Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) unterstützt die Übergangsfinanzierung des elektronischen Patientendossiers (EPD). Sie möchte die Weiterentwicklung des EPD jedoch rascher vorantreiben als der Bundesrat. So sollen sämtliche Leistungserbringer dazu verpflichtet werden, sich einer Stammgemeinschaft anzuschliessen. Zudem sollen auch Verbesserungen an der Nutzung des EPD finanziell unterstützt und die Gleichbehandlung der Stammgemeinschaften vorgeschrieben werden.

Mit 17 zu 7 Stimmen hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) die Vorlage für eine Übergangsfinanzierung des elektronischen Patientendossiers (EPD; 23.061) wie auch den zugehörigen Bundesbeschluss für einen Zahlungsrahmen von 30 Millionen Franken in der Gesamtabstimmung angenommen. Bereits an ihrer letzten Sitzung war die Kommission auf die Vorlagen eingetreten.

Die Kommission hat den Entwurf des Bundesrates in verschiedenen Punkten angepasst, um Verbreitung und Nutzen des EPD zu stärken. Insbesondere sollen die Leistungserbringer dazu verpflichtet werden, sich einer zertifizierten Gemeinschaft oder Stammgemeinschaft anzuschliessen. Mit 16 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung möchte die Mehrheit der Kommission eine entsprechende Regelung, welche der Bundesrat im Rahmen der Vernehmlassung zur umfassenden Reform des EPD vorgeschlagen hat, bereits jetzt aufnehmen, um die Verbreitung des EPD rasch voranzutreiben (Art. 59abis). Bereits 2021 hatte das Parlament auf Antrag der SGK-N ein solches Obligatorium gefordert (Motion 19.3955). Kommen Leistungserbringer dieser Pflicht nicht nach, so sind Sanktionen vorgesehen. Als Übergangsfrist sieht die SGK-N ein Jahr ab Inkrafttreten der Revision vor. Eine Minderheit lehnt die Anschlusspflicht für alle Leistungserbringer ab.

Die Kommission möchte weiter die Freiheit der Patientinnen und Patienten bei der Wahl einer Stammgemeinschaft auch bei der Einwilligung festschreiben (Art. 3 Abs. 1; 15 zu 9 Stimmen). Auch bei den Finanzhilfen von Bund und Kantonen soll festgehalten werden, dass diese unabhängig von der gewählten Stammgemeinschaft ausbezahlt werden müssen (Art. 23a Abs. 3; 20 zu 3 Stimmen), um den Wettbewerb unter den Stammgemeinschaften zu fördern. Eine Mehrheit der Kommission möchte zudem Finanzhilfen auch für die Verbesserung der Nutzung bestehender Dossiers und die Integration von Leistungserbringern ermöglichen (Art. 23a Abs. 2; 12 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung). Mit 16 zu 7 Stimmen beantragt die Kommissionsmehrheit hingegen, die Gültigkeit der Bestimmungen zur Übergangsfinanzierung auf fünf Jahre zu begrenzen. Verschiedene Minderheiten lehnen die Ausweitung der Finanzhilfen wie auch deren Befristung ab.

Erhöhung des Selbs​tbehalts um 50 Franken für das Aufsuchen einer Spitalnotfallaufnahme ohne Überweisung von einer Gesundheitsfachperson

