikel 420 ZGB in eine nicht abschliessende Liste umzuwandeln. Die beiden Initiativen gehen somit zurück in die RK-N, welche nun eine entsprechende Vorlage ausarbeiten kann.
  • Bei der Vorprüfung der Standesinitiative 15.309 des Kantons Schaffhausen (Verankerung einer Beschwerdelegitimation des kostenpflichtigen Gemeinwesens gegenüber Kindes- und Erwachsenenschutzmassnahmen der Kesb im ZGB) schliesst sich die Kommission dem Beschluss des Nationalrates an. Sie beantragt dem Ständerat mit 8 zu 2 Stimmen und 3 Enthaltungen, der Initiative keine Folge zu geben.
  • Die Kommission hat einstimmig eine Motion (18.3379) verabschiedet, die den Bundesrat beauftragt, dem Parlament eine gesetzliche Grundlage zu unterbreiten, welche die Sozialen Netzwerke verpflichtet, in der Schweiz über eine Vertretung oder ein Zustelldomizil zu verfügen. Ausserdem soll der Bundesrat auf internationaler Ebene darauf hinwirken, dass der Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf Daten im Ausland verbessert wird. Die Motion Levrat 16.4082 wurde zugunsten der Kommissionsmotion zurückgezogen.
  • Die Kommission hat sich mit 8 zu 5 Stimmen für die Annahme der Motion Rieder 17.3863 ausgesprochen, welche für Landfriedensbruch (Artikel 260 StGB) zwingend eine Geldstrafe und eine Freiheitsstrafe fordert. Eine Minderheit beantragt die Ablehnung der Motion.

Die Kommission hat am 22./23. März 2018 unter dem Vorsitz von Ständerat Robert Cramer (G, GE) in Bern getagt.