Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates möchte nach Inkrafttreten der Ehe für alle die Hürden für die Stiefkindadoption rasch beseitigen und alle Kinder von ihrer Geburt an rechtlich besser schützen. Sie hat zwei entsprechende Motionen beschlossen.

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) hat Kenntnis genommen vom Bericht des Bundesrates in Erfüllung des von der RK-S eingereichten Postulates 18.3714 («Überprüfung des Abstammungsrechts»). Sie begrüsst die Arbeit der interdisziplinären Expertengruppe und des Bundesrates, die anerkennen, dass das Abstammungs- und das Adoptionsrecht angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung reformiert werden müssen. Ohne den Beschluss über die von Ständerat Caroni eingereichte Motion 22.3235 «Zeitgemässes Abstammungsrecht» abzuwarten, hat die Kommission mit 21 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung selber eine Motion (22.3382) beschlossen, wonach bei der Stiefkindadoption auf das einjährige Pflegeverhältnis verzichtet werden soll, wenn der leibliche Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der adoptionswilligen Person eine faktische Lebensgemeinschaft mit gemeinsamen Haushalt führt. Die Kommission hat ferner mit 18 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung eine zweite Motion (22.3383) beschlossen, die den Bundesrat beauftragt, den Rechtsschutz der Kinder gleichgeschlechtlicher Paare, die in einem fortpflanzungsmedizinischen Verfahren im Ausland oder mittels einer privaten Samenspende gezeugt wurden, zu verbessern, sofern gesichert ist, dass die Kenntnis der Abstammung gewährleistet ist. Eine Minderheit lehnt beide Motionen ab.

Revision der Zivilprozessordnung auf gutem Wege

Die Kommission hat an ihrer heutigen Sitzung die Detailberatung zur Revision der Zivilprozessordnung (20.026) abgeschlossen. Im Mittelpunkt der Debatte standen der Zugang der Bürgerinnen und Bürger zum Gericht und punktuelle Anpassungen der Zivilprozessordnung. Die Kommission hat sich in der Gesamtabstimmung mit 22 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung für die Vorlage ausgesprochen.

Mit der Revision der Zivilprozessordnung wird eine erste Bilanz der vereinheitlichten Zivilprozessordnung, die am 1. Januar 2011 in Kraft trat, gezogen. Die Vorlage geht mehrere Kritikpunkte aus der Praxis an und zielt darauf ab, finanzielle Hürden abzubauen, die Verfahrenskoordination zu vereinfachen und das Schlichtungsverfahren als Instrument zur Streitbeilegung zu stärken. Um die Erfolgschancen eines Schlichtungsverfahrens zu erhöhen, hat die Kommission insbesondere beschlossen, dass sich bei Eheschutzverfahren und Scheidung das Gericht anders zusammensetzen muss als die Schlichtungsbehörde.

Die Kommission hat zudem mit 14 zu 9 Stimmen beschlossen, dass der Gerichtsentscheid den Parteien künftig in der Regel ohne schriftliche Begründung mitgeteilt wird, und ist damit dem Ständerat gefolgt. Sie will so die Verfahren beschleunigen und die Effizienz der Gerichte steigern. Eine Minderheit lehnt diese Grundsatzänderung ab, weil den Parteien, welche die schriftliche Begründung verlangen, dadurch höhere Kosten entstehen würden.

Die Gewaltenteilung zwischen Bund und Kantonen bei der Gebührenfestlegung soll beibehalten werden. Die Kommission hat daher einen Antrag abgelehnt, der vorsah, dass der Bund Obergrenzen und einheitliche Grundsätze einführt. Eine Minderheit ist der Auffassung, dass dank solcher Obergrenzen die Gerichte für einen grösseren Teil der Bevölkerung zugänglicher wären.

