Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) hat die Detailberatung des zweiten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (22.062) weitergeführt. Bei den Massnahmen im Bereich der Arzneimittel stimmt sie mehrheitlich dem Nationalrat zu, beantragt aber mehrere Anpassungen im Sinne des Bundesrates, mit denen die Massnahmen ausgewogener gestaltet werden sollen. Wie der Nationalrat spricht sich auch die Kommission dafür aus, Preismodelle für teure, innovative Arzneimittel im Gesetz zu verankern. Sie präzisiert aber, dass diese nur ausnahmsweise angewendet werden sollen und lehnt die Ergänzung des Nationalrates ab, wonach das Bundesamt für Gesundheit nur auf Antrag der Zulassungsinhaberin Preismodelle vereinbaren kann (mit 10 zu 2 Stimmen). Aus Sicht der Kommission wäre so der Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten gefährdet, da das produzierende Unternehmen von sich aus weniger Interesse daran haben dürfte, Modelle mit Rabatten auszuhandeln. Um diesen Zugang zu sichern, befürwortet die Kommission ebenso wie der Bundesrat und der Nationalrat auch sogenannt vertrauliche Preismodelle, bei denen gewisse Informationen wie etwa Rückerstattungen vom Öffentlichkeitsgesetz ausgenommen werden können (mit 6 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen). Eine Minderheit lehnt diese Art der Preismodelle ab.
Im Grundsatz unterstützt die Kommission auch die vom Nationalrat vorgeschlagene vorläufige Vergütung von neuen Medikamenten. Sie beantragt ihrem Rat jedoch, dieses neue Vergütungsmodell in mehreren Punkten anzupassen: So soll die Eidgenössische Kommission für Arzneimittel angehört werden, bevor ein Medikament auf eine provisorische Liste aufgenommen und anschliessend während zwei Jahren zu einem vorläufigen Preis von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vergütet wird. Entsprechend sollen nicht alle Medikamente, die im beschleunigten Verfahren von Swissmedic zugelassen werden, auf diese provisorische Liste aufgenommen werden müssen. Zudem soll es keine Beschwerdemöglichkeiten zur Aufnahme in diese Liste geben und nach Ablauf der zwei Jahre soll der vorläufige Preis auch für eine allfällige Vergütung im Einzelfall massgeblich sein. Damit will die Kommission ein ausgewogenes Vergütungsmodell einführen, das auf dringend benötigte und besonders vielversprechende Therapien ausgerichtet ist.
Die Kommission unterstützt weiter den Beschluss des Nationalrates, die Verfahren bei der Bezeichnung und Vergütung von Impfungen zu vereinfachen (ohne Gegenantrag). Im Gegensatz zum Nationalrat befürwortet sie indes, dass die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit neu je nach Leistung unterschiedlich häufig oder vertieft und damit flexibler als bisher geprüft und überprüft werden sollen (mit 8 zu 4 Stimmen). Der Beschluss des Nationalrates sieht lediglich vor, dass auf die periodische Überprüfung einer Leistung – insbesondere bei Arzneimitteln – verzichtet werden kann.
Zum Auftakt der Beratung der Massnahmen im Bereich der Medikamente hatte die Kommission Vertretungen der Krankenkassen und der pharmazeutischen Industrie angehört. Für die weiteren Beratungen hat sie die Verwaltung beauftragt, Massnahmen im Bereich der ambulanten Tarife und Verfeinerungen ihres Vorschlags zu den Netzwerken zur koordinierten Versorgung zu prüfen (siehe Medienmitteilung vom 30. Januar 2024). Die Kommission plant, ihre Beratungen dieses umfangreichen Massnahmenpakets an der nächsten Sitzung vom 23. April 2024 abzuschliessen, damit der Ständerat in der Sommersession darüber befinden kann.
Prioritäre Umsetzung der Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente
Die Kommission liess sich über den Zeitplan zur Umsetzung der Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente informieren. An der nächsten Sitzung wird Bundesrätin Baume-Schneider die Richtungsentscheide erläutern, welcher der Bundesrat bis dann treffen wird. Vor dem Hintergrund der von Volk und Ständen beschlossenen 13. AHV-Rente beantragt die Kommission mit 5 zu 3 Stimmen bei 4 Enthaltungen, die als Gegenvorschlag verstandenen gleichlautenden Mo.Rieder und Mo. Mettler. AHV-Renten für die bedürftigen Rentnerinnen und Rentner erhöhen (23.3212 resp. 23.3239) abzulehnen. Die Umsetzung der Volksinitiative, die erhebliche finanzielle Mittel beanspruchen wird, habe nun Priorität. Weitere Massnahmen, die das Rentensystem grundlegend ändern, müssten im Rahmen der AHV-Reform diskutiert werden, welche der Bundesrat bis Ende 2026 vorlegt.
