Die Leistungen der AHV sollen künftig weniger stark an den Zivilstand anknüpfen. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) hat die Reform der Hinterlassenenrenten zu einem indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative für eine Abschaffung des Ehepaar-Plafonds erweitert und will so zu einer zeitgemässeren AHV übergehen. Gleichzeitig soll die Finanzierung der 13. AHV-Rente über eine befristete Erhöhung der Mehrwertsteuer gesichert werden.

Mit 13 zu 12 Stimmen hat die Kommission die Änderung des AHVG zur Reform der Hinterlassenenrenten (24.078) in der Gesamtabstimmung angenommen. Sie beantragt, die Vorlage des Bundesrates zu ergänzen und sie der Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare» (25.035) als indirekten Gegenvorschlag gegenüberzustellen:

  • Neue Ehepaar-Renten sollen nicht mehr plafoniert werden. Für laufende Renten soll der Plafonds von 150 Prozent weiterhin gelten (12 zu 8 Stimmen bei 5 Enthaltungen).
  • Der Verwitwetenzuschlag von 20 Prozent soll für neue AHV- oder IV-Rentenbeziehende abgeschafft werden (13 zu 8 Stimmen bei 5 Enthaltungen). Wer schon eine AHV- oder IV-Rente bezieht und verwitwet, soll weiterhin für den Zuschlag berechtigt sein. Ebenso nicht betroffen sind aktuell ausgerichtete Zuschläge.
  • Nichterwerbstätige Ehegatten sollen nicht mehr von der Beitragspflicht befreit werden können (18 zu 3 Stimmen bei 4 Enthaltungen).
  • Es sollen keine neuen Alterskinderrenten in der AHV und der obligatorischen beruflichen Vorsorge ausgerichtet werden, laufende Renten sind nicht betroffen (12 zu 9 Stimmen bei 4 Enthaltungen).

Verschiedene Minderheiten beantragen, die genannten Elemente nicht abzuschaffen oder den Rentenplafonds für Ehepaare generell auf 175 Prozent zu erhöhen.

Im Lichte dieser Entscheide ist die Kommission auf wenige Beschlüsse ihrer ersten Lesung zurückgekommen (siehe Medienmitteilung vom 23. Mai 2025). Übereinstimmend mit dem Übergang zu einer zivilstandsunabhängigen AHV sollen auch unverheiratete Elternteile eine Hinterlassenenrente erhalten. Die Kommission folgt hier mit 14 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen dem Entwurf des Bundesrats. Weiter schlägt sie einstimmig vor, dass laufende Witwen- und Witwerrenten nur nach zwei Jahren erlöschen sollen, wenn die betroffene Person unter 55 Jahre ist, keine Kinder hat und keine Ergänzungsleistungen bezieht. Zudem hat die Kommission mit 16 zu 9 Stimmen entgegen dem Entscheid vom Mai beschlossen, die Mindestrenten für Hinterlassene nicht zu erhöhen.

Während die Aufhebung des Plafonds für neue Renten zunehmende Ausgaben verursacht, führen die Abschaffung der lebenslangen Witwen- und Witwerrenten, des Verwitwetenzuschlags und der Alterskinderrenten über die Zeit zu steigenden Einsparungen. Eine Übersicht der finanziellen Auswirkungen der Beschlüsse der SGK-N wird Anfang nächster Woche publiziert.

Die Vorlage ist bereit für die Behandlung im Nationalrat. Nachdem sie der Nationalrat behandelt hat, wird die Kommission über die Abstimmungsempfehlung zur Volksinitiative der Mitte befinden.

