Die von Nationalrat
Daniel Vischer (G, ZH) eingereichte parlamentarische Initiative verlangt, die
Bundesverfassung so zu ändern, dass der bereits bestehende verfassungsmässige
Anspruch auf Schutz vor dem Missbrauch persönlicher Daten zu einem Grundrecht
auf informationelle Selbstbestimmung aufgewertet wird (14.413 n Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung). Die SPK hat
der Initiative, die gegenüber der bestehenden Verfassungsbestimmung einen
eigentlichen Paradigmenwechsel anstrebt, mit 12 zu 8 Stimmen Folge gegeben. In
Anbetracht einer zunehmend digitalisierten Welt erachtet es die Kommission für
angezeigt, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung explizit als persönliches
Freiheitsrecht anerkannt wird. Dieser Paradigmenwechsel führt im Ergebnis zu einer
Beweislastumkehr zu Lasten von Staat und kommerziellen Unternehmen und zu
Gunsten der Bürgerinnen und Bürger.
Die Minderheit der
Kommission erblickt keinen Mehrwert in der vorgeschlagenen positiven
Formulierung einer solchen Verfassungsbestimmung und verweist auf die
Rechtsprechung des Bundesgerichts, welche das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung anerkenne. Sie erachtet es als wichtiger, die bestehende Verfassungsgrundlage
durchzusetzen, anstatt ein neues Grundrecht zu definieren. Bevor die Kommission
die Umsetzung der Initiative an die Hand nehmen kann, muss sie noch ihre
ständerätliche Schwesterkommissionen um Zustimmung zu ihrem Beschluss ersuchen.
Vorläufiger Verzicht
auf schärfere Sanktionen bei Datenschutzverletzungen
Hingegen lehnt es die
Kommission vorläufig ab, dem Eidgenössischen Datenschutz- und
Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) die Kompetenz zur Verhängung von
Verwaltungsbussen bei Datenschutzverletzungen zu erteilen. Mit 12 zu 9 Stimmen
bei einer Enthaltung lehnt die SPK eine parlamentarische Initiative von
Nationalrat Jean Christophe Schwaab (S, VD) ab, welche eine Zuständigkeit des
EDÖB zur Verhängung von Verwaltungssanktionen fordert (14.404 n Für wirklich abschreckende Sanktionen bei
Datenschutzverletzungen). Zwar
anerkennt die SPK einen allgemeinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf im
Bereich des Datenschutzes; sie möchte sich aber zurzeit noch nicht festlegen,
ob im Rahmen der bevorstehenden Revision des Datenschutzgesetzes auch die
konkrete Forderung der Initiative umgesetzt werden soll. Persönlichkeitsschutz
ist primär Schutz der Privatperson vor dem Staat; Zurückhaltung ist angebracht
gegenüber Eingriffen des Staates zur Regelung des Verhältnisses von Privaten
untereinander. Die Kommissionsminderheit beantragt dem Nationalrat, der
Initiative Folge zu geben, weil in der Folge der fortschreitenden Entwicklung
der Informationstechnologien schützenswerte Interessen von Privatpersonen und
Unternehmen zunehmend in Frage gestellt würden und dem EDÖB deshalb neue
rechtliche Instrumente zur Verfügung gestellt werden müssten.
Keine
Gesetzesinitiative
Mit 12 zu 9 Stimmen bei 2
Enthaltungen spricht sich die Kommission gegen die Einführung der
Gesetzesinitiative auf Bundesebene aus, wie sie von Nationalrat Hugues Hiltpold
(RL, GE) verlangt wird (13.464 n Gesetzesinitiative einführen. Eine Lücke in
den Volksrechten schliessen).
Die Kommission befürchtet bei Einführung dieses neuen Volksrechts eine
Komplizierung und Verrechtlichung der Volksrechte. Schon heute steht die
Bundesversammlung nicht selten vor Problemen, wenn sie z.B. die Gültigkeit von
Volksinitiativen zu prüfen hat. Bei Gesetzesinitiativen würde diese Prüfung
noch schwieriger, wären doch noch weitere Kriterien wie die Einhaltung der
Normstufe und die Verfassungsmässigkeit zu beachten. Besonders schwierig würde
sich zudem die Umsetzung einer Gesetzesinitiative in Form der allgemeinen
Anregung gestalten. Die Kommissionsminderheit würde es hingegen als grossen
Vorteil erachten, wenn Volksinitiativen, die eigentlich auf Gesetzesstufe
gehören würden, nicht als Änderung der Bundesverfassung eingebracht werden
müssten.