Die Kommission hat ohne Gegenstimme beschlossen, die Situation bei den Postsendungen und der Fristenberechnung zu klären. Wird die Sendung an einem Samstag bei der berufsmässigen Vertretung der Partei abgegeben, beginnt die Frist am folgenden Werktag zu laufen. Zur Harmonisierung der Fristenberechnung in diesen Situationen hat die Kommission zudem eine Kommissionsmotion beschlossen, die verlangt, dass die Fristenberechnung im Schweizer Recht vereinheitlicht wird (22.3381). Ferner hat die Kommission ein Kommissionspostulat mit 16 zu 7 Stimmen angenommen, das den Bundesrat beauftragt, in Absprache mit den Kantonen zu prüfen, ob es zweckmässig wäre, eine Familiengerichtsbarkeit zu schaffen (22.3380). Eine Kommissionsminderheit lehnt das Postulat ab, da sie das geltende Recht für ausreichend hält und keinen Grund für die Schaffung zusätzlicher Sondergerichte sieht.

Die Themen Unternehmensjuristinnen und -juristen, Nutzung des Englischen bzw. der verschiedenen Landessprachen, vorsorgliche Massnahmen gegen Medien und Einsatz elektronischer Instrumente wurden bereits an früheren Sitzungen behandelt (Medienmitteilung der RK-N vom 14. Januar 2022). Die Vorlage kommt in der Sondersession des Nationalrates, die vom 9. bis zum 11. Mai 2022 stattfindet, in den Nationalrat.

Erleichterungen im Mietrecht teilweise umstritten

Die Kommission hat von den Ergebnissen des Vernehmlassungsverfahrens zu den parlamentarischen Initiativen Egloff 15.455 («Missbräuchliche Untermiete vermeiden»), Vogler 16.458 («Keine unnötigen Formulare bei gestaffelten Mietzinserhöhungen»), Feller 16.459 («Mietvertragsrecht. Auf mechanischem Wege nachgebildete Unterschriften für zulässig erklären») sowie 18.475 Merlini (Markwalder) («Beschleunigung des Verfahrens bei der Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf des Vermieters oder seiner Familienangehörigen») Kenntnis genommen. Mit den vorgesehenen Änderungen im Mietrecht sollen Missbräuche bei der Untermiete verhindert, Erklärungen von einseitigen Vertragsänderungen vereinfacht und die Kündigung infolge Eigenbedarfs erleichtert werden. Die Kommission hat für die Umsetzung der vier parlamentarischen Initiativen drei separate Vorentwürfe in die Vernehmlassung geschickt. An ihrer heutigen Sitzung hat sie sich mit 15 zu 9 Stimmen dafür ausgesprochen an diesem Vorgehen festzuhalten und ihrem Rat drei Vorentwürfe zu unterbreiten. Sie ist der Ansicht, dass die teilweise stark divergierenden Stellungnahmen im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens gezeigt haben, dass es bei umfassenden Revisionsprojekten im Mietrecht oftmals zu einer politischen Blockade kommt und es das gewählte Vorgehen erlaubt, punktuelle Anpassungen von politisch weniger umstrittenen Punkten zeitnah umzusetzen. Die Kommission wird an einer ihrer nächsten Sitzungen die Detailberatung der drei Entwürfe fortsetzen.

Auslandsadoptionen: Kommission will Herkunftssuche unterstützen

Aufgrund des Skandals um die illegalen Adoptionen von Kindern aus Sri Lanka hat sich die Kommission mit 16 zu 4 Stimmen bei 3 Enthaltungen für die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage ausgesprochen (22.428), die es dem Bund erlaubt, privaten Institutionen Finanzhilfen zu gewähren für Dienstleistungen im Bereich der Herkunftssuche.

Stellenaufstockung am Bundesgericht

Um der Arbeitsüberlastung am Bundesgericht entgegenzuwirken, hat die Kommission mit 18 zu 4 Stimmen eine Kommissionsinitiative (22.427) beschlossen, welche die Schaffung von zwei zusätzlichen Stellen für ordentliche Richterinnen und Richter vorsieht. Die Initiative geht nun an die ständerätliche Schwesterkommission, die am 26. April darüber befinden wird.

Die Kommission tagte am 7./8. April 2022 unter dem Vorsitz von Nationalrat Vincent Maitre (M-E/GE) in Bern.