  1. AHV-Rente: Finanzierun​​g durch befristete MWST-Erhöhung

Die Kommission hat die beiden Entwürfe zur Finanzierung der 13. AHV-Rente (24.073, Entwürfe 2 und 3) in der Gesamtabstimmung mit 13 zu 12 Stimmen angenommen. Nach der Analyse mehrerer Finanzierungsmodelle stimmt sie im Wesentlichen dem Entwurf des Bundesrates zu. Die 13. AHV-Rente soll ausschliesslich durch eine MWST-Erhöhung um 0,7 Prozentpunkte finanziert werden. Nach Kenntnisnahme von den neuen Finanzperspektiven der AHV stellt die Kommission aber fest, dass die Umlagedefizite geringer ausfallen als vom Bundesrat bei der Ausarbeitung der Botschaft erwartet. Sie ist darum der Ansicht, dass im Hinblick auf die anstehende strukturelle und nachhaltige Reform der AHV nur eine Übergangsfinanzierung der 13. AHV-Rente vorzusehen ist, und beantragt deshalb, die MWST-Erhöhung bis 2030 zu befristen. Im Weiteren beantragt sie mit 20 zu 5 Stimmen, auf die vom Bundesrat beantragte Kürzung des Bundesbeitrags an die AHV zu verzichten.

Der Ständerat sprach sich in der Sommersession für eine kombinierte Finanzierung aus Lohnbeitrags- und MWST-Erhöhung in zwei Schritten aus. In diesem Konzept ist die zweite MWST-Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte an eine allfällige Abschaffung oder Erhöhung der Rentenplafonierung für Ehepaare geknüpft. Die zweite Erhöhung der Lohnbeiträge um 0,4 Prozentpunkte erfolgt nur dann, wenn der AHV-Ausgleichsfonds unter 80 Prozent einer Jahresausgabe sinkt. Eine Minderheit, abgelehnt mit 17 zu 8 Stimmen, beantragt, dieses Konzept vollständig zu übernehmen. Zwei weitere Minderheiten verlangen angesichts der nun günstigeren Finanzperspektiven der AHV, die Werte des Finanzierungskonzepts des Ständerates nach unten zu korrigieren. Die erste, abgelehnt mit 13 zu 12 Stimmen, sieht zwei Erhöhungen der Lohnbeiträge um 0,3 Prozentpunkte und der MWST um 0,4 Prozentpunkte vor. Die zweite, in der Kommission mit 17 zu 8 Stimmen abgelehnt, sieht zwei Erhöhungen der Lohnbeiträge um 0,4 Prozentpunkte und der MWST um 0,3 Prozentpunkte vor. Beide Minderheiten beantragen zudem, dass die zweite MWST-Erhöhung nur bis Ende 2035 erfolgen kann.

Eine weitere Minderheit, deren Antrag mit 13 zu 12 Stimmen abgelehnt wurde, beantragt, die MWST um 0,5 Prozentpunkte und das Referenzalter um 6 Monate zu erhöhen, sobald der AHV-Ausgleichsfonds unter 90 Prozent einer Jahresausgabe sinkt.

Das Geschäft ist bereit für die Beratung in der Herbstsession

Berufliche Entwick​​lung im Pflegebereich fördern

Die Kommission hat mit der Beratung der Änderungen des Gesundheitsberufegesetzes begonnen, die im Rahmen der zweiten Etappe zur Umsetzung der Pflegeinitiative (25.054, Entwurf 2) vorgeschlagen werden. Bereits an ihrer letzten Sitzung war sie ohne Gegenantrag auf den Entwurf eingetreten. Mit diesem Entwurf sollen der Beruf der Pflegeexpertin und des Pflegeexperten in Advanced Practice Nursing (APN) sowie die Voraussetzungen für die Ausübung dieses Berufs im Gesetz geregelt werden. Die Kommission folgt dem Bundesratsentwurf, beantragt aber mit 15 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen, zu präzisieren, dass das Pflegepersonal im Laufe der Ausbildung die Fähigkeiten für die Bewältigung von komplexen Situationen in der direkten Patientenversorgung sowie für die Sicherstellung einer koordinierten Behandlung erwerben muss (Art. 3 Abs. 2 Bst. e GesBG).
Die Kommission hat zudem Kenntnis genommen vom Auftrag, den der Bundesrat dem Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) erteilt hat. Dieses soll analysieren und prüfen, mit welchen Massnahmen die Möglichkeiten der Passerelle zwischen den höheren Fachschulen (HF) und den Fachhochschulen (FH) gestärkt werden können. Sie begrüsst diesen Schritt und betont, dass die Förderung der beruflichen Entwicklung im Pflegebereich sehr wichtig ist, um die Attraktivität der Pflegeberufe zu erhöhen. Sie erwartet, dass die entsprechenden Arbeiten rasch vorangetrieben werden, und hat dem WBF eine Reihe von Fragen übermittelt, welche dieses in seinen Auftrag integrieren kann.

