Im Herbst 2001 holten Fachleute den tonnenschweren Leuchter von der Decke des Ständeratssaals. Während sie ihn zerlegten, reinigten und neue Kabel einzogen, fanden sie Notizen aus vergangenen Zeiten, die Berufskollegen in früheren Jahren den Hohlräumen des Lüsters versteckt hatten.

In der Festschrift «Das neue Schweizerische Bundeshaus in Bern» von 1902 steht dazu: «Der schmiedeiserne Lüster mit 214 Lampen und das Geländer der Tribünen von Gebrüder Schnyder (Luzern)».

Tatsächlich sind es nur 208 Leuchtstellen … Der Lüster im Ständeratsaal ist eines der grössten Exemplare aus der Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts, das in der Schweiz noch vorhanden ist: Er wiegt ca 1,5 Tonnen, geschmiedet und getrieben aus Eisen aus dem Gonzen/SG, mit 8 Armen à je 24 Blüten, heute mit LED Leuchtmitteln ausgestattet.

 

Der Leuchter im Ständeratssaal

Eine vielschichtige Künstlerfigur

Hinter dem Firmennamen verbirgt sich eine vielschichtige Künstlerfigur: Ludwig Schnyder von Wartensee (1858–1927), Bildner in Eisen und Cyseleur, Chef der Kunstschlosserei Gebrüder Schnyder in Luzern, wie es im Künstlerlexikon (Brun) heisst. Von 1885 bis 1922 war er Inhaber der Kunstschlosserei Gebrüder Schnyder in Luzern, die er zunächst zusammen mit seinem Bruder Wilhelm (1859–1894) führte. Schnyder entwarf und gestaltete ornamentale Metallgegenstände für religiöse und profane Zwecke – Tabernakelgitter, Altarleuchter, Kommuniongitter, aber auch Treppengeländer, Portalgitter und Aushängeschilder sowie Leuchter. Seine geschmiedeten Gegenstände gelangten in alle Welt: Sie sind in der ganzen Schweiz, in Südfrankreich aber auch in New York zu finden.

Ein wahres Kunstwerk

Unsere Geschichte im Korb des Leuchters

Im Herbst 2001 wurde der Leuchter aus dem Parlament entfernt und in Luzern gereinigt und neu elektrifiziert. Bei der Zerlegung des Leuchters fanden die Experten im Korb mehrere Dokumente aus vergangenen Zeiten. Sie stammten von Fachleuten, die bereits früher den Leuchter zerlegt hatten.

Wegen der Spannungswechsel mussten mehrfach die Drähte neu eingezogen werden. Eine Karte, hinterlassen von den Elektrikern von 1926 sagt: «Wir haben uns auf der östl. Journalistentribüne wohnlich eingerichtet … Unsere Unterhaltung dreht sich hauptsächlich um Radio. Im November wurde der Bernersender eröffnet. Jetzt, Ende März 26 sind im Einzugsgebiet 10500 Konzessionäre.» Und zum Leuchter selber schreiben sie: «In den alten Drähten waren viele Brandstellen, die sich teilweise tief ins Eisen eingefressen hatten.» Gezeichnet: «Dem Finder die besten Grüsse A. Steiger, R. Hofer, 26. März 1926».

 

Die Karte von 1926 (Quelle: BBL)

Das Dokument von 1935 zeigt eine ganz andere Stimmung: Es beginnt mit den Worten: «Eidgenossen! Berner!» Dann: «Hier oben auf dem von der Maler & Gipsergenossenschaft erstellten Patentgerüst arbeiten wir drei wie die Neger; denn es heisst hü! hü! man weiss heute nicht was passieren kann und was der ital.-abessinische Krieg nach sich zieht; der Leuchter muss fertig sein wenn der General gewählt werden sollte …». Zum Leuchter heisst es da lakonisch in Klammern «(Der Leuchter ist ganz neu eingezogen & alles neue Fassungen)». Und zum Schluss eine Bemerkung, die auch heute noch geschrieben werden könnte: «Hie & da kam ein Führer (vom Bundeshaus) mit internationalem Volk zu Besuch». Gezeichnet: «E.Hügli, A. Bleuer. W. Zingg».

 

Das Dokument von 1935 (Quelle: BBL)

 

Die Elektriker Zingg und Hügli, fotographiert vom Kollegen Bleuer, 1935 (Quelle: BBL)

Notizen von 2001

Das Atelier Dieter Keller in Luzern hat sich 2001 der Renovation des Kronleuchters angenommen. Auch diese Fachleute haben für die Nachwelt des 21. Jahrhunderts eine Notiz verfasst und eine aktuelle Luzerner Zeitung hineingelegt, so dass die nächsten Fachleute einen neuen Fund machen können. Und selbstverständlich stecken auch die Originale von 1926 und 1935 wieder im Leuchter …

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