Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) hat sich ein letztes Mal mit der Revision des Aktienrechts (16.077) befasst. In zahlreichen Punkten hält sie an ihrer Position fest. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass es Unternehmen möglich sein muss, Aktienkapital in Fremdwährung zu führen und Generalversammlungen im Ausland abzuhalten.

Nach der Behandlung von Entwurf 1 der Aktienrechtsrevision durch den Ständerat in der Frühjahrssession bestanden noch rund zwei Dutzend Differenzen zwischen den beiden Räten. Die RK-N hat nun eine letzte Differenzbereinigung vorgenommen. Sie hat insbesondere beschlossen, an ihrem Entscheid festzuhalten, dass Unternehmen Aktienkapital in Fremdwährung führen dürfen (mit 21 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung). Auch an ihrem Entscheid, dass Unternehmen ihre Generalversammlungen im Ausland abhalten dürfen, hält sie fest (mit 20 zu 0 Stimmen bei 5 Enthaltungen). Hier schlägt sie dem Ständerat allerdings einen Kompromiss zum Schutz der Aktionärsrechte vor: So darf die Wahl des Orts der Generalversammlung keine Nachteile für die Aktionäre mit sich bringen. Ferner hat sich die Kommission mit 16 zu 0 Stimmen bei 6 Enthaltungen dafür ausgesprochen, dass Unternehmen, die dies wünschen, beispielsweise treu mit dem Unternehmen verbundene Aktionäre mit Loyalitätsaktien bevorzugen können.

Bei mehreren Punkten hat sich die Kommission hingegen entschlossen, dem Ständerat zu folgen. Dies ist unter anderem der Fall bei den Vergütungen an ehemalige Mitglieder leitender Organe und bei der Pflicht der Unternehmen, Funktionen der Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung und des Beirates in anderen Unternehmen anzugeben. Insgesamt verbleibt noch ein gutes Dutzend Differenzen. Der Nationalrat wird die Aktienrechtsrevision in der Sommersession beraten. Es ist vorgesehen, dass in dieser Session die letzten Differenzen bereinigt werden und das Geschäft zur Schlussabstimmung gebracht wird.

Schaffung eines Garantiefonds für Kundenguthaben abgelehnt

Die Kommission hat sich ein weiteres Mal mit den Auswirkungen der COVID-19-Krise in der Reisebranche befasst. Nachdem die Bundesversammlung an der ausserordentlichen Session bereits einer Verlängerung des Rechtsstillstands für Kundenforderungen in der Reisebranche zugestimmt hat ( 20.3157 n Mo. RK-NR. Rechtsstillstand im Betreibungswesen. Ausnahmeregelung für die Reisebranche), hat sich die Kommission heute mit der Frage der Schaffung eines Garantiefonds für solche Forderungen befasst. Mit 14 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung hat sie es abgelehnt, den Bundesrat mit der Schaffung eines neuen Garantiefonds zu beauftragen.

Revision der Strafprozessordnung

Nachdem die Rechtskommission des Nationalrates an ihrer letzten ordentlichen Sitzung Anhörungen zur Revision der Strafprozessordnung (19.048) durchgeführt hat und auf die Vorlage eingetreten ist, hat sie nun mit der Detailberatung der Vorlage begonnen. Mit der vorliegenden Revision (siehe Botschaft des Bundesrats vom 28. August 2019) werden verschiedene Anliegen aus der Praxis aufgegriffen, dazu gehören u.a. die Einschränkung der Teilnahmerechte, die konsequente Umsetzung des Prinzips der «double instance», die Einvernahme der beschuldigten Person im Strafbefehlsverfahren bei zu vollziehenden Freiheitsstrafen und die Erstellung und Speicherung von DNA-Profilen zur Aufklärung früherer oder künftiger Straftaten.

Die Kommission hatte im Rahmen der Eintretensdebatte beschlossen, die Vorlage zu teilen und die Artikel 364a und 364b in einen separaten Entwurf 2 zu überführen, damit dieser schneller behandelt und in Kraft gesetzt werden kann. Die betroffenen Artikel sollen eine bestehende Gesetzeslücke bei der Sicherheitshaft im Nachverfahren schliessen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte mit Urteil vom 3. Dezember 2019 diesbezüglich eine Verletzung der EMRK durch die Schweiz festgestellt. Im betroffenen Fall (I.L. c. Suisse (no 72939/16), Urteil des EGMR vom 3. Dezember 2019) wurde eine dreimonatige Sicherheitshaft gegen eine Person verhängt, um die Zeit bis zum gerichtlichen Entscheid zur Verlängerung einer stationären Massnahme zu überbrücken, obwohl dazu im geltenden Recht eine gesetzliche Grundlage fehlt. Die Kommission hat den Entwurf 2 nun einstimmig zuhanden des Nationalrats verabschiedet. Dieser wird sich in der Sommersession 2020 damit auseinandersetzen. Eine Minderheit spricht sich gegen die Teilung der Revisionsvorlage aus.

Die Kommission hat sich mit 15 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen gegen die Rückweisung der Revision an den Bundesrat ausgesprochen. Eine Minderheit unterstützt die Rückweisung. Die Kommission hat zudem mehrere Aufträge an die Verwaltung erteilt und wird an einer ihrer nächsten Sitzungen die Detailberatung des Entwurf 1 aufnehmen.

Internationale Schiedsgerichtsbarkeit

Die Kommission hat sich mit der Differenzbereinigung zur Vorlage zur Revision der Bestimmungen zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit befasst (18.076). Sie hat einstimmig entschieden, dass sie – wie ursprünglich vom Bundesrat beantragt – daran festhalten möchte, dass die Parteien ihre Rechtsschriften im Rahmen einer internationalen Schiedsverfahrens in englischer Sprache abfassen können. Damit verbleibt in dieser Frage weiterhin Uneinigkeit zwischen den Räten.

 

Die Kommission tagte am 15. Mai 2020 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle (SP, GE) in Bern.