Medikamente, die einen sehr hohen Umsatz erzielen, sollen mit einem Mengenrabatt belegt werden können. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) spricht sich damit wie der Ständerat für sogenannte Kostenfolgemodelle aus. Sie beantragt aber mehrere Anpassungen, um so mit klaren Vorgaben für Rechtssicherheit zu sorgen und gleichzeitig die Eigenschaften der betroffenen Medikamente besser zu berücksichtigen.

Die Kommission hat die Beratungen der Differenzen zum zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (22.062) abgeschlossen. Nachdem sie an der letzten Sitzung beschlossen hatte, mit der Beratung der vom Ständerat neu hinzugefügten Kostenfolgemodelle abzuwarten, liess sich die Kommission über den aktuellen Stand der Diskussionen zu einer möglichen Umsetzung dieser Massnahme zwischen der pharmazeutischen Industrie, den Krankenkassen und der Verwaltung informieren. Sie ist erfreut über die Fortschritte, die bereits erzielt worden sind. Mit einigen Anpassungen an der ständerätlichen Version greift sie die Rückmeldungen aus den Diskussionen auf und präsentiert so eine ausgewogene Lösung, die Kosten einspart ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Einen Antrag, die Kostenfolgemodelle aus dem Massnahmenpaket herauszulösen und in der Kommission zu belassen, hat die Kommission entsprechend abgelehnt (mit 18 zu 5 Stimmen).

Konkret beantragt die Kommission einstimmig, die Version des Ständerates so anzupassen, dass das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bei der Verfügung der Mengenrabatte produktspezifische Gegebenheiten eines Medikamentes, beispielsweise die Verfügbarkeit des Wirkstoffes, und die Anzahl der vergüteten Indikationen angemessen berücksichtigt. Zudem sollen Mengenrabatte auch schon bei der Aufnahme in die Spezialitätenliste festgelegt werden können. Zusätzlich soll für Medikamente, die schon über die Spezialitätenliste vergütet werden, eine zweijährige Übergangsfrist gelten (mit 19 zu 0 Stimmen bei 6 Enthaltungen). Mit einer weiteren Ergänzung will die Kommission sicherstellen, dass die Auswirkungen der Kostenfolgemodelle und der restlichen Massnahmen des zweiten Kostendämpfungspakets sechs Jahre nach Inkrafttreten der Revision überprüft werden (einstimmig). Laut Schätzungen der Verwaltung könnten alleine mit den Kostenfolgemodellen jährlich Einsparungen von 300 bis 400 Millionen erzielt werden.

Bei den restlichen, bisher noch nicht behandelten Differenzen folgt die Kommission mehrheitlich den Beschlüssen des Ständerates. So sollen die Grundsätze präzisiert werden, welche die Tarifpartner zu beachten haben, wenn sie Tarife erarbeiten, aktualisieren und weiterentwickeln. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass sich Effizienzgewinne aufgrund des medizinisch-technischen Fortschrittes in den Tarifen niederschlagen (mit 12 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen). Wie der Ständerat will auch die Kommission darauf verzichten, auf Gesetzesebene festzuschreiben, dass die Dauer einer medizinischen Behandlung auf der Rechnung aufzuführen ist (mit 17 zu 8 Stimmen). Einzig die vom Ständerat neu hinzugefügte Übergangsbestimmung zu einem Plafond der pro Tag abrechenbaren Taxpunkte lehnt die Kommission ab (mit 14 zu 8 bei 2 Enthaltungen).

Nachdem die Kommission an drei Sitzungen über die Differenzen beraten hat, ist die Vorlage nun bereit für die Wintersession (siehe Medienmitteilungen vom 21. Juni und vom 16. August 2024). Es werden insgesamt 13 Minderheiten zur Debatte gestellt.

Erneute Beratung des Entwurfs zur Umsetzung der Initiative «Kinder ohne Tabak»

Die Kommission ist ohne Gegenstimme auf die Teilrevision des Tabakproduktegesetzes (23.049) eingetreten und hat die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 8 Stimmen gutgeheissen. Mit der Vorlage soll die Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung», die im Februar 2022 von Volk und Ständen angenommen wurde, umgesetzt werden.

