Wie wird eine Bundesratswahl vorbereitet?
Katrin Marti: Für die Bundesratswahlen bereiten wir normalerweise sieben Wahlgänge pro zu besetzendem Sitz vor. Wichtig ist, dass die Wahlgänge voneinander unterschieden werden können und es zu keinen Missverständnissen kommt. Der erste Schritt ist daher recht einfach: Der Wahlzettel jedes Wahlgangs bekommt eine eigene Farbe zugeteilt. Anschliessend bereitet die Reprozentrale des Parlaments die Wahlzettel vor, auf denen sich neben dem Datum der Wahl und dem Wahlgang auch eine gepunktete Linie für den Namen der Kandidatin bzw. des Kandidaten befindet.
Darüber hinaus müssen wir sicherstellen, dass die Stimmzählerinnen und Stimmzähler der beiden Räte wissen, was sie am Tag der Wahl zu tun haben. Deshalb wird am Vortag eine kurze Informationssitzung für sie durchgeführt, an der sie auch ein kleines Dossier mit allen wichtigen Punkten erhalten.
Die Stimmenzählerinnen und Stimmenzähler kommen aus beiden Räten. Wer wählt sie?
K. M.: Der Nationalrat wählt zu Beginn der Legislatur vier Stimmenzählerinnen und Stimmenzähler, die auch Mitglied des Büros sind, und vier Ersatzstimmenzählerinnen und Ersatzstimmenzähler für eine Amtsdauer von vier Jahren. Diese acht Ratsmitglieder sind bei den Wahlen anwesend. Der Ständerat verfügt derzeit über eine Stimmenzählerin und einen Ersatzstimmenzähler. Diese beiden Ämter werden in der kleinen Kammer in einer Art Turnus zu Beginn der Wintersession besetzt: Das Ratsmitglied, das Ersatzstimmenzählerin bzw. Ersatzstimmenzähler ist, wird im Folgejahr in der Regel Stimmenzählerin bzw. Stimmenzähler, danach zweite und dann erste Vizepräsidentin bzw. zweiter und dann erster Vizepräsident und schliesslich Präsidentin bzw. Präsident des Ständerates. Die aktuelle Stimmenzählerin wird also voraussichtlich in drei Jahren und der aktuelle Ersatzstimmenzähler in vier Jahren dem Ständerat vorsitzen.
Aus den acht Mitgliedern des Nationalrates wird eine Vorsitzende oder ein Vorsitzender der Stimmenzählenden bestimmt. Diese Funktion kommt dem amtsältesten Ratsmitglied zu, in diesem Jahr also Edith Graf-Litscher.
Wie sieht der Ablauf am Wahltag aus?
K. M.: Die Stimmenzählenden aus dem Nationalrat kümmern sich um je 25 Wahlzettel, die sie nach einem vorgängig definierten Prinzip an die Nationalratsmitglieder verteilen. Die beiden Stimmenzählenden aus dem Ständerat sind für je 23 Wahlzettel verantwortlich.
Nach diesem Schema werden die Wahlzettel von den Stimmenzählenden verteilt. Edith Graf-Litscher sitzt ganz links in der Reihe der Stimmenzählenden (Platz Nr. 7). Sie wird jedem Ratsmitglied auf einem rot eingefärbten Platz einen Wahlzettel verteilen und somit auch der Nationalratspräsidentin (Platz Nr. 1).
K. M.: Einen Wahlzettel erhält nur, wer an seinem Platz sitzt. Die Wahlzettel werden beim Verteilen gezählt, um zu kontrollieren, dass nicht zwei Zettel zusammenkleben. Am Ende müssen alle Stimmenzählende wissen, wie viele der 25 Wahlzettel sie verteilt haben und wie viele noch übrig sind. Sie teilen diese Zahlen dem Generalsekretär mit und kommen dann zu mir ins sogenannte Bundesratszimmer, das sich ganz in der Nähe des Nationalratssaals befindet. Dort warte ich auf sie mit meinem Computer und einer Excel-Liste, die gefüllt werden will.
Nachdem die Weibelinnen und Weibel die Wahlzettel bei den Ratsmitgliedern eingesammelt haben, leeren sie den Inhalt der Wahlurnen auf den Tisch vor den zehn Stimmenzählenden. Wie läuft die Stimmenauszählung ab?
