​Ein Wahlverfahren muss so ausgestaltet sein, dass die Stimme jedes Wahlberechtigten ein ähnliches Gewicht hat. Weil eine Bestimmung der neuen Verfassung des Kantons Schwyz diesen Grundsatz verletzt, soll sie vom Bund nicht gewährleistet werden. Schwyz wird damit gezwungen, seine Verfassung anzupassen.

​Mit 7 zu 4 Stimmen schliesst sich die Staatspolitische Kommission (SPK) des Ständerates dem Antrag des Bundesrates an, eine Bestimmung über die Wahl des Kantonsrates in der neuen Schwyzer Kantonsverfassung für bundesrechtswidrig zu erklären (12.070 sn Kantonsverfassung Schwyz. Gewährleistung).

Die Bestimmung sieht vor, dass der Kantonsrat nach dem Proporzwahlverfahren gewählt wird. Wahlkreise sind die Gemeinden. In 27 von 30 Wahlkreisen werden weniger als zehn Sitze besetzt; 13 Gemeinden haben nur je Anspruch auf einen Sitz. Im Durchschnitt liegt das Quorum der Stimmen, das eine Liste für den Gewinn eines Sitzes erreichen muss, bei 33%. Ziel eines Proporzwahlverfahrens wäre es, dass es den verschiedenen Gruppierungen eine Vertretung ermöglicht, die ihrem Wähleranteil entspricht. Das Schwyzer System hat aber zur Folge, dass kleinere Parteien in einem grossen Teil des Kantons keine oder nur geringe Chancen haben, einen Sitz zu gewinnen. Das System führt dazu, dass die Stimmen einer grossen Zahl von Stimmberechtigten für das Wahlergebnis nicht in Betracht fallen. Weil die Bevölkerungszahl der Wahlkreise sehr unterschiedlich ist, hat nicht jede Wählerstimme ein ähnliches Gewicht. Im Extremfall des Vergleichs von Riemenstalden und Unteriberg wiegt die Stimme eines Stimmberechtigten in der ersten Gemeinde 26,5mal mehr als in der zweiten Gemeinde.

Die SPK folgt dem Bundesrat und der in den letzten Jahren vom Bundesgericht entwickelten Praxis und stellt fest, dass das Schwyzer Wahlsystem die Garantie der politischen Rechte der Stimmberechtigten verletzt. Artikel 34 Absatz 2 der Bundesverfassung verlangt, dass kein Wahlergebnis anerkannt werden darf, das nicht den freien Willen der Wählenden unverfälscht zum Ausdruck bringt.

Die Kommissionsminderheit lehnt die Verfassungsauslegung des Bundesgerichtes ab. Artikel 51 der Bundesverfassung verlangt von jedem Kanton, dass er sich „eine demokratische Verfassung“ gibt. Niemand könne bestreiten, dass die Schwyzer Verfassung demokratisch sei. Die Bundesversammlung hat vor acht Jahren die totalrevidierte Verfassung des Kantons Graubünden gewährleistet, die ein Majorzwahlverfahren vorsieht. Gemäss diesem Wahlverfahren ist der Anteil der „wertlosen“ Stimmen naturgemäss viel grösser als nach dem Schwyzer Verfahren. Jeder Kanton müsse bei der Ausgestaltung des Wahlverfahrens seinen Besonderheiten und Traditionen Rechnung tragen dürfen. Die Nichtgewährleistung der Schwyzer Verfassung würde einen schwer wiegenden Eingriff in die kantonale Organisationsautonomie bedeuten.

Folgen der Ständerat und der Nationalrat dem Vorschlag des Bundesrates, wie es die Mehrheit der Kommission beantragt, so wird die Verfassung des Kantons Schwyz mit Ausnahme der umstrittenen Bestimmung gewährleistet. Sollten die Behörden des Kantons Schwyz in der Folge die Kantonsverfassung nicht anpassen, so setzen sie sich dem Risiko aus, dass das Bundesgericht auf Klage hin Entscheide über künftige Wahlen annullieren wird.

Die Kommission hat vor ihrem Entscheid eine Delegation des Kantons Schwyz, einen Vertreter der Gegner des neuen Wahlverfahrens im Kanton Schwyz sowie Herrn alt Bundesgerichtspräsidenten Arthur Aeschlimann und Herrn Professor Pierre Tschannen angehört.

Die Kommission tagte am 20. November 2012 unter der Leitung ihres Präsidenten Ständerat Robert Cramer (GE) in Bern.

 

Bern, 20. November 2012   Parlamentsdienste