Die Kommission ist mit 13 zu 11 Stimmen auf einen Vorentwurf zur Umsetzung der Pa. Iv. (Weibel) Bäumle. Gebühr für Bagatellfälle in der Spitalnotfallaufnahme (17.480) eingetreten. Dieser sieht vor, dass der Selbstbehalt zulasten der versicherten Person um 50 Franken erhöht wird, wenn diese eine Spitalnotfallaufnahme ohne schriftliche Überweisung von einer Ärztin bzw. einem Arzt, von einem Zentrum für Telemedizin oder von einer Apothekerin bzw. einem Apotheker aufsucht. Von dieser Regelung ausgenommen sind Schwangere sowie Kinder und sie gilt nur für Personen, die der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) unterstellt sind. Die Kommission hat sich mit 12 zu 4 Stimmen bei 7 Enthaltungen dafür ausgesprochen, den Entscheid über die Einführung einer solchen Selbstbehalterhöhung den Kantonen zu überlassen. Aus Sicht der Kommission hat der gewählte Ansatz den Vorteil, dass der Anwendungsbereich klar und einheitlich ist und kein Zusatzaufwand für die Fachkräfte vor Ort entsteht, weil diese beispielsweise nicht entscheiden müssen, was als Notfall gilt und was nicht. Mit der vorgesehenen Massnahme sollen Versicherte, davon abgehalten werden, bei Bagatellfällen Notfallaufnahmen aufzusuchen. Die definitive Fassung des Vorentwurfs wird voraussichtlich im zweiten Quartal 2024 in die Vernehmlassung geschickt.

Kinder und Jugendliche vor Tabakwer​​bung schützen

Mit 18 zu 5 Stimmen ist die Kommission auf die Teilrevision des Tabakproduktegesetzes zur Umsetzung der angenommenen Initiative «Kinder ohne Tabak» (23.049) eingetreten. Die Kommission will den klaren Volksauftrag für eine striktere Regelung der Tabakwerbung annehmen und hat bei der Verwaltung im Hinblick auf die Detailberatung verschiedene Abklärungen in Auftrag gegeben. Einen Antrag auf Rückweisung der Vorlage an den Bundesrat mit dem Auftrag, die Vorlage auf eine Umsetzung des Initiativtextes zu begrenzen, lehnte die Kommission mit 17 zu 6 Stimmen ab. Eine Minderheit wird die Rückweisung im Rat erneut zur Debatte stellen. Die SGK-N wird sich im nächsten Quartal mit der genauen Ausgestaltung der Vorlage befassen.

Entwurf zum Daten​​austausch und Risikoausgleich bereit für die Behandlung in der Wintersession

Die Kommission hat den Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Datenaustausch, Risikoausgleich; 23.048) in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen. Nachdem das Thema des Risikoausgleichs bereits an der vergangenen Sitzung vollständig behandelt worden war, hat sich die SGK-N ausschliesslich mit den Bestimmungen zum Datenaustausch zwischen den Kantonen und den Krankenversicherern im Hinblick auf die Festlegung der Prämien und die Zuteilung des kantonalen Anteils an den Spitalleistungen befasst. Sie schliesst sich in diesen Punkten dem Entwurf des Bundesrates an. Allerdings hat sie eine inkohärente Verwendung der Ausdrücke «Wohnort» und «Wohnsitz» im KVG festgestellt und deshalb mit 13 zu 3 Stimmen bei 6 Enthaltungen eine Motion verabschiedet, die eine Prüfung dieses Problems verlangt (23.4343). Mit 11 zu 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen hat sie zudem eine zweite Motion beschlossen, mit der sie erreichen möchte, dass die Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen ihren Wohnsitz behalten dürfen (23.4344). Im Weiteren beantragt die Kommission mit 11 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung, den Entwurf des Bundesrates dahingehend zu ergänzen, dass auch die Staatsangehörigkeit von Begünstigten der Prämienverbilligung zu statistischen Zwecken erfasst wird (Art. 65 Abs. 6 KVG). Der Entwurf, zu dem mehrere Minderheitsanträge eingereicht wurden, ist bereit für die Wintersession.

Weitere Ges​​chäfte

Die Kommission hat Kenntnis genommen von der Stellungnahme des Bundesrates zur Vorlage, die zur Umsetzung der Pa. Iv. Schneeberger. Leistungen zur Prävention sind im heutigen Umfeld eine wichtige Aufgabe von Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen (19.456) ausgearbeitet worden war. Sie spricht sich mit 18 zu 0 Stimmen bei 6 Enthaltungen gegen den Antrag des Bundesrates aus, auf die Aus- und Weiterbildungsmassnahmen, die Massnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Massnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention zu verzichten, und hält somit an ihrer Vorlage fest. Das Geschäft geht nun in den Nationalrat.

