Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) unterstützt die etappierte Ausstiegsstrategie des Bundesrates, zeigt sich aber besorgt über die immer schwerwiegenderen wirtschaftlichen Folgen der Krise und möchte ein Signal an die Wirtschaftsakteure und die Bevölkerung senden. Sie hat deshalb zwei Motionen mit gleichem Wortlaut wie die Motionen ihrer Schwesterkommission eingereicht.

Die Kommission hat entsprechend ihrem Beschluss vom 20 April 2020 (siehe Medienmitteilung vom 21. April 2020) eingehend mit den Bundesräten Berset und Parmelin über die bundesrätliche Strategie zur Wiederaufnahme der Wirtschaftstätigkeit und des sozialen Lebens diskutiert. Der Bundesrat möchte die Wirtschaftstätigkeit so schnell wie möglich wiederaufnehmen, ohne dabei jedoch eine zweite Welle zu riskieren, die zu einem erneuten Lockdown der Wirtschaft führen würde und noch verheerendere Folgen für die Schweiz hätte. Die Strategie des Bundesrates beruht in erster Linie auf Massnahmen zur Eindämmung der Epidemie, die u. a. eine systematische Zurückverfolgung der Personen, die Kontakt zu einer infizierten Person hatten, sowie deren zwingende Isolierung vorsehen. Diese Zurückverfolgung ist jedoch nur möglich, wenn sich pro Tag nicht mehr als hundert Personen neu anstecken.

Die Kommission versteht und teilt die gesundheitlichen Erwägungen des Bundesrates, zeigt sich aber über den sehr hohen wirtschaftlichen Preis besorgt, den jede weitere Woche mit Einschränkungen nach sich zieht. Sie fordert den Bundesrat daher auf, seine Kommunikation zu verbessern und seine Absichten besser zu erläutern und so der Wirtschaft und der Bevölkerung eine Perspektive zu geben.

Vor diesem Hintergrund hat die Kommission mit 11 zu 2 Stimmen eine Motion (20.3159) mit gleichem Wortlaut wie die Motion (20.3133) ihrer nationalrätlichen Schwesterkommission vom 21. April 2020 eingereicht. Diese Motion unterstützt den Plan des Bundesrates, unter Berücksichtigung der epidemiologischen Lage etappenweise zur Normalität zurückzukehren. Die Kommission fordert den Bundesrat auf, für die Branchen, die am 11. Mai 2020 nicht zurück in den normalen Betrieb können, festzulegen, welche einzelnen Tätigkeiten diese anbieten können (z. B. Fitnesstraining nach Voranmeldung). Ausserdem sollen die Schulen und die Kinderbetreuungsstätten bis spätestens 11. Mai 2020 ihren Betrieb wiederaufnehmen können. Die sanitären Vorgaben des Bundesrates und die Schutzkonzepte der Branchen sind einzuhalten.

In den Augen der Kommissionsmehrheit ist diese Motion mit der etappierten Strategie des Bundesrates, die auf den Schutzkonzepten der Branche beruht, vereinbar. Ihr Ziel ist es jedoch, für die Wirtschaft und die Bevölkerung ein Zeichen zu setzen. Die Mehrheit will den Bundesrat zudem dazu ermutigen, die Einschränkungen so schnell, wie es die gesundheitliche Lage zulässt, aufzuheben, selbst wenn einigen Branchen nur ganz bestimmte Aktivitäten gestattet werden.

