Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) hat die Vorlage zu den Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (19.051) beraten und in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 7 Stimmen angenommen. Davor hatte die Kommission die Höhe der Leistungen den Ergänzungsleistungen (EL) angepasst, zugleich jedoch die Anspruchsvoraussetzungen flexibilisiert.

Mit den subsidiär zu den Arbeitsintegrationsmassnahmen des Bundes verstandenen Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose (19.051) will die Kommission das Abrutschen älterer Arbeitsloser in die Altersarmut verhindern und gleichzeitig möglichst Fehlanreize am Arbeitsmarkt vermeiden. Nachdem die SGK-NR an der letzten Sitzung auf die Vorlage zu den Überbrückungsleistungen (ÜL) eingetreten war, hat sie diese im Rahmen der Detailberatung in wichtigen Punkten angepasst. Sie beantragt im Wesentlichen:

  • ÜL erhalten Personen nach Vollendung des 60. Altersjahres. Anspruchsberechtigt sind neu auch Personen, die vor Vollendung des 60. Altersjahres ausgesteuert wurden (Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Bst .a; 15 zu 10 Stimmen);
  • Der Anspruch auf ÜL soll neu nicht entstehen bzw. erlöschen, wenn zum Zeitpunkt, an dem die Altersrente frühestens vorbezogen werden kann, absehbar ist, dass bei Erreichen des ordentlichen Rentenalters ein EL-Anspruch besteht (Art. 2 Abs. 1; 17 zu 8 Stimmen);
  • Die Mindestbeitragsdauer von 20 Jahren gemäss Bundesrat wird beibehalten. Neu müssen davon 5 Jahre nach Vollendung des 50. Altersjahres liegen. Im Gegenzug entfällt die Verpflichtung, dass Personen in den 10 der 15 Jahre unmittelbar vor der Aussteuerung mit dem entsprechenden Mindesteinkommen versichert sein müssen (Art. 3 Abs. 1 Bst. b und c; 17 zu 8 resp. 18 zu 7 Stimmen);
  • Neu können auch Erziehungs- und Betreuungsgutschriften an die AHV-Beitragszeit angerechnet werden (Art. 3 Abs. 1 Bst. c; 17 zu 8 Stimmen);
  • Der Anspruch auf ÜL besteht nur, wenn das Reinvermögen unterhalb der Hälfte der EL-Vermögensschwelle liegt und entsprechend weniger als 50'000 Franken für Alleinstehende und 100'000 Franken für Ehepaare beträgt (Art. 3 Abs. 1 Bst. d; 21 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen);
  • Die Höhe der Leistungen wird derjenigen der EL angeglichen. Im Gegensatz zum Beschluss des Ständerates werden die Krankheitskosten jedoch analog zur EL separat abgegolten (Art. 2a und Art. 5 Abs. 1; 17 zu 7 Stimmen);
  • An der Verpflichtung zum Nachweis von Integrationsbemühungen in den Arbeitsmarkt wird festgehalten. Die konkrete Ausgestaltung soll jedoch an den Bundesrat delegiert werden, damit dieser bei Bedarf relativ rasch Anpassungen vornehmen kann (Art. 3 Abs. 5; 13 zu 10 Stimmen);
  • Im Rahmen der freiwilligen Weiterführung der beruflichen Vorsorge dürfen nur Risiko- und Verwaltungskostenbeiträge, jedoch keine Sparbeiträge angerechnet werden (Art. 7 Abs. 1 Bst. g; 11 zu 9 Stimmen);
  • Wie bei der Version des Ständerates sollen die ÜL nicht besteuert werden (Art. 24 DBG resp. Art. 7 StHG; 17 zu 7 Stimmen).

 Das Konzept der SGK-NR führt 2028 zu geschätzt 6200 ÜL-Bezügern bei Kosten von 270 Mio. Franken (gegenüber 70 Mio gemäss Beschluss des Ständerates resp. 230 Mio. gemäss Bundesrat, vgl. Kostenschätzung in der Beilage).

Verschiedene Minderheiten beantragen unter anderem, grundsätzlich bei den Beschlüssen des Ständerates zu bleiben, das Mindestalter für ÜL auf 62 Jahre zu erhöhen oder auf 57 Jahre zu senken, die ÜL nicht von der Steuer zu befreien und den Export der Leistungen ins Ausland zu verbieten. Die Vorlage ist am Mittwoch, 4. März 2020, im Nationalrat traktandiert.