Die Kommission hat die Verwaltung mit verschiedenen Arbeiten zur Umsetzung der Pa. Iv. Crottaz. Änderung der gesetzlichen Grundlagen, sodass Swissmedic Dosierungen und Packungen von Arzneimitteln auch dann auf die Spezialitätenliste setzen kann, wenn das Gesuch nicht vom Hersteller stammt (19.508) beauftragt. Neben einer Analyse der Problematik sollen Gesetzesänderungen ausgearbeitet werden, damit passendere und somit günstigere Dosierungen von Medikamenten vergütet werden können, auch wenn die Zulassungsinhaberin dies nicht beantragt hat. Dabei soll auch eine Lösung über Parallelimporte geprüft werden. Zusätzlich will die Kommission eine Umsetzung weiterverfolgen, welche die reguläre Vergütung von Arzneimitteln ermöglicht, welche eine günstigere Therapiealternative für eine Krankheit sind, aber dafür keine Zulassung haben (sogenannter ökonomischer off-label use).

Die Kommission hat weiter mit den Arbeiten zur Umsetzung der Pa. Iv. Grossen Jürg. Selbstständigkeit ermöglichen, Parteiwillen berücksichtigen (18.455) begonnen. Sie möchte die Initiative gemäss eingereichtem Text umsetzen. Um die soziale Absicherung von Selbstständigerwerbenden zu verbessern, hat sie die Verwaltung mit der Prüfung von Möglichkeiten zu einem freiwilligen, vereinfachten Inkasso der Sozialversicherungsbeiträge sowie zur Erhöhung der Planungssicherheit bezüglich Beitragsstatut beauftragt.

Die Kommission beantragt mit 17 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Mo. SGK-SR. Längeren Spitalaufenthalt der Mutter kurz nach der Geburt beim Mutterschaftsurlaub und bei der Mutterschaftsentschädigung angemessen berücksichtigen (23.3015) anzunehmen. Diese Motion nimmt das Anliegen der Standesinitiative des Kantons Waadt (22.301) in einer umfassenderen Form auf, weswegen die Kommission mit 18 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt, der Standesinitiative keine Folge zu geben.

Die Kommission beantragt mit 17 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Mo. SGK-SR. Nationaler Krebsplan (23.3014) anzunehmen.

Mit 20 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt die Kommission, der Kt. Iv. ZH. Mitbeteiligung des Bundes an den Ertragsausfällen und Mehrkosten der Spitäler und Kliniken durch Covid-19 (22.303) keine Folge zu geben und daher dem Ständerat zu folgen.

Die Kommission hat ohne Gegenantrag beschlossen, den Bundesrat in einem Schreiben ihr Unverständnis über die kürzlich verabschiedete Änderung der Verordnung über die Invalidenversicherung betreffend des Invaliditätsgrads mitzuteilen. Sie hält darin fest, dass ihre Motion 22.3377 mit dem ab 2024 neu gültigen Pauschalabzug von 10 Prozent auf dem hypothetischen Einkommen nicht erfüllt werde, da die Motion verlangt, die invaliditätskonformen Löhne basierend auf dem Modell Riemer-Kafka/Schwegler zu berechnen. Bei der Konsultation der Verordnungsänderung Ende August hatte sich die Kommission deshalb für einen Pauschalabzug von 15 Prozent im Sinne einer Übergangslösung ausgesprochen.

Die Kommission liess sich zum Entwurf der Ausführungsverordnung zur Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit informieren, welche die Allgemeinverbindlichkeits-erklärung der entsprechenden Branchenvereinbarung der Versicherer regelt. Sie zeigt sich enttäuscht, dass die neu vorgesehene Branchenvereinbarung insbesondere bezüglich Kaltakquise und Regelung im Zusatzversicherungsbereich hinter die Vorgaben der bisherigen Vereinbarung zurückfällt und nicht das enthält, was die Versicherer bei der Beratung der Gesetzesvorlage in Aussicht gestellt haben.

Die Kommission tagte vom 16. bis 17. November 2023 in Bern unter der Leitung von Céline Amaudruz (SVP, GE).