K. M.: Jede Stimmenzählerin und jeder Stimmenzähler nimmt sich ein Bündel und notiert auf einem Blatt, wie viele Wahlzettel leer oder ungültig sind und wer wie viele Stimmen erhalten hat. Edith Graf-Litscher notiert die Ergebnisse auf einem Blatt. Wenn die Wahl knapp ausfällt, tauschen die Stimmenzählenden ihre Bündel untereinander aus und die Wahlzettel werden ein zweites Mal gezählt. Am Ende übergibt Edith Graf-Litscher der Nationalratspräsidentin einen kleinen Zettel mit dem Wahlergebnis.
Das Prozedere wiederholt sich in den folgenden Wahlgängen so lange, bis eine Person gewählt ist.
Sind ungültige Wahlzettel häufig?
K. M.: Jedes Ratsmitglied will, dass seine Stimme zählt, schliesslich handelt es sich um einen wichtigen Moment im institutionellen Prozess. Bei der Wahl eines Regierungsmitglieds herrscht eine sehr ernste Atmosphäre. Nach dem ersten Wahlgang kommt es eher selten vor, dass ein Wahlzettel nicht zugeordnet werden kann. Ist ein Name schlecht lesbar, besprechen die zehn Stimmenzählenden den Fall untereinander. In den Fällen, die ich bisher erlebt habe, waren sich die Stimmenzählenden immer sofort einig. Sollte aber einmal Uneinigkeit herrschen, so entscheidet gemäss Gesetz die Mehrheit.
Was geschieht nach der Wahl mit den Wahlzetteln?
K. M.: Sie werden noch am selben Tag vernichtet. Ist ein Bundesratsmitglied einmal gewählt, gibt es daran nichts mehr zu rütteln. Eine Neuauszählung oder eine Anfechtung der Wahl sind nicht möglich.
Ist Ihnen eine Wahl besonders in Erinnerung geblieben?
K. M.: Ganz klar die von Eveline Widmer-Schlumpf im Jahr 2007. Die Stimmung ist normalerweise recht heiter, die Stimmenzählenden unterhalten sich. Doch an diesem Tag herrschte grosse Stille im Saal. Niemand kommentierte die Wahl, die Stimmenzählenden verliessen wortlos den Saal.
Die Weibelinnen und Weibel leeren den Inhalt der Wahlurnen im Bundesratszimmer auf den Tisch vor den Stimmenzählenden. Die Blätter, auf denen die Wahlergebnisse notiert werden, haben dieselbe Farbe wie die Wahlzettel.
Einige turbulente Wahlen
In der Wintersession 2007 wählt die Bundesversammlung die Mitglieder des Bundesrates für die nächste Legislaturperiode. Was eigentlich eine routinemässige Wiederwahl sein soll, entwickelt sich zu einem staatsstreichartigen Coup: Bundesrat Christoph Blocher wird zugunsten von seiner Parteikollegin Eveline Widmer-Schlumpf abgewählt. Im ersten Wahlgang erhält die Überraschungskandidatin 116 Stimmen, während Christoph Blocher auf 111 Stimmen kommt. 11 Stimmen gehen an andere Kandidierende, 6 Wahlzettel sind leer und 2 ungültig.
Im zweiten Wahlgang wird Eveline Widmer-Schlumpf mit 125 Stimmen gewählt, Christoph Blocher erhält 115 Stimmen. 2 Stimmen gehen an andere Kandidierende und 2 Wahlzettel sind leer.
Mehr zur Bundesratswahl im Amtlichen Bulletin
Im darauffolgenden Jahr, 2008, tritt SVP-Bundesrat Samuel Schmid zurück. In diesem Jahr ist unbestritten, dass der SVP ein Sitz zusteht, doch die Partei schlägt nur zwei Kandidaten vor: Ueli Maurer und den im Vorjahr abgewählten Christoph Blocher. Die anderen Parteien sehen dies als Diktat und schlagen vor, ein anderes SVP-Mitglied zu wählen: Hansjörg Walter. Vor der Wahl erklärt dieser, nicht zur Verfügung zu stehen und eine allfällige Wahl abzulehnen. Im ersten Wahlgang vereint er dennoch am meisten Stimmen auf sich, nämlich 109. Ueli Maurer kommt auf 63 und Christoph Blocher auf 54 Stimmen.
Im zweiten Wahlgang erhält Walter 121 Stimmen und Maurer 119, Blocher tritt nicht mehr an. Im dritten Wahlgang kann Walter seine 121 Stimmen halten, doch Maurer erbt verschiedene «verstreute» Stimmen aus dem vorigen Wahlgang und wird mit 122 Stimmen gewählt.
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