Die Energiekommission des Nationalrates hat die Rahmenbedingungen für Wasserkraft-, Windenergie- und Solarenergie-Anlagen von nationaler Bedeutung definiert und dabei einen Kompromiss zwischen Schutz- und Nutzungsinteressen erarbeitet. Zudem fordert sie eine Solarpflicht für alle Neubauten sowie – mit Einschränkungen – für bestehende Gebäude.

Die Kommission für Umwelt, Energie und Raumplanung des Nationalrates hat ihre Beratung des Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (21.047) fortgesetzt. Ein zentrales Thema der Beratungen war das nationale Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien. Der Kommission zufolge sollen auch Photovoltaikanlagen, Windkraftwerke und Laufwasserkraftwerke ab einer bestimmten Grösse von nationalem Interesse sein, insbesondere im Sinne des Natur- und Heimatschutzgesetzes. Die Kantone erhalten den Auftrag, neu nicht nur für Wasser- und Windkraft, sondern auch für Solaranlagen im nationalen Interesse geeignete Gebiete in ihrem Richtplan festzulegen (16 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung). Auch die Stromproduktion im Winter soll ein Kriterium für die Zuerkennung eines nationalen Interesses sein. Die Kommission folgte dem Ständerat mit 12 zu 11 Stimmen darin, dass der Bundesrat auch kleiner und weniger bedeutenden Anlagen ein nationales Interesse zuerkennen soll, wenn die Ausbauziele für die erneuerbaren Energien nicht erreicht sind.

Kompromiss zwischen Nutzungs- und Schutzinteressen

Im Gegensatz zum Beschluss des Erstrates sollen Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien in Biotopen von nationaler Bedeutung sowie in Wasser- und Zugvogelreservaten weiterhin ausgeschlossen bleiben (17 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung). Mit 18 zu 6 Stimmen hat die Kommission entschieden, dass neu entstehende Gletschervorfelder und alpine Schwemmebenen hier eine Ausnahme sein sollen, und somit grundsätzlich für eine Nutzung infrage kämen. Dies soll auch für Werke im Zusammenhang mit der ökologischen Gewässersanierung gelten, wenn damit ein ökologischer Mehrwert geschaffen wird. Eine Minderheit betont den ökologischen Wert dieser Flächen und lehnt diese Ausnahmebestimmung ab. Im Übrigen hat sich die Kommission mit 12 zu 8 Stimmen dafür ausgesprochen, dass angemessene Schutz-, Ersatz- und Wiederherstellungsmassnahmen verlangt werden können, wenn ein Inventarobjekt gemäss Natur- und Heimatschutzgesetz betroffen ist.

Solarenergie im Gebäudebereich

Die Kommission befürwortet mit 13 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung für eine Solarpflicht im Gebäudebereich. Diese soll für Neubauten und erhebliche Um- und Erneuerungsbauten gelten. Bis 2032 sind auch bestehende Bauten, ausgenommen Wohngebäude, ab einer Gebäudefläche von 300 m2 mit einer Solaranlage auszustatten. Eine Minderheit lehnt diese Massnahme ab. Auch Parkplätze mit einer Fläche von über 250 m2 müssen bis 2035 mit solaraktiven Überdachungen ausgestattet werden, entschied die Kommission mit 12 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung. Eine Minderheit beantragt, diese Bestimmung abzulehnen. Als Beitrag zur Energieeffizienz sollen Ferienwohnungen bis 2035 verpflichtend mit intelligenten Heizungssteuerungen ausgestattet werden müssen. Verschiedene Minderheiten fordern weitere Massnahmen zur Energieeffizienz im Gebäudebereich, wie etwa eine Ersatzpflicht für elektrische Widerstandsheizungen oder Verpflichtungen zum energieeffizienten Betrieb von grossen Gebäuden.

