Bern (sda) Die Staatspolitische Kommission des Ständerats (SPK) will der Ausschaffungsinitiative einen direkten Gegenvorschlag gegenüberstellen. Sie ist am Dienstag auf diese von der FDP und der CVP vorgeschlagene Strategie eingeschwenkt.

Wie SPK-Präsident Alain Berset (SP/FR) vor den Medien erklärte, hat die Kommission den direkten Gegenvorschlag auf Verfassungsstufe einstimmig befürwortet. Zuvor hatte sich die SPK mit 9 zu 3 Stimmen bei einer Enthaltung dagegen ausgesprochen, die Initiative der SVP für ungültig zu erklären.

Die Mehrheit war der Meinung, dass die Initiative nicht gegen zwingendes Völkerrecht verstösst. Weil sie aber Rechtsgrundsätze in Frage stellt, soll dem Volk eine Alternative vorgelegt werden. Diese soll die Hauptanliegen aufnehmen, aber - anders als die SVP-Initiative - ausschliessen, dass Ausländer schon bei kleinen Delikten und trotz drohender Verfolgung ausgewiesen werden können.

 

Exemplarische Aufzählung der Straftaten

Der Vorschlag, auf den sich die Kommissionsmitglieder geeinigt haben, entspricht in weiten Teilen dem, was der Bundesrat auf Gesetzesstufe vorgeschlagen hatte - als indirekten Gegenvorschlag.

So werden einige schwere Straftatbestände aufgezählt, die zu einer Ausweisung führen. Die Aufzählung wird jedoch ergänzt mit einer allgemeinen Formulierung. Demnach sollen Ausländer nach einer Verurteilung für eine Straftat weggewiesen werden, für die das Gesetz eine Freiheitsstrafe von nicht weniger als einem Jahr vorsieht.

Für harmlosere Taten sollen Ausländer dann weggewiesen werden, wenn sie dafür zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren oder zu mehreren Freiheits- oder Geldstrafen von insgesamt mindestens 720 Tagen oder Tagessätzen innerhalb von zehn Jahren verurteilt wurden.

 

Ausweisung auch bei Betrug

Die FDP hatte vorgeschlagen, kriminelle Ausländer bereits bei Freiheitsstrafen ab anderthalb Jahren auszuweisen. Dafür wollte sie auf eine Ausweisung bei mehreren kleineren Strafen verzichten. Die CVP wollte ihrerseits keinen Deliktkatalog aufzählen.

Berset wies darauf hin, dass die SVP-Initiative den Gesetzgeber dazu ermächtigt, den Deliktkatalog nach seinem Gutdünkten zu ergänzen. Damit wisse das Volk im Grunde nicht, worüber genau es abstimme.

Noch nicht definitiv geeinigt hat sich die Kommission auf eine Formulierung zu Betrugsdelikten. Gemäss der SVP-Initiative würden auch kleine Fälle von Sozialhilfebetrug zu einer Ausweisung führen, während schwere Wirtschaftsdelikte keine solchen Konsequenzen hätten. Die Kommission möchte Betrugsdelikte mit einer Ausweisung ahnden, aber nur schwere.

 

Verhältnismässigkeit wahren

Anders als die SVP-Initiative soll der Gegenvorschlag den Gerichten einen Spielraum bei der Beurteilung des Einzelfalls einräumen. In einer Zusatzklausel soll deshalb explizit festgehalten werden, dass beim Entscheid die Grundrechte und die Grundprinzipien der Bundesverfassung und des Völkerrechts zu beachten sind.

Ständerat Hansheiri Inderkum (CVP/UR) räumte ein, dass die Klausel rechtlich gesehen im Grunde überflüssig sei. Die Kommission habe sich aber dafür entschieden, weil sie Transparenz schaffen wolle. Die Klausel mache deutlich, dass das Prinzip der Verhältnismässigkeit gewahrt werde.

Der Bundesrat hatte die Gültigkeit der Initiative immer bejaht. Dieser Meinung war auch die ständerätliche SPK zunächst gefolgt. Nach dem Volks-Ja zur Anti-Minarett-Initiative beschloss der Ständerat aber, die Frage der Gültigkeit nochmals zu prüfen, da die Ausschaffungsinitiative genauso wie die Anti-Minarett-Initiative zwar nicht gegen zwingendes Völkerrecht verstösst, aber nationale und internationale Rechtsgrundsätze in Frage stellt.

 

02.02.2010