Infolge mehrerer Fälle von Gewaltanwendung in Bundesasylzentren, über die 2021 auch die Medien berichtet hatten, wurde alt-Bundesrichter Niklaus Oberholzer beauftragt, die Situation zu untersuchen und darüber Bericht zu erstatten. Gestützt auf die in diesem Bericht formulierten Empfehlungen hat der Bundesrat eine Botschaft zur Änderung des Asylgesetzes verabschiedet mit dem Ziel, die Sicherheit von Mitarbeitenden und Asylsuchenden zu verbessern (24.038). Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates ist auf die Vorlage eingetreten und hat den Entwurf in der Gesamtabstimmung nach einer lebhaften Diskussion über verschiedene Änderungsanträge mit 14 zu 10 Stimmen angenommen.

Um klare Grundlagen für den Betrieb der Bundesasylzentren zu schaffen, sollen im Asylgesetz die wichtigsten Aufgaben des Staatssekretariats für Migration (SEM) in diesen Zentren und an den Flughäfen geregelt werden. Im Gesetz sollen jene Bereiche ausdrücklich genannt werden, in denen das SEM polizeilichen Zwang oder polizeiliche Massnahmen anwenden darf, um die Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten.

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) ist ohne Gegenstimme auf den Entwurf eingetreten. Die Kommissionsmitglieder sehen in diesem Bereich allgemeinen Handlungsbedarf. Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Fraktionen reichten jedoch Änderungsanträge ein, da ihnen der Entwurf unausgeglichen schien – für die einen zu sehr zugunsten der Asylsuchenden, für die anderen zu sehr zu deren Ungunsten. So wurde beispielsweise die Frage, ob minderjährige Asylsuchende speziell behandelt oder sogar von bestimmten Massnahmen wie der Durchsuchung, den Disziplinarmassnahmen oder der vorübergehenden Festhaltung ausgenommen werden sollen, lebhaft diskutiert. Die Kommissionsmehrheit hat sich schliesslich für die Fassung des Bundesrates ausgesprochen, die vorsieht, dass den Interessen von minderjährigen Asylsuchenden angemessen Rechnung zu tragen ist. Auch der Einsatz von Waffen oder Hilfsmitteln durch das Sicherheitspersonal der Zentren wurde eingehend diskutiert, wobei sich die Mehrheit auch hier für die Fassung des Bundesrates ausgesprochen hat, welche den Einsatz von Waffen untersagt. Hingegen wurde ein Antrag, wonach der Bereich um die Bundesasylzentren erweitert werden soll, in dem gegen Asylsuchende Disziplinarmassnahmen ergriffen werden können, wenn ihr Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, mit 13 zu 12 Stimmen angenommen.

Die Kommission hat am Entwurf des Bundesrates letztlich nur wenig geändert und diesen in der Gesamtabstimmung mit 14 zu 10 Stimmen angenommen. Es wurden allerdings zahlreiche Minderheitsanträge zu Durchsuchung, Disziplinarmassnahmen, vorübergehender Festhaltung, Übertragung von Aufgaben an Dritte und Beschwerderecht eingereicht, wobei nach gewissen Anträgen die Bestimmungen verschärft, nach anderen dagegen gelockert werden sollten.

Die Beratung im Nationalrat findet voraussichtlich in der Herbstsession statt.

Mehrsprachigkeit in der Verwaltung: Kommissionspostulat

Die Kommission hat mit 22 zu 2 Stimmen das Postulat 24.3812 verabschiedet, mit dem sie den Bundesrat beauftragt, das Verhältnis zwischen Bewerbungen und Rekrutierungen in der Bundesverwaltung in Abhängigkeit von Sprachgemeinschaft und Herkunftskanton eingehend zu analysieren. Die Kommission stützt sich auf den Evaluationsbericht 2019–2023 über die Mehrsprachigkeitspolitik des Bundes und hält fest, dass die Vertretung der sprachlichen Minderheiten in der Verwaltung und insbesondere im höheren Kader noch immer nicht zufriedenstellend ist. Sie möchte deshalb, dass der Bundesrat das Monitoring der Bewerbungen und Rekrutierungen nach Sprachgemeinschaft fortführt. Dabei soll er insbesondere feststellen, ob und wenn ja, inwieweit, die Rekrutierungsquote im Verhältnis zu den Bewerbungen bei den sprachlichen Minderheiten niedriger ist als bei den Deutschsprachigen

Simultanübersetzung der Kommissionssitzungen mithilfe von künstlicher Intelligenz

Die Kommission hat mit 21 zu 1 Stimmen bei 3 Enthaltungen das Postulat 24.3813 verabschiedet, wonach das Büro des Nationalrates prüfen soll, ob die Durchführung eines Pilotprojekts möglich sei, in dessen Rahmen die Kommissionssitzungen mithilfe von durch künstliche Intelligenz (KI) unterstützten Programmen simultan in die Amtssprachen übersetzt werden. Die nicht öffentlichen Kommissionssitzungen sind für die parlamentarische Arbeit von wesentlicher Bedeutung – hier werden Meinungen gebildet, Bündnisse geschlossen und Kompromisse ausgehandelt. Die Kommissionsmehrheit verweist darauf, dass die Nationalratsdebatten simultan übersetzt werden, und ist der Ansicht, dass dieses Angebot auch auf Kommissionsebene sinnvoll wäre, wo die Behandlung der Geschäfte üblicherweise ein ausserordentlich technisches Vokabular erfordert. Die Kommission ist auch der Ansicht, dass die Einführung eines solchen Tools niemals das Erlernen der anderen Landessprachen überflüssig machen wird, sondern vor allem eine Unterstützung bei der parlamentarischen Arbeit – insbesondere für Neugewählte – darstellt. Aus diesen Gründen sei der Nutzen, den die neuen KI-basierten Technologien bereithalten, zu prüfen. Dabei sei aber die Vertraulichkeit der Kommissionssitzungen als Voraussetzung für die Ausarbeitung von mehrheitsfähigen Kompromissen zwingend sicherzustellen.

Vertreterinnen und Vertreter von Kantonen im Parlamentsgebäude

Im Januar 2024 gab die Kommission der von Nationalrätin Nadine Masshardt eingereichten parlamentarischen Initiative 23.425 knapp Folge, die verlangt, dass ein öffentliches Register der Vertreterinnen und Vertreter von Kantonen mit Zugangsberechtigung zum Parlamentsgebäude geführt wird. Nachdem ihre ständerätliche Schwesterkommission der Initiative nicht zustimmte, beantragt die SPK-N ihrem Rat mit 15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung, der Initiative keine Folge zu geben, da sie deren Erfolgschancen als gering einschätzt. Die Kommissionsminderheit hingegen erachtet das Anliegen als gerechtfertigt und hält am Folgegeben fest.

Flugpassagierdatengesetz: Mitbericht an die SiK-N

Der Entwurf des Bundesrates vom 15. Mai 2024 zum Flugpassagierdatengesetz (FPG, 23.079) wirft nach Ansicht der Kommission einige datenschutzrechtliche Fragen auf. Sie hat deshalb einen Mitbericht an die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates (SiK-N) verabschiedet, die bei der Beratung dieses Entwurfs federführend ist, und fordert sie dazu auf, die Vorratsdatenhaltung in Fällen, in denen kein Hinweis auf Terrorismus oder Schwerstkriminalität vorliegt, ersatzlos zu streichen.

Die Kommission tagte am 27./28. Juni 2024 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Greta Gysin (G, TI) in Bern.