Zum Thema der Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit in den Bereichen Hotellerie und Gastronomie hat die Kommission mit 7 zu 6 Stimmen die Motion 20.3160 eingereicht, welche den gleichen Wortlaut hat wie die Motion 20.3134 der WAK-N. Sie beauftragt den Bundesrat, dafür zu sorgen, dass die Betriebe in diesem Bereich ab 11. Mai in vier Etappen ihre Geschäftstätigkeit wiederaufnehmen dürfen, sofern die epidemiologische Situation dies erlaubt und die sanitären Empfehlungen des Bundes sowie die Schutzkonzepte der Branche eingehalten werden. In einem ersten Schritt sollen Restaurants und Cafés wiedereröffnen dürfen, danach Bars und Pubs, anschliessend Diskotheken und schliesslich Konzertlokale, Shisha-Lounges und Streetfoodfestivals. Die Kommissionsmehrheit möchte dem Gastronomiegewerbe, das in der aktuellen Krise schweren Schaden zu nehmen droht, Planungssicherheit verschaffen und eine Perspektive bieten. Die Motion überlässt es dem Bundesrat, über die Terminierung der Etappen zu entscheiden. Der Vorstoss steht somit im Einklang mit dem ersten Schritt, den der Bundesrat der Gastronomie für den 11. Mai in Aussicht gestellt hat. Die Kommissionsminderheit ist hingegen der Ansicht, dass diese Motion zu stark in den Zuständigkeitsbereich des Bundesrates eingreift und dessen Handlungsspielraum für den heiklen Ausstieg aus der Krise massiv begrenzt. Ausserdem sei es unmöglich, die vier Etappen wie geplant in die Praxis umzusetzen. So werde z. B. die Unterscheidung von Cafés und Restaurants grösste Schwierigkeiten bereiten.

Die Kommission hat ferner mit 9 zu 4 Stimmen einen Antrag auf eine Motion mit gleichem Wortlaut wie die Motion 20.3136 der WAK-N abgelehnt. Dieser verlangt, dass ab 11. Mai einerseits alle derzeit geschlossenen öffentlichen Einrichtungen (z. B. Restaurants, Museen, Sportzentren) wieder öffnen und andererseits kleinere Veranstaltungen wieder stattfinden dürfen, sofern die geltenden sanitären Vorgaben eingehalten werden. Die Kommissionsmehrheit sieht darin eine deutlich zu starke Lockerung der geltenden Massnahmen, die wahrscheinlich zu einer erneuten Ausbreitung der Epidemie führen würde, was ein fataler Rückschlag für die Wirtschaft wäre. Im Weiteren steht dieser Antrag in ihren Augen in keiner Weise im Einklang mit der Ausstiegsstrategie des Bundesrates, weshalb seine Annahme ein Misstrauensvotum der Legislative gegenüber der Exekutive darstellen würde, welches das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung erschüttern könnte.

Geschäftsmieten

Die Kommission hat sich ein weiteres Mal ausführlich mit der Problematik der gewerblichen Mieten befasst und mit 8 zu 2 Stimmen bei 3 Enthaltungen eine Kommissionsmotion (20.3161) eingereicht, die den Bundesrat beauftragt, eine Regelung zu finden, so dass Kleinunternehmen und Selbständigerwerbende, deren Bruttomiete den Betrag von CHF 5'000 Franken pro Monat nicht übersteigt, die Nettomiete (ohne Nebenkosten) für die Dauer von zwei Monaten gänzlich erlassen werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass der Betrieb aufgrund der bundesrätlichen Massnahmen geschlossen oder reduziert werden musste oder der Umsatz wegen der Corona-Krise, auf Jahresbasis gerechnet, im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 50 Prozent zurückgegangen ist. Für monatliche Bruttomieten von über 5'000 Franken soll ein Anreizsystem die Verständigung zwischen Vermieter und Mieter fördern: Einigen sich Vermieter und Mieter darauf, die geschuldete Miete auf einen Drittel zu reduzieren, übernimmt der Bund für die Dauer von 2 Monaten ein Drittel, höchstens aber 3'000 Franken, der Bruttomiete.