Sie wird die Beratung des Entwurfs an einer der nächsten Sitzungen fortsetzen und sich dann insbesondere mit der Passerelle HF–FH befassen.

Weitere Ges​chäfte

Die Kommission hat Kenntnis genommen von der ablehnenden Stellungnahme des Bundesrates zu ihrem Entwurf in Umsetzung der pa. Iv. (Weibel) Bäumle. «Gebühr für Bagatellfälle in der Spitalnotfallaufnahme» (17.480). Sie hat dennoch ihren Eintretensbeschluss mit 13 zu 12 Stimmen bestätigt. Der Entwurf ist nun reif für die Behandlung im Nationalrat.

Die Kommission hat Kenntnis genommen vom Ergebnisbericht der Vernehmlassung über den Vorentwurf in Umsetzung der pa. Iv. Roduit. «Umsetzung des Berichtes zur Evaluation der medizinischen Begutachtung in der IV» (21.498). In der Gesamtabstimmung hat sie ihren Entwurf mit 16 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung angenommen, ohne Änderungen am Vernehmlassungsentwurf vorzunehmen. Ihr Entwurf geht nun zur Stellungnahme an den Bundesrat, damit er dann in der Wintersession vom Nationalrat behandelt werden kann.

Die Kommission hat auch die Ergebnisse der Vernehmlassung zu ihrem Vorentwurf in Umsetzung der pa. Iv. Hurni «Pharmazeutische Industrie und Medizin. Mehr Transparenz» (20.490) zur Kenntnis genommen. Angesichts der kritischen Rückmeldungen insbesondere zum Umsetzungsaufwand ist sie auf ihren Eintretensentscheid zurückgekommen und beantragt mit 15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung, die parlamentarische Initiative abzuschreiben.

Mit 12 zu 12 Stimmen und Stichentscheid der Präsidentin ist die Kommission auf ihren Vorentwurf in Umsetzung der pa. Iv. Jost. «Starke Familien durch angepasste Zulagen» (23.406) eingetreten und hat diesen anschliessend mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen. Mit der Erhöhung des Mindestsatzes der Kinderzulage auf 250 Franken pro Monat und der Ausbildungszulage auf 300 Franken pro Monat möchte die Kommission die Kaufkraft von Familien stärken und verhindern, dass diese aus finanziellen Gründen auf weitere Kinder verzichten. Der Vorentwurf und der erläuternde Bericht gehen in Kürze in die Vernehmlassung.

Im Rahmen der Behandlung der pa. Iv. Hurni. «Keine überhöhten Entschädigungen für die leitenden Organe von Krankenkassen zulasten der Versicherten» (21.453) hat die Kommission Kenntnis genommen von einem Bericht über die Möglichkeit eines Lohndeckels für alle durch die OKP finanzierten Entschädigungen (siehe Medienmitteilung vom 23. Mai 2025). Angesichts verfassungsrechtlicher Bedenken und Schwierigkeiten bei der Umsetzung hat sie mit 12 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung beschlossen, keine solche Massnahme in ihren Vorentwurf aufzunehmen, sondern sich auf die Entschädigungen der Mitglieder der leitenden Organe der KVG-Versicherer zu konzentrieren. Sie wird die Arbeiten am Vorentwurf an einer der kommenden Sitzungen abschliessen und ihn dann in die Vernehmlassung schicken.