Versorgungssicherheit im Winter

Wie schon der Ständerat sprach sich auch die Kommission dafür aus, bis 2040 einen Produktionszubau von 6 TWh erneuerbaren Energien zur Stärkung der Versorgungssicherheit im Winter zu realisieren. Sie entschied mit 23 Stimmen ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung, dass dieser Zubau in erster Linie mit den 15 vom «runden Tisch» zur Wasserkraft priorisierten Projekten sowie mit Solar- und Windenergieanlagen von nationaler Bedeutung erreicht werden soll. Welche weiteren planungs- und umweltrechtlichen Rahmenbedingungen für diese Anlagen konkret gelten sollen, wird die Kommission an ihrer nächsten Sitzung entscheiden.

Unterstützung für erneuerbare Energien

Die Kommission spricht sich für die Einführung einer gleitenden Marktprämie aus. Dieses Instrument wurde vom Ständerat in die Vorlage aufgenommen, um Anlagen zur Erzeugung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien zu fördern. Die Kommission hat der Liste von Anlagen, die von dieser Prämie profitieren können, bestehende Biomasseanlagen hinzugefügt. Ausserdem will die Kommission nicht, dass dem Netzzuschlagsfonds weniger Mittel zur Verfügung stehen, weshalb sie ohne Gegenstimme beschlossen hat, die Bestimmung zu streichen, wonach die Anlagebetreiber, die von der gleitenden Marktprämie profitieren, im Winterquartal (Dezember bis März) 20 bis 40 Prozent des übersteigenden Teils zwischen Referenzmarktpreis und Vergütungssatz einbehalten dürfen.

Zwei Postulate zum Thema Wasserkraft

Die Kommission hat ohne Gegenstimme ein Postulat zur Anpassung der Restwasserbestimmungen für Wasserkraftwerke beschlossen (23.3007). Sobald ein bestehendes Wasserkraftwerk seine Konzession erneuern muss, kommen strengere Restwasserbestimmungen zur Anwendung als diejenigen, die bei dessen Bau galten. Da bis 2050 zahlreiche Konzessionen auslaufen, geht das BFE davon aus, dass die Anwendung der strengeren Restwasserbestimmungen mittelfristig zu Produktionseinbussen von rund 1,9 TWh pro Jahr führen könnte. Aus diesem Grund wird der Bundesrat mit dem Kommissionspostulat aufgefordert, zu prüfen, ob die Restwasserbestimmungen differenziert, d. h. je nach ökologischem Wert des Gewässerabschnitts, in dem sich die Wasserkraftanlage befindet, angewendet werden können.

Die Kommission hat zudem einstimmig ein zweites Postulat beschlossen (23.3006). Dieses betrifft die Erhöhung der Stromproduktion dank der Erneuerung und Erweiterung der Grosswasserkraftwerke. Die Kommission fordert einen Bericht, in welchem schweizweit die Potenziale für den Ausrüstungsersatz, den Höherstau und Flussaustiefungen, Stollenaufweitungen bzw. Parallelstollen, Staumauererhöhungen sowie die Fassung neuer Zuflüsse analysiert werden.

Raumplanungsrechtliche Rahmenbedingungen

Zudem beantragt die Kommission, im Raumplanungsgesetz die Voraussetzungen für den Bau von Solaranlagen auf freien Flächen ausserhalb der Bauzone zu regeln. Ausserhalb der Landwirtschaftszone sollen solche Anlagen in vorbelasteten oder wenig empfindlichen Gebieten als standortgebunden gelten, wenn sie mit verhältnismässigem Aufwand ans Stromnetz angeschlossen werden können. Innerhalb der Landwirtschaftszone dürfen sie zudem die landwirtschaftlichen Interessen nicht oder nur geringfügig beeinträchtigen, oder müssen landwirtschaftlichen Versuchs- und Forschungszwecken dienen. Windenergieanlagen von nationalem Interesse im Wald sollen als standortgebunden gelten, wenn bereits eine strassenmässige Groberschliessung besteht. Zudem soll es ermöglicht werden, grössere Parkplätzen (über 15 Plätze) in Bauzonen mit Solaranlagen zu überdachen.