Soziale Funktion der Wohlfahrtsfonds soll gestärkt werden
Die Kommission hat den Entwurf zur Umsetzung der Pa. Iv. Schneeberger. Leistungen zur Prävention sind im heutigen Umfeld eine wichtige Aufgabe von Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen (19.456) in der Gesamtabstimmung einstimmig angenommen. Sie folgt somit dem Nationalrat und unterstützt den Entwurf in der Fassung ihrer Schwesterkommission. Dieser sieht vor, das Zivilgesetzbuch dahingehend zu ändern, dass der Katalog der Leistungen, welche die Wohlfahrtsfonds zur Erfüllung ihrer Nebenzwecke erbringen dürfen, erweitert wird. Somit können Präventionsleistungen in Bereichen ausserhalb der berufliche Vorsorge ausgerichtet werden, beispielsweise zu Krankheit, Gesundheitsförderung, Arbeitslosigkeit oder besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Kommission ist der Ansicht, dass die von der Schwesterkommission ausgearbeitete Vorlage den Wohlfahrtsfonds einen grösseren Handlungsspielraum bietet und auch die Rechtssicherheit gewährleistet, die notwendig ist, damit diese Fonds ihrer sozialen Funktion nachkommen können. Das Geschäft wird in der Sommersession im Ständerat behandelt.
Weitere Geschäfte
Einstimmig ist die Kommission ist dem Beschluss des Nationalrates gefolgt und hat die vom Bundesrat ausgearbeitete Gesetzesänderung (23.067), mit der die Anmeldung für Leistungen der Erwerbsersatzordnung (EO) digitalisiert werden soll, in der Gesamtabstimmung angenommen. Mit der Vorlage soll die EO-Anmeldung für Dienstpflichtige durch ein digitales System vereinfacht werden. Die Einführung eines gesamtschweizerischen digitalen Systems und die Automatisierung des Verfahrens dürften zu erheblichen Einsparungen bei den betroffenen Arbeitgebern und den kantonalen Ausgleichskassen führen. Das Geschäft kommt in der Sommersession in den Ständerat.
Die Kommission beantragt mit 10 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Mo. SGK-NR. Überprüfung und Vereinheitlichung der Begriffe "Wohnort" und "Wohnsitz" im KVG damit die Zuständigkeiten klar geregelt sind (23.4343) anzunehmen.
Einstimmig unterstützt die Kommission die Mo. Dobler. Medikamentenpreise. Vereinfachte Regeln für Medikamente in Spitälern, um Kosten zu senken (23.4183) in einer abgeänderten Form. So soll bei allen Arzneimitteln, welche ausschliesslich von Medizinalpersonen angewendet werden und auf deren Verpackung ein QR-Code angebracht ist, auf eine Packungsbeilage verzichtet werden können – und nicht nur bei Medikamenten zum Einsatz in Spitälern.
Mit 8 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt die Kommission, die Mo. Heim. Medizinische Mittel und Gegenstände. Sparpotenzial (05.3522) und die Mo. Humbel. Wettbewerb bei den Produkten der Mittel- und Gegenständeliste (05.3523) abzuschreiben und verweist dazu auf die laufenden Arbeiten zur pa. Iv. Humbel. Wettbewerbspreise bei Medizinalprodukten der Mittel- und Gegenständeliste (16.419).
Die Kommission wurde zu den Ausführungsbestimmungen zur Umsetzung der ersten Etappe der Pflegeinitiative konsultiert. Sie befürwortet die Änderungen, welche die Verwaltung aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse an den Verordnungsentwürfen vorgenommen hat, und begrüsst die Absicht des Bundesrates, die Verordnungen demnächst in Kraft zu setzen. Die Ausbildungsoffensive kann somit ab Sommer 2024 starten.
Die Kommission hat sich über die neuen Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern zur Anpassung der Tarifstruktur für ambulante Physiotherapieleistungen informieren lassen. Sie wird sich im Herbst erneut mit dem Stand der Arbeiten befassen.
Die Kommission tagte am 18. und 19. März 2024 in Bern unter der Leitung von Ständerat Damian Müller (FDP, LU) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.