Mit 13 zu 12 Stimmen hat die Kommission beschlossen, eine Initiative (25.465) auszuarbeiten, die darauf abzielt, die Ausnahme zu der in Artikel 37 Absatz 1 KVG enthaltenen Anforderung, während mindestens drei Jahren an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte gearbeitet zu haben, zu verlängern und auf den Weiterbildungstitel «Psychiatrie und Psychotherapie» auszudehnen. Diese Ausnahmeregel hat sich bewährt und die Kantone haben den Wunsch nach einer Fortführung über den 31. Dezember 2027 hinaus geäussert.

Die Kommission liess sich über den Wechsel zu Tardoc und den ambulanten Pauschalen per Januar 2026 informieren. Sie begrüsst, dass bereits an einer Verbesserung des Tarifsystems gearbeitet wird. Die pa. Iv. Rechsteiner Thomas. «Verzicht auf Einzelleistungstarife in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung» (24.439) ist zurückgezogen.

Die Kommission beantragt mit 15 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung, die Mo. SGK-S «Spitalplanung durch interkantonale Spitallisten stärken» (25.3017) anzunehmen, um den Bemühungen zu einer überregionalen Planung Schub zu verleihen. Zum Einstieg der Beratungen hat die Kommission Vertretungen der Kantone, der Spitäler sowie der Versicherer angehört.

Die Kommission liess sich über das geplante Gesundheitsabkommen mit der EU informieren, welches als Teil des Pakets Schweiz-EU aktuell vernehmlasst wird. Inhaltlich wird sich die Kommission im Rahmen der parlamentarischen Beratung zum Abkommen äussern.

Die Kommission liess sich zum Stand der Umsetzung der Widerspruchslösung bei der Organspende informieren. Gleichzeitig wurde sie zur damit zusammenhängenden Revision der Transplantationsverordnung konsultiert. Die SGK-N empfiehlt dem Bundesrat drei Änderungen am Verordnungsentwurf vorzunehmen: Für den Eintrag ins geplante Register sollen neben der e-ID auch andere Identifikationsmittel verwendet werden können. Zudem sollen Hausärzte im geplanten Register vermerken können, dass der Spendewille bei ihnen hinterlegt ist. Schliesslich soll die Definition nahestehender Personen aus der laufenden Revision des ZGB zum Erwachsenenschutzrecht übernommen werden.

Schliesslich unterbreitet die Kommission ihrem Rat die folgenden Anträge:

  • ohne Gegenantrag Abschreibung der pa.I​v. Roduit. «Tod in Heimen und Rückerstattung von Ergänzungsleistungen. Teure und ärgerliche Verwaltungsverfahren einstellen» (22.442);
  • mit 16 zu 8 Stimmen Verlängerung der Frist zur Behandlung der pa.​Iv. Lohr «Entschädigung von Hilfeleistungen von Angehörigen im Rahmen des Assistenzbeitrages» (12.409);
  • mit 13 zu 9 Stimmen bei 3 Enthaltungen Ablehnung der Mo.​Germann. «Erleichterte Zulassung für patentabgelaufene Medikamente» (23.4535);
  • mit 14 zu 9 Stimmen Ablehnung der Mo. ​Erich Ettlin «Öffentlich-rechtliche Pensionskassen dürfen nicht benachteiligt werden» (24.3372);
  • mit 12 zu 12 Stimmen und Stichentscheid der Präsidentin Ablehnung der Mo. ​Erich Ettlin «Standardisierten Zugang zu persönlichen Vorsorgedaten ermöglichen» (24.4597).

Die Kommission zeigt sich ungehalten darüber, dass Informationen zur Beratung der AHV-Vorlagen mit Details zu Anträgen, Beschlüssen und Mehrheitsverhältnissen erneut vor Abschluss der Sitzung in der Presse zu lesen waren. Sie verurteilt diesen schwerwiegenden Vertrauensbruch und Verstoss gegen das Kommissionsgeheimnis. Die SGK-N hat daher beschlossen, Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses einzureichen.

Die Kommission tagte am 27., 28