Die Kommission hat die Detailberatung zur AP 22+ (20.022) fortgesetzt und folgt mit ihren Beschlüssen weiterhin der vom Ständerat vorgezeichneten Linie. Sie will den Fokus der aktuellen Reform schwergewichtig auf Massnahmen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich legen. Damit soll eine gute Basis für die Diskussion zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik geschaffen werden, die von der Landwirtschaft mitgetragen werden kann.

Der Kommission lagen noch rund fünfzehn Anträge vor, die Beschlüsse des Ständerats anzupassen oder zu ergänzen. Sie fanden nicht zuletzt vor dem Hintergrund des von der Kommission angestrebten etappenweisen Vorgehens für die Weiterentwicklung der Agrarpolitik keine Mehrheit. Die WAK-N sprach sich daher mit klarem Mehr dagegen aus, die Ausrichtung der Verkäsungszulage (Art. 38) oder von Versorgungssicherheitsbeiträgen (Art. 72) an strengere Bedingungen zu knüpfen oder Marktentlastungsmassnahmen für Fleisch (Art. 50) oder Eier (Art. 52) ganz aufzuheben. Aus Sicht einer Minderheit verzerren diese Instrumente den Wettbewerb und sind biodiversitätsschädigend. Die Mehrheit will weitere Ökologisierungsmassnahmen jedoch nicht im Rahmen der aktuellen Reform diskutieren. Zuerst soll die Wirkung der sich in Umsetzung befindlichen parlamentarischen Initiative 19.475 überprüft werden. In diesem Sinn lehnt es die Kommission mit 15 zu 10 Stimmen ebenfalls ab, über die Beschlüsse des Ständerats hinausgehende Anpassungen am System der Direktzahlungen vorzusehen und z.B. den ökologischen Leistungsnachweis (Art. 70a Abs. 2) oder die Versorgungssicherheitsbeiträge (Art. 72) anzupassen.

Nachdem der Nationalrat in der Herbstsession 2022 eine «Hornkuhmotion» des Ständerats (21.3197) abgelehnt hatte, fand ein Antrag, bei den Produktionssystembeiträgen die höheren Kosten für die Haltung behornter Tiere zu berücksichtigen (Art. 75), mit 14 zu 9 Stimmen (2 Enthaltungen) keine Mehrheit. Auch soll es weder einen neuen Beitrag für besonders klimafreundliche Betriebe noch einen neuen, nach Tierkategorien abgestuften Beitrag zur Förderung der Tiergesundheit geben. Beide Anliegen wurden mit 15 zu 10 Stimmen abgelehnt.

Der vom Ständerat gutgeheissene Beitrag des Bundes zur Verbilligung der Prämien von privatwirtschaftlichen Ernteversicherungen (Art. 86b) fand hingegen mit 15 zu 10 Stimmen die Unterstützung der Kommission. Ebenso unterstützt sie die Regelung der Verbandsbeschwerde bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in einem neuen Artikel 160b grundsätzlich, spricht sich aber in Abweichung vom Ständerat mit 14 zu 10 Stimmen für eine Einschränkung der Parteistellung von Umweltschutzorganisationen auf zwei Verfahrenssituationen aus, nämlich die erstmalige Bewilligung eines Pflanzenschutzmittels (PSM) mit einem neuen Wirkstoff und die gezielte Überprüfung von bereits bewilligten PSM. Die Kommission verspricht sich dadurch kürzere Verfahrensdauern und schnellere Lösungen zum Schutz der Kulturen.

Einstimmig und in Ergänzung zum Ständerat möchte die Kommission eine neue Bestimmung in Artikel 153a aufnehmen, die der Unterstützung von Nützlingen wie z.B. Schlupfwespen zur Schädlingsbekämpfung und somit der Reduktion von PSM dient.

In der Gesamtabstimmung stimmte die Kommission dem Entwurf zur Anpassung des Landwirtschaftsgesetzes mit 14 zu 0 Stimmen bei 10 Enthaltungen zu. Unbestritten bleiben die Anpassungen im Tierschutzgesetz (Entwurf 3) und der vorläufige Verzicht auf die Reform des bäuerlichen Bodenrechts (Entwurf 2). In Übereinstimmung mit dem Ständerat beantragt die WAK-N einstimmig, darauf nicht einzutreten und die Reform im Rahmen einer separaten Vorlage wiederaufzunehmen. Sie unterstützt in diesem Sinn die Motion 22.4253 genauso wie die Motion 22.4251, mit der der Bundesrat beauftragt wird, seinen im Juni 2022 präsentierten Konzeptvorschlag zur Zukunft der Agrarpolitik weiter zu konkretisieren und bis Ende 2027 eine neue Botschaft für die nächste Etappe der Agrarpolitik vorzulegen.

Schliesslich befasste sich die Kommission mit einer vom Ständerat angenommenen Motion, die auf eine Stärkung des Grenzschutzes für Gemüse durch eine Anpassung der inländischen Produktionsperioden abzielt (Mo. 22.3928). Seit Jahren besteht diesbezüglich Uneinigkeit in der betroffenen Branche. Die Motion wollte den Bundesrat beauftragen, die Produktionsperioden in Zusammenarbeit mit den Gemüsegärtnerinnen und Gemüsegärtnern anzupassen. Die WAK-N möchte im Interesse einer tragfähigen Lösung auch den Handel in die Diskussion einbeziehen und stimmt deshalb einer entsprechenden Ergänzung der Motion mit 15 zu 0 Stimmen bei 8 Enthaltungen zu.