Politische Rechte:
Stimmrechtsbescheinigung doch innerhalb der Referendumsfrist
Die Kommission hat die
noch bestehenden Differenzen in der Vorlage für eine Änderung des
Bundesgesetzes über die politischen Rechte behandelt (13.103 n Bundesgesetz über die politischen Rechte). Dabei gab die Mehrheit der Kommission in
einem wichtigen Punkt dem Ständerat nach: Mit 14 zu 9 Stimmen spricht sich die
Kommission dafür aus, dass gemäss geltendem Recht für das Zustandekommen eines
Referendums die Unterschriften mitsamt Stimmrechtsbescheinigung innerhalb der
Frist von 100 Tagen eingereicht sein müssen. Die Kommission ist der Ansicht,
dass sich die Referendumskomitees entsprechend organisieren müssen, damit die
Bescheinigungen rechtzeitig vorliegen. Hingegen hält die Kommission mit 14 zu 9
Stimmen daran fest, dass es keine Bestimmung betreffend Beobachtung von
Urnengängen braucht, da solche Beobachtungen auch heute schon möglich
sind.
Kein rechtlich
verankerter Sonderschutz für „Whistleblowers“
Wer von einem Staat
begangene Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit oder der bürgerlichen Rechte denunziert,
soll in der Schweiz keinen Anspruch auf Asyl oder andere Garantien für ein
Bleiberecht erhalten. Mit 13 zu 8 Stimmen lehnt die SPK eine durch den Fall
„Snowden“ ausgelöste parlamentarische Initiative von Nationalrat Carlo
Sommaruga (S, GE) ab, die für sogenannte Whistleblowers einen rechtlichen Sonderstatus
vorsehen will (13.465 n Schutz von Whistleblowern bei Verletzungen
der Rechtsstaatlichkeit, der demokratischen Rechte und der Volksrechte). Die Kommission weist darauf hin, dass von
staatlicher Verfolgung bedrohte Personen in jedem Falle in der Schweiz ein
Asylgesuch einreichen können, das von den Behörden sorgfältig geprüft wird.
Eine Ausweitung des Flüchtlingsbegriffs auf Whistleblowers lehnt sie ab, weil
bereits heute in Härtefällen ausnahmsweise ein Bleiberecht gewährt werden kann.
Die Kommissionsminderheit beantragt, der Initiative Folge zu geben, weil dieses
Anliegen letztlich den Kerngehalt des politischen Asyls betreffe. Da sich in
einer zunehmend digitalisierten Welt die Problematik – unabhängig von bekannten
Einzelfällen – weiter akzentuieren werde, sei eine breite Diskussion um
rechtliche Lösungsansätze nötig.
Keine strafrechtlichen
Sanktionen gegen unlautere Asylgesuche
Mit 13 zu 6 Stimmen beantragt
die Kommission ihrem Rat, einer parlamentarischen von Nationalrat Hans Fehr (V,
ZH) keine Folge zu geben, die im Asylrecht Freiheitsstrafen von 6 Monaten bis 5
Jahre für Personen vorsehen will, welche die Behörden durch Angabe von falschen
Personalien zu täuschen versuchen oder nach einem rechtskräftigen Asylentscheid
ein neues Asylgesuch stellten, ohne dass sich die Umstände wesentlich verändert
haben (13.460 n Sanktionierung von missbräuchlich gestellten
Asylgesuchen). Die Kommission lehnt
die Initiative ab, weil sie die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten im Asyl- und
Ausländerrecht zur Missbrauchsbekämpfung für ausreichend erachtet. Sie stellt
zudem einen Widerspruch fest zwischen der Verhängung von Freiheitsstrafen und
dem Bestreben, Fehlbare so rasch als möglich in ihre Herkunftsländer
zurückzuführen. Die Minderheit der Kommission beantragt, der Initiative Folge
zu geben, weil nur durch die Einführung griffiger Sanktionsmöglichkeiten eine
präventive Wirkung gegen den Missbrauch im Asylrecht erzielt werden könne.
Nachdem eine syrische
Asylsuchende bei der Überstellung von Vallorbe nach Brig ihr Kind verloren hat,
beschloss die Kommission, dieses Thema an ihrer nächsten Sitzung zu
traktandieren. Sie beabsichtigt, hierzu eine Vertretung des Bundesrats und des
Grenzwachtkorps anzuhören.
Die Kommission tagte am
28./29. August 2014 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Cesla Amarelle (S, VD)
in Bern.
Bern, 29. August 2014 Parlamentsdienste