Die Kommission hat im Rahmen dieser Diskussion einen Antrag, ähnlich wie bei der Motion der WAK-N 20.3142, einen Mietzinserlass um 70 Prozent über die Dauer der behördlich angeordneten Schliessung für sämtliche betroffenen Betriebe vorsieht, mit 7 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt. Die Kommission spricht sich in Anbetracht der sehr unterschiedlichen Finanzkraft auf Seiten der Mieterschaft gegen eine solche Pauschallösung für sämtliche Mieter aus. Für die Kommissionsmehrheit steht die Unterstützung der besonders betroffenen und finanzschwachen Kleinunternehmen im Vordergrund. Dieses Anliegen sieht die Kommission in ihrer eigenen Motion denn auch zielgenauer adressiert. Ausserdem könne mit der vorgeschlagenen Lösung ein rückwirkendes Eingreifen in bestehende Vertragsverhältnisse zwischen Mieter und Vermieter zu grossen Teilen vermeiden und eine einvernehmliche Lösung zwischen den Vertragsparteien gefördert werden.

Weil das Anliegen der Motion betreffend die Bruttomieten über 5'000 Franken eine finanzielle Beteiligung des Bundes an den Mietkosten vorsieht, ist mit zusätzlichen Ausgaben zu rechnen. Eine Kosteneinschätzung durch die Verwaltung hierzu steht indes noch aus. Die Einstellung eines entsprechenden Kredits im Nachtrag I zum Budget 2020 wird die Kommission der Finanzkommission des Ständerates zur Genehmigung beantragen, sobald die erforderlichen Beträge bekannt sind. Sie behält sich vor, im Falle eines negativen Entscheids der Finanzkommission, mit diesem Anliegen mittels Einzelantrag im Rahmen der Beratung des Nachtrags I zum Budget 2020 direkt an ihren Rat zu gelangen.

Weitere 40 Millionen für den Tourismus

Nachdem die Kommission bereits eine erste finanzielle Unterstützung in Höhe von 27 Millionen Franken für die Partner von Tourismus Schweiz beschlossen hat (siehe Medienmitteilung der WAK-S vom 21. April 2020), beantragt sie nun der FK-S mit 5 zu 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen, im Nachtrag I zum Voranschlag 2020 einen weiteren A-Fonds-perdu-Unterstützungsbeitrag in Höhe von 40 Millionen Franken vorzusehen. Mit der ersten Unterstützungsmassnahme, die von der FK-S bereits abgesegnet wurde, sollen die jährlichen Beiträge, welche die verschiedenen Dienstleister von Tourismus Schweiz (regionale Partner, Hotellerie, Seilbahnen usw.) aufgrund der aktuellen Schwierigkeiten der Branche nicht entrichten können, durch eine einmalige A-Fonds-perdu-Zahlung kompensiert werden. Mit den zusätzlichen 40 Millionen Franken soll eine weitere Marketingkampagne für die Jahre 2020–2022 zur Belebung der Nachfrage und zur Förderung des Tourismusangebots der einzelnen – insbesondere der weniger frequentierten – Regionen der Schweiz finanziert werden.

Sollte die FK-S den Antrag der Kommission ablehnen, wird die WAK-S ihrem Rat bei der Beratung des Nachtrags I zum Voranschlag den entsprechenden Betrag in Form eines Einzelantrags beantragen.

Bundesunterstützung für Lehrbetriebe

Während in dieser Zeit des Jahres normalerweise sehr viele Lehrstellen angeboten werden, wurden im April aufgrund der Gesundheits- und Wirtschaftskrise deutlich weniger Lernende angestellt. Zudem besteht die Gefahr, dass Lernende ihre Lehrstelle verlieren, da einigen Unternehmen der Konkurs droht. Die Kommission ist sich dieser Problematik bewusst und hat deshalb mit 9 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen eine Motion (20.3163) eingereicht, die den Bundesrat auffordert, dafür zu sorgen, dass die Lehrbetriebe trotz der aktuellen Krise Lernende anstellen. In Absprache mit den Kantonen und den Organisationen der Arbeitswelt sollen gezielte und differenzierte Unterstützungsmassnahmen erarbeitet werden.

 

Die Kommission hat am 28. April 2020 unter dem Vorsitz von Ständerat Levrat Christian (SP/FR) und teilweise in Anwesenheit von den Bundesräten Alain Berset und Guy Parmelin in Bern getagt.