Einhellige Unterstützung für Regelung zum Schutz des Schweizer Börsenplatzes

Mit der Vorlage 22.050 (Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG). Änderung (Anerkennung ausländischer Handelsplätze für den Handel mit Beteiligungspapieren von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz)) will der Bundesrat die bisher auf Verordnungsstufe geregelte Massnahme zum Schutz des Schweizer Börsenplatzes auf Gesetzesstufe heben. Die Massnahme wurde notwendig, nachdem die EU der Schweiz 2018 die Anerkennung der Börsenäquivalenz verweigert hatte, um so die Unterzeichnung des Rahmenvertrags zu erwirken. Wie zuvor schon der Ständerat begrüsst auch die nationalrätliche Kommission den Entwurf vorbehaltlos und beantragt ihrem Rat die Zustimmung.

Vollzugshilfen im Bauwesen vereinheitlichen

Im Anschluss an eine intensive Diskussion zum Bericht des Bundesrates in Antwort auf das Postulat 19.3894 «Den Wildwuchs und den Wirrwarr bei den Regeln der Baukunde beenden» hat die WAK-N mit 16 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung beschlossen, eine Kommissionsmotion (23.3008) einzureichen. Die Motion beauftragt den Bundesrat, dem Parlament eine neue Rechtsgrundlage vorzulegen, die Standards zur Erarbeitung von Vollzugshilfen im Bauwesen festlegen soll. Die Kommission ist der Meinung, die Situation bei den Vollzugshilfen im Bauwesen sei zunehmend komplex und unübersichtlich und führe zu hohen Kosten. Mit der Motion soll dem entgegengewirkt werden, ohne dabei die Flexibilität der Bauwirtschaft unverhältnismässig einzuschränken.

Kein Steueraufschub bei der Schenkung von Grundstücken

Die Kommission hat eine von Nationalrat Raphaël Mahaim eingereichte parlamentarische Initiative (22.437) behandelt, die fordert, dass ein Steueraufschub gewährt wird, wenn ein Grundstück im Geschäftsvermögen im Rahmen einer Schenkung ins Privatvermögen überführt wird. Nach eingehender Diskussion hat die Kommission der Initiative mit 17 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen keine Folge gegeben. Sie bedauert zwar, dass es namentlich bei Grundstücksschenkungen zu Härtefällen kommen kann, ist jedoch mehrheitlich der Meinung, die Initiative sei zu wenig gezielt formuliert. Sie habe bürokratischen Mehraufwand zu Folge und es fehlten auch Angaben zu den mutmasslichen finanziellen Folgen. Ausserdem schaffe sie neue Ungleichbehandlungen. Die Minderheit plädiert für einen Steueraufschub, weil bei Schenkungen kein Geld fliesse, mit dem die Steuerschuld beglichen werden könnte.

Beschleunigung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln

Die Kommission beantragt mit 15 zu 10 Stimmen, einer parlamentarischen Initiative von Nationalrat Philipp Bregy (22.441) Folge zu geben, die den Zulassungsprozess von Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz beschleunigen und vereinfachen will. Die Harmonisierung mit dem Zulassungsverfahren der EU soll Doppelspurigkeiten vermeiden und Kosten einsparen. Die Kommission anerkennt zwar, dass der Bundesrat das Verfahren mit einer geplanten Verordnungsanpassung effizienter zu gestalten gedenkt, will aber eine gesetzliche Grundlage für ein schlankes System schaffen und so die Anpassung vorantreiben.

Nutzung von ausländischen Privatfahrzeugen zu Arbeitszwecken in der Schweiz

Die Kommission beantragt mit 17 zu 6 Stimmen, eine Motion von Ständerat Martin Schmid (22.4122) anzunehmen, die es Grenzgängerinnen und Grenzgängern sowie Wochenaufenthalterinnen und Wochenaufenthalter ermöglichen würde, ihre ausländischen Privatfahrzeuge zu geschäftlichen Zwecken in der Schweiz zu nutzen. Die Kommissionsmehrheit argumentiert, mit der Umsetzung der Motion werde eine bereits gelebte Praxis ins geltende Recht aufgenommen und würden somit klare Bedingungen geschaffen. Eine Minderheit lehnt die Motion ab.

Einführung von Nacht- und Sonntagsarbeit soll bei Energiemangellage vereinfacht werden

Mit 14 zu 10 Stimmen beantragt die WAK-N die Annahme der Motion von Ständerätin Gmür-Schönenberger (22.3921), die eine temporäre Flexibilisierung des Arbeitsgesetzes im Fall einer Energiemangellage verlangt. Die Kommissionsmehrheit argumentiert, dass eine vorausschauende Vorbereitung der gesetzlichen Grundlagen nötig sei, damit der Bundesrat in einer Krisensituation nicht auf seine notrechtlichen Kompetenzen zurückgreifen müsse. Eine Minderheit will keine Aufweichung des Arbeitsgesetzes und befindet die jetzigen Möglichkeiten für Nacht- und Sonntagsarbeit für ausreichend.

Die Kommission hat am 30./31. Januar 2023 unter dem Vorsitz von Nationalrat Leo Müller (M-E/LU) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Guy Parmelin in Bern getagt.