Nachdem der Nationalrat als Zweitrat die Vorlage in der Gesamtabstimmung abgelehnt hatte, befasste sich der Ständerat in der Herbstsession ein zweites Mal mit diesem Geschäft. Die SGK-N hat nun die gesamte Vorlage erneut beraten und beantragt, mehreren Beschlüssen des Ständerates zu folgen: namentlich bei der Bestimmung zur Werbung an öffentlich zugänglichen Orten (Art. 18 Abs. 1 Bst. e; mit 16 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung, gegenüber dem Entwurf des Bundesrates) sowie bei der Bestimmung zum Sponsoring von Veranstaltungen, zu denen Minderjährige Zugang haben (Art. 20 Abs. 1 Bst. b; mit 16 zu 9 Stimmen, gegenüber dem Entwurf des Bundesrates).

In anderen Bereichen hat die Kommission Kompromissvorschläge ausgearbeitet, die sich vom Entwurf des Bundesrates und den Beschlüssen des Ständerates entfernen oder diese präzisieren. So beantragt die SGK-N mit 17 zu 8 Stimmen, Werbung im Innenteil von Presseerzeugnissen, die mehrheitlich über Abonnemente verkauft werden und deren Leserschaft zu mindestens 98 Prozent aus Erwachsenen besteht, zu erlauben (Art. 18 Abs. 1 Bst. a). Bezüglich der Vorgaben zur Verkaufsförderung beantragt sie mit 13 zu 12 Stimmen, den Verkauf durch mobiles Verkaufspersonal an öffentlichen Orten, die Minderjährigen zugänglich sind, zuzulassen, sofern sichergestellt ist, dass die Werbung für Minderjährige weder sichtbar noch zugänglich ist (Art. 19 Abs. 1 Bst. c). Mit 15 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen spricht sie sich zudem dafür aus, zu präzisieren, dass die Förderung des Verkaufs von Zigarren und Zigarillos mittels Degustationen und Kundenpromotionen nur dann erlaubt ist, wenn sie sich ausschliesslich an Erwachsene richtet (Art. 19 Abs. 2 Bst. b).

Der Nationalrat kann dieses Geschäft somit in der Wintersession behandeln. Im Hinblick auf diese Beratung sind verschiedene Minderheitsanträge eingereicht worden.

Keine überhöhten Entschädigungen für die Mitglieder der leitenden Organe von Krankenkassen

Die Kommission ist mit 15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung auf ihren Vorentwurf zur Umsetzung der pa. Iv. Hurni «Keine überhöhten Entschädigungen für die leitenden Organe von Krankenkassen zulasten der Versicherten» (21.453) eingetreten und hat diesen dann mit 14 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung angenommen. Der Vorentwurf sieht vor, dass der Bundesrat eine Höchstentschädigung für die Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitglieder von Krankenversicherungen festlegt. Bei der Festlegung des Höchstbetrags sind der Versichertenbestand des Versicherers, dessen durchschnittliche Gesamtkosten pro versicherter Person sowie die Teuerung zu berücksichtigen. Ausserdem hat sich der Betrag an der Lohntabelle der Bundesverwaltung zu orientieren.

Die Kommission hat in diesem Zusammenhang mit 17 zu 7 Stimmen Anträge abgelehnt, die ein Verbot gemischter Krankenkassen forderten beziehungsweise verlangten, dass für die Entschädigungen der Mitglieder der leitenden Organe von Grund- und Zusatzversicherungen dieselben Transparenzvorschriften gelten. Mit diesen Beschlüssen möchte die Kommission ihren Vorentwurf auf eine strikte Umsetzung der Initiativanliegen beschränken.

Die SGK-N hat die Verwaltung beauftragt, den Vorentwurf und den erläuternden Bericht fertigzustellen. Das Vernehmlassungsverfahren wird voraussichtlich im zweiten Quartal 2025 eröffnet.

