Die Krankenkassen und die Kantone sollen Behandlungen einheitlich finanzieren, unabhängig davon ob diese ambulant oder stationär durchgeführt werden. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) hat einen entsprechenden Vorentwurf verabschiedet. Sie will die Verlagerung von Leistungen aus dem stationären in den tendenziell günstigeren ambulanten Bereich fördern und eine koordinierte Versorgung erleichtern.

​Bleibt ein Patient oder eine Patientin nach einem einfachen chirurgischen Eingriff noch eine Nacht im Spital, zahlt der Kanton mindestens 55 Prozent der Behandlung und die Krankenkasse höchstens 45 Prozent. Wird der gleiche Eingriff ambulant durchgeführt, gehen die Kosten vollständig zu Lasten der Krankenkasse und damit der Prämienzahlenden. Künftig soll der Kanton für seine Einwohner einen fixen Anteil übernehmen, unabhängig davon, ob die Behandlung stationär oder ambulant durchgeführt wird. Die SGK-NR hat mit 15 zu 7 Stimmen einen entsprechenden Vorentwurf verabschiedet, den sie in Umsetzung der Pa. Iv. Finanzierung der Gesundheitsleistungen aus einer Hand. Einführung des Monismus (09.528; Humbel) erarbeitet hat. Vorgängig hörte sie eine Delegation der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und –direktoren an. Über die Vorlage wird in den kommenden Monaten ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt.

Die Kommission verfolgt mit der Vorlage drei Ziele. Erstens will sie, wo medizinisch sinnvoll, die Verlagerung von stationär zu ambulant fördern. Da ambulante Behandlungen in der Regel günstiger sind, wird das Kostenwachstum insgesamt gebremst. Attraktiver wird auch eine koordinierte Versorgung, die Spitalaufenthalte durch rechtzeitige ambulante Behandlungen vermeidet. Zweitens will die Kommission die prämien- und steuerfinanzierten Anteile an den obligatorisch versicherten Krankheitskosten – ohne Langzeitpflege – stabilisieren. Drittens soll eine sachgerechte Tarifierung gefördert werden.

Neu sollen die Krankenkassen alle ambulanten und stationären Behandlungen vergüten. An die Kosten, die ihnen nach Abzug von Franchise und Selbstbehalt der Versicherten verbleiben, sollen die Kantone einen Beitrag von mindestens 25,5 Prozent leisten. Dieser Prozentsatz, der im Durchschnitt der Jahre 2012 bis 2015 rund 7,5 Milliarden Franken entsprochen hätte, wird so festgelegt, dass die Umstellung auf die einheitliche Finanzierung für die Kantone und die Versicherer insgesamt kostenneutral ausfällt.

Eine Minderheit will auf die Vorlage nicht eintreten, da diese neue Fehlanreize schaffe und die Kantone zur Mitfinanzierung von ambulant erbrachten Leistungen verpflichte, ohne dass sie den ambulanten Bereich steuern und die Rechnungen kontrollieren könnten. Eine andere Minderheit will die Kantonsgelder den Versicherern nicht aufgrund der entstandenen Kosten, sondern als Pauschalbetrag pro Versicherten zuweisen; im Verbund mit dem Risikoausgleich führe dies dazu, dass die Versicherer einen stärkeren Anreiz hätten, sich für eine effiziente Versorgung einzusetzen.

Invalidenversicherung

Nachdem die Kommission an ihrer letzten Sitzung ohne Gegenstimme auf die Weiterentwicklung der IV (17.022 n) eingetreten war, nahm sie die Detailberatung auf und folgte mit ihren Anträgen der Linie des Bundesrates. Mit 14 zu 7 Stimmen heisst sie ein zentrales Element der Reform gut, nämlich den Ausbau der eingliederungsorientierten Beratung und Begleitung von Versicherten, Arbeitgebern, Ärztinnen und Fachpersonen der Schule (Art. 3a). Um Jugendlichen beim Einstieg ins Berufsleben besser zu helfen, unterstützt die Kommission mit 15 zu 7 Stimmen die Möglichkeit, bereits Jugendliche ab 13 Jahren bei der Invalidenversicherung (IV) zu melden (Art. 3abis Abs. 1bis Bst. a). Mit 13 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen ist sie einverstanden damit, dass der IV auch Personen gemeldet werden, die zwar noch nicht arbeitsunfähig sind, aber von einer Arbeitsunfähigkeit bedroht sind (Art. 3abis Abs. 1bis Bst. b). Sie beauftragte die Verwaltung, bis zur nächsten Sitzung aufzuzeigen, welche Auswirkungen zu erwarten wären, wenn IV-Renten erst ab 30 Jahren gewährt würden.

Qualität im Gesundheitswesen

Die Kommission beendete die Detailberatung über die Vorlage KVG. Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit (15.083 s) und nahm sie in der Gesamtabstimmung mit 19 zu 4 Stimmen an. Nachdem die Kommission in den letzten Monaten ein eigenes Modell zur Förderung der Qualität erarbeitet hatte, ist die Vorlage nun bereit für den Nationalrat.

Wahlfranchisen jeweils für drei Jahre

Nach Würdigung der Vernehmlassungsergebnisse hielt die Kommission an ihrem Entwurf zur Pa.Iv. Stärkung der Selbstverantwortung im KVG (15.468; Brand (Borer)) fest, welcher vorsieht, dass eine Wahlfranchise während drei Jahren nicht geändert werden kann. In Abweichung zur Vernehmlassungsvorlage beschloss sie mit 11 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung, dass der Versicherer die versicherte Person zwei Monate vor Vertragsende kontaktieren muss, bevor sich der Vertrag automatisch verlängert. Der in der Gesamtabstimmung mit 11 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommene Entwurf, zu dem ein Nichteintretensantrag vorliegt, geht nun zur Stellungnahme an den Bundesrat.

Kostendämpfungsmassnahmen

Die Kommission liess sich zudem von Bundespräsident Alain Berset über den Beschluss des Bundesrates vom 28. März 2018 zur Umsetzung des Expertenberichts «Kostendämpfungsmassnahmen» informieren. Sie wird sich nach Vorliegen der für Ende Jahr in Aussicht gestellten Botschaft zum ersten Massnahmenpaket eingehend mit den konkretisierten Vorschlägen auseinandersetzen.
Sie beschloss in diesem Zusammenhang, an zwei Kommissionsinitiativen festzuhalten, welche in die gleiche Richtung zielen wie zwei Massnahmen aus dem ersten Paket. Um die diesbezügliche bundesrätliche Stossrichtung zu unterstützen, beantragt sie ihrem Rat der Pa. Iv. SGK-NR. Tarifpflege und Entwicklung (17.401 n) und der Pa. Iv. SGK-NR. Steuerung der Kosten im KVG durch die Vertragspartner (17.402 n) Folge zu geben (mit 17 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen resp. mit 14 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen). Die SGK-SR hatte im November 2017 die Zustimmung zu den Kommissionsinitiativen verweigert, weil sie der Prioritätensetzung des Bundesrates nicht vorgreifen wollte.

Die Kommission tagte am 19. und 20. April 2018 in Bern unter Leitung von Thomas de Courten (SVP, BL) und teilweise in Anwesenheit von Bundespräsident Alain Berset.