Bei der Abnahme- und Vergütungspflicht von Elektrizität und erneuerbaren Gasen für Netzbetreiber beantragt die Kommission im Vergleich zur Version des Ständerates verschiedene Änderungen. Mit 20 Stimmen ohne Gegenstimme bei 1 Enthaltung hat sie entschieden, dass Netzbetreiber und Anlagenbetreiber weiterhin die Möglichkeit haben sollen, sich vertraglich über die Abnahme zu einigen. Zudem soll die Minimalvergütung einheitlich sein und sich an den günstigsten Anlagen orientieren. Auf die Festlegung einer Maximalvergütung soll verzichtet werden, da sie wirkungslos wäre, weil die Anlagenbetreiber ihre Produktion jederzeit auch auf dem freien Markt absetzen können. Bei erneuerbarem Gas soll sich die Vergütung am vierteljährlich gemittelten Marktpreis zum Zeitpunkt der Lieferung orientieren, wie schon bei der Elektrizität. Für die Anlagen, die schon vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung in Betrieb waren, soll mit einer Übergangsbestimmung eine Vergütung von 9 Rp./kWh für 15 Betriebsjahre garantiert werden.

Die Kommission wird ihre Arbeit am Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien an einer nächsten Sitzung fortsetzen, mit dem Ziel, die Vorlage rechtzeitig für die Frühjahrssession 2023 zuhanden des Nationalrates zu verabschieden.

Schweizer Beteiligung an internationalen Umweltfonds

Mit 16 zu 9 Stimmen unterstützt die Kommission den vom Bundesrat vorgeschlagenen Rahmenkredit «Globale Umwelt» (22.060). Sie beantragt, einen Verpflichtungskredit von 197,75 Millionen Franken über vier Jahre (2023-2026) zu genehmigen. Der grösste Teil dieser Gelder ist für den Globalen Umweltfonds (GEF) bestimmt, mit dem Umweltschutzprojekte in Entwicklungsländern finanziert werden. Die Kommission erachtet es als sinnvoll, dass die Schweiz ihren Beitrag proportional mit den anderen Geberstaaten erhöht – um rund 50 Millionen Franken gegenüber der Vorperiode. Eine Minderheit der Kommission beantragt angesichts der angespannten finanziellen Lage des Bundes, auf die vorgesehene Aufstockung der Mittel zu verzichten und den Verpflichtungskredit auf die Gesamthöhe der Vorperiode (2019-2022) zu beschränken, also auf 147,83 Millionen Franken. Eine weitere Minderheit möchte den Beitrag der Schweiz an den GEF gegenüber der Vorperiode (2019-2022) verdoppeln, wodurch sich der Verpflichtungskredit auf 279,03 Millionen Franken erhöhen würde. Ihres Erachtens braucht es dieses stärkere Engagement, um globale Umweltprobleme wirkungsvoll bekämpfen zu können.

Indirekter Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative bekräftigt

Die Kommission beantragt einstimmig, den vom Bundesrat vorgelegten direkten Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative abzulehnen (21.055). Sie ist überzeugt, dass der von ihr ausgearbeitete indirekte Gegenentwurf der bessere Weg ist, um den Übergang zu Netto-Null-Treibhausgasemissionen voranzubringen. Das entsprechende Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (21.501 Entwurf 1) ist in der Herbstsession 2022 vom Parlament verabschiedet worden und wird in einer Referendumsabstimmung vors Volk kommen.

Zusätzlich zur Ablehnung des direkten Gegenentwurfs beantragt die Kommission ihrem Rat mit 12 zu 9 Stimmen bei 4 Enthaltungen, die bedingt zurückgezogene Gletscher-Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. Diese Empfehlung ist nur nötig für den Fall, dass die Initiative nach einem Volks-Nein zum indirekten Gegenentwurf zur Abstimmung unterbreitet würde. Eine Minderheit beantragt, die Gletscher-Initiative zur Annahme zu empfehlen.

Die Kommission hat vom 23.-25. Januar 2023 unter dem Vorsitz von Nationalrat Jacques Bourgeois (FDP/FR) und teils in Anwesenheit von Bundesrat Albert Rösti in Bern getagt.