Ergänzungsleistungen: Wohnen älterer Menschen im eigenen Zuhause fördern

Die Kommission ist ohne Gegenantrag auf die Vorlage zur Änderung des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (24.070) eingetreten, mit welcher die Leistungen für Hilfe und Betreuung zu Hause angepasst werden sollen. Die Vorlage geht auf eine Motion der SGK-N (18.3710) zurück und hat zum Ziel, die Autonomie älterer Menschen und das Wohnen im eigenen Zuhause stärker zu fördern. Vor dem Eintreten hat die Kommission Vertretungen der Kantone, Städte und Gemeinden sowie Vertretungen von Organisationen, die sich für Menschen mit Behinderungen, für Personen, die Angehörige betreuen, oder für ältere Menschen einsetzen, und von Dienstleistungsanbietern für Menschen mit Unterstützungsbedarf angehört. Dabei hat sie festgestellt, dass die Vorlage im Allgemeinen gut aufgenommen, aber eine Erweiterung des Katalogs der vergüteten Leistungen gefordert wird. Im Hinblick auf die Detailberatung an der nächsten Sitzung hat sie die Verwaltung um zusätzliche Informationen gebeten.

Finanzierung des Entschädigungsfonds für Asbestopfer sicherstellen

Die Kommission ist mit 17 zu 8 Stimmen auf den Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (24.074) eingetreten und hat diesen in der Gesamtabstimmung mit demselben Stimmenverhältnis angenommen. Sie ist dem Entwurf des Bundesrates gefolgt, der die Zukunft der Stiftung Entschädigungsfonds für Asbestopfer sicherstellen möchte, indem der Suva die Kompetenz eingeräumt wird, die Stiftung finanziell zu unterstützen. Allfällige Beiträge der Suva müssen dabei zwingend aus dem Einnahmenüberschuss der Versicherung gegen Berufsunfälle und -krankheiten entstammen.

Weitere Geschäfte

Mit 16 zu 9 Stimmen beantragt die SGK-N ihrem Rat ausserdem, die Mo. Ettlin Erich «Öffentlich-rechtliche Pensionskassen dürfen nicht benachteiligt werden» (24.3372) in abgeänderter Form anzunehmen. Gemäss dem geänderten Motionstext wird der Bundesrat beauftragt, Artikel 46 der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2) aufzuheben. Dies hätte zur Folge, dass alle Pensionskassen berechtigt sind, Leistungsverbesserungen vorzunehmen, auch wenn ihre Wertschwankungsreserven noch nicht vollständig geäufnet sind.

Anlässlich des Brustkrebsmonats Oktober hat die Kommission mit 15 zu 5 Stimmen bei 5 Enthaltungen die Motion «Brustkrebs. Leben nach einer Mastektomie» (24.4260) beschlossen. Der Bundesrat soll beauftragt werden, alle Massnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, damit die Tarife für die Tätowierung des Brustwarzenhofs überprüft und so angepasst werden, dass sie den für diese Leistung nötigen Zeitaufwand und das dafür nötige Fachwissen besser widerspiegeln.

Die SGK-N hat ein weiteres Mal die pa. Iv. (Hurni) Piller Carrard «Schluss mit Werbung auf dem Rücken der Versicherten!» (22.497) beraten, nachdem ihre ständerätliche Schwesterkommission ihrem Beschluss, der Initiative Folgen zu geben, nicht zugestimmt hatte. Mit 17 zu 8 Stimmen beantragt sie dem Nationalrat, der Initiative keine Folge zu geben.

Im Weiteren hat die Kommission mit der Beratung der pa. Iv. Rechsteiner Thomas «Verzicht auf Einzelleistungstarife in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung» (24.439) begonnen. Sie wird ihre Arbeiten fortsetzen, sobald ihr detailliertere Informationen zur neuen Tarifstruktur TARDOC und zu den Pauschaltarifen für ambulante Leistungen vorliegen.

Mit 17 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt die Kommission, der Standesinitiative des Kantons Jura «KVG-Prämien in die Berechnung des Landesindexes für Konsumentenpreise aufnehmen, zweiter Versuch» (23.315) keine Folge zu geben. Die Kommission betont, dass es sich bei den Krankenkassenprämien um Transferzahlungen handelt, die konzeptionell nicht in einen nach international abgestimmten Kriterien berechneten Preisindex passen.

Darüber hinaus hat sich die Kommission von Vertreterinnen und Vertretern des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) sowie des BAG über den aktuellen Stand in Bezug auf die Anerkennung von ausländischen Osteopathie-Diplomen informieren lassen. Sie ersucht die Kommission für Wirtschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBK-N), sich mit diesem Thema zu befassen und zu prüfen, ob Handlungsbedarf besteht.

Die Kommission tagte am 17. und 18. Oktober 2024 in Bern unter der Leitung von Nationalrätin Barbara Gysi (SP, SG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.