Nachdem die Kommission an ihrer letzten Sitzung verschiedene Expertinnen und Experten zu Fragen des Wahlrechts angehört hat, hat sie nun im Rahmen der Behandlung verschiedener parlamentarischer Initiativen den Handlungsbedarf abgeklärt. Mit 16 zu 9 Stimmen hat sie schliesslich eine Kommissionsinitiative (24.422) beschlossen. Danach soll zum einen für die Zuteilung der Sitze die Methode nach Sainte-Laguë eingeführt werden, welche die Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen erhöhen und Listenverbindungen allenfalls überflüssig machen würde. Zum anderen sollen Unterlistenverbindungen in der Anzahl beschränkt werden. Stimmt die Schwesterkommission des Ständerates dieser Initiative zu, kann die Nationalratskommission nach Lösungen suchen und die notwendigen Änderungen des Bundesgesetzes über die politischen Rechte ausarbeiten. Die entsprechenden Änderungen sollen frühestens bei den Nationalratswahlen 2031 wirksam werden, damit sich die Parteien darauf einstellen können.
Da die Anliegen der beiden parlamentarischen Initiativen von Nationalrat Thomas Burgherr (23.481 und 23.482) mit dieser Kommissionsinitiative weitgehend aufgenommen wurden, hat dieser seine Initiativen zurückgezogen. Die parlamentarische Initiative von Nationalrat Marc Jost betreffend die Einführung des Doppelten Pukelsheim (23.452) wurde sistiert bis nach der Behandlung der Kommissionsinitiative durch die SPK des Ständerates.
Zwangsausschaffung von abgelehnten eritreischen Asylsuchenden ermöglichen
Abgelehnte eritreische Asylsuchende können derzeit nicht ausgeschafft werden, da die Behörden in Eritrea zwangsweise Rückführungen ihrer Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern kategorisch ablehnen. Diese Haltung nehmen die eritreischen Behörden seit Jahren gegenüber allen europäischen Ländern ein. Die Kommission erachtet diese Situation als inakzeptabel. Damit wird das Schweizer Asylsystem diskreditiert, da bislang keine Lösung gefunden werden konnte und sich z. B. der Abschluss einer Migrationspartnerschaft oder eines Rücknahmeabkommens mit Eritrea bis dato als unmöglich erwiesen hat. Vor diesem Hintergrund ist die Kommission der Ansicht, dass alles dafür getan werden muss, um wenigstens einen Schritt in die richtige Richtung zu machen, wenn eine endgültige Lösung des Problems derzeit nicht möglich ist. In diesem Sinne beantragt sie ihrem Rat die Annahme von vier Motionen.
Erstens beantragt die SPK-N einstimmig die Motion Friedli Esther (Minder) 23.4038 («Migrationsabkommen mit Eritrea anstreben») anzunehmen; wobei sie mit 17 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung eine Ergänzung des Motionstexts beantragt, wonach das Staatssekretariat für Migration (SEM) eine Vertretung für Migrationsfragen in diese Region entsenden soll. Zweitens beantragt sie mit 14 zu 11 Stimmen die Annahme der Motion Gössi 23.4440 («Rückführung von Eritreern, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Abschluss eines Transitabkommens mit einem Drittstaat»). Eine Minderheit beantragt, die Motion abzulehnen, da sie den darin enthaltenen Vorschlag als ineffizient und äusserst kostspielig erachtet. Drittens beantragt die Kommission mit 12 zu 10 Stimmen, die Motion Caroni 23.4447 («Massnahmen gegen Ausländer, die gewaltsam dasjenige Regime unterstützen, vor dem sie angeblich geflohen sind») anzunehmen, die indirekt ebenfalls auf die eritreische Diaspora abzielt, da einige von deren Mitgliedern in den vergangenen Jahren durch öffentliche und gewalttätige Unterstützungsbekundungen für das aktuelle eritreische Regime für Aufsehen gesorgt haben. Die Minderheit ist der Auffassung, dass bereits rechtliche Möglichkeiten für den Umgang mit solchen Situationen bestehen und es deshalb eher darum gehen muss, diese zu nutzen, anstatt neues Recht zu setzen. Viertens beantragt die SPK-N mit 15 zu 8 Stimmen die Annahme der allgemeiner gehaltenen Motion 23.3838, womit sie die Praxis des Bundesrates unterstützt, dort, wo strategische Notwendigkeit besteht, neue Migrationspartnerschaften abzuschliessen. Eine Minderheit beantragt die Ablehnung der Motion, da sie offene Türe einrenne.