Zulassungssteuerung soll vor der einheitlichen Finanzierung in Kraft treten können

In der Differenzbereinigung zur Vorlage «KVG. Zulassung von Leistungserbringern»   (18.047) beantragt die Kommission, dem Ständerat in zwei von vier Punkten zu folgen. Erstens soll die Zulassungssteuerung nicht an die Vorlage über die einheitliche Finanzierung der Leistungen im ambulanten und im stationären Bereich (09.528) gekoppelt werden (12 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen). Zweitens sollen die Kantone selber entscheiden können, ob sie neue Zulassungen von Ärztinnen und Ärzten stoppen, wenn die Kosten überdurchschnittlich steigen (Art. 55a Abs. 6; einstimmig). Anders als der Ständerat will die Kommission jedoch den Versicherern ein Beschwerderecht gegen kantonale Erlasse zur Zulassungssteuerung einräumen (Art. 55a Abs. 7; 14 zu 11 Stimmen). Auch sollen die Versicherer über die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen wachen, nachdem der Kanton einen Leistungserbringer einmal zugelassen hat (Art. 36a Abs. 3, Art. 38 Abs. 2 und 3, Art. 59 Abs. 5; 17 zu 8 Stimmen).

Auf das Kostendämpfungspaket eingetreten

Einstimmig ist die Kommission auf die Massnahmen zur Kostendämpfung - Paket 1 (19.046) in der Krankenversicherung eingetreten. Sie beauftragte die Verwaltung mit Abklärungen, insbesondere zum Referenzpreissystem für Arzneimittel und zum Experimentierartikel. Zu dieser Neuerung hatte sie vorgängig Vertretungen der Kantone, der Leistungserbringer, der Versicherer und der Patientinnen und Patienten angehört. Sie wird die Detailberatung am März aufnehmen und dabei mit jenen Massnahmen beginnen, die kaum umstritten sind.

Weitere Geschäfte

Die Kommission stellt dem Nationalrat im Übrigen folgende Anträge:

  • 19.3958 s Mo. Ständerat (SGK-SR). Besteuerung von elektronischen Zigaretten: Annahme mit der Präzisierung im Motionstext, dass die Bestimmungen zur Besteuerung von elektronischen Zigaretten nicht in Kraft treten, bevor das neue Bundesgesetz über Tabakprodukte (15.075) verabschiedet ist (20 zu 3 Stimmen).
  • 19.3702 s Mo. Ständerat (Ettlin Erich). Einkauf in die Säule 3a ermöglichen: Annahme (13 zu 10 Stimmen).
  • Fünf Motionen der Staatspolitischen Kommission zum Datenschutz in der Krankenversicherung, der Unfallversicherung und der beruflichen Vorsorge (19.3960; 19.3961; 19.3962; 19.3963; 19.3964): Ablehnung (mit 22 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen). Die Kommission beschloss stattdessen eine eigene Motion, mit der sie beim Bearbeiten von Personendaten in der Krankenversicherung Rechtssicherheit schaffen und den Status quo weiterführen will (13 zu 10 Stimmen).
  • 17.320 s Kt.Iv. JU. Nichtbezahlte KVG-Prämien. Zuteilung an einen vom Kanton bestimmten Krankenversicherer bei Übernahme der Verlustscheine durch den Kanton: keine Folge geben (einstimmig);
  • 19.3703 s Mo. Ständerat (Dittli). Medikamentenkosten. Es braucht Anpassungen beim Zulassungs- und Preisbildungssystem im Bereich der Grundversicherung: Annahme (18 zu 7 Stimmen).
  • 19.3743 s Mo. Ständerat (Müller Damian). Die Eliminierung von Hepatitis gehört in ein nationales Programm zu sexuell und durch Blut übertragbaren Infektionskrankheiten: Annahme (einstimmig);
  • 19.3600 s Mo. Ständerat (Kuprecht). Gesetzesgrundlage zur Kontrolle der Oberaufsichtskommission über die berufliche Vorsorge: Ablehnung (23 zu 0 Stimmen).

Die Kommission tagte am 20. und 21. Februar 2020 in Bern unter der Leitung von Ruth Humbel (CVP, AG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.