Abstimmungstermine: Vorgaben für den Bundesrat für die Zuteilung der Vorlagen
Der Bundesrat soll sich bei der Festlegung, an welchem Abstimmungstag über welche Vorlagen abgestimmt werden soll, an engere Vorgaben halten. Gemäss einer von der Kommission mit 13 zu 12 Stimmen beschlossenen Kommissionsinitiative (24.423) sollen das Datum der Einreichung von Volksinitiativen und Referenden und das Datum der Schlussabstimmung in den Eidgenössischen Räten bestimmend sein für die Zuteilung einer Vorlage auf einen bestimmten Abstimmungstermin. Es geht nicht an, dass der Bundesrat Vorlagen gemäss taktischen Überlegungen oder auf Druck von Interessenverbänden früher oder später zur Abstimmung bringt.
Keine Offenlegungspflichten bei Unterschriftensammlungen
Seit 2022 gelten Offenlegungspflichten bei der Finanzierung von Abstimmungs- und Wahlkampagnen. Die Kontrolle dieser Offenlegungspflichten hat sich als recht kompliziert erwiesen. Es sollen deshalb nicht noch weitere Bestimmungen betreffend die Finanzierung von Unterschriftensammlungen für Referenden und Volksinitiativen hinzukommen, deren Umsetzung noch mehr administrativen Aufwand bringen würde. Die Kommission spricht sich deshalb mit 14 zu 10 Stimmen gegen eine entsprechende parlamentarische Initiative von Nationalrätin Nadine Masshardt aus (23.422). Die Minderheit weist darauf hin, dass bisweilen bereits bei Unterschriftensammlungen beträchtliche Spenden fliessen können.
Kein Gremium zur Prüfung der Lauterkeit von Aussagen bei Abstimmungskampagnen
Nach Ansicht der Kommission würde ein Gremium, das die Lauterkeit von Argumenten in Abstimmungskampagnen überprüfen müsste, vor eine kaum lösbare Aufgabe gestellt. In der Politik geht es häufig um Aussagen zu erwarteten Auswirkungen einer bestimmten Vorlage. Deren Richtigkeit lässt sich jedoch nicht zum vornherein überprüfen. Die Kommission spricht sich deshalb mit 16 zu 8 Stimmen gegen eine parlamentarische Initiative von Nationalrat Balthasar Glättli aus (23.444). Die Minderheit weist darauf hin, dass es um offensichtliche Falschaussaugen geht, deren Klarstellung in einem demokratischen Prozess wichtig sei.
Einreichung von Vorstössen: Kein Kontingent, aber keine Einreichung während Sondersessionen mehr
Einmal mehr hatte die Kommission über einen Vorschlag zu befinden, wonach ein Ratsmitglied nur noch eine bestimmte Anzahl Vorstösse pro Legislaturperiode einreichen können soll. Die Kommission sprach sich mit 22 zu 3 Stimmen gegen die von Nationalrat Marcel Dobler eingereichte parlamentarische Initiative aus (23.445). Sie sieht in der Kontingentierung der Einreichung von Vorstössen eine Einschränkung der Rechte der Ratsmitglieder. Auch erachtet es die Kommission nicht als Aufgabe der Parlamentsdienste, Ranglisten zu den von den Ratsmitgliedern eingereichten Vorstösse und deren Erfolg zu publizieren. Solche Rankings können von den Medien aufgrund der öffentlich zugänglichen Daten erstellt werden.
Hingegen erachtet es die Kommission als nicht sinnvoll, dass während Sondersessionen Vorstösse eingereicht werden. Sondersessionen dienen zum Abbau der Geschäftslast und sollten nicht dazu genutzt werden, diese zu vergrössern. Die Kommission stimmte einem entsprechenden Antrag mit 14 zu 10 Stimmen zu und wird in der nächsten anstehenden Revision des Reglements des Nationalrates diese Änderung integrieren.
Informationen zur aktuellen asylpolitischen Situation sowie Konsultation zu einem Rahmenabkommen mit Italien
Im Weiteren hat sich die Kommission von Bundesrat Beat Jans zur aktuellen asylpolitischen Situation informieren lassen. Schliesslich liess sie sich zu einem Rahmenabkommen mit Italien konsultieren, mit welchem Gelder aufgrund des von der Bundesversammlung bereits bewilligten Rahmenkredites Migration gesprochen werden.
Die Kommission tagte am 25./26. April 2024 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Greta Gysin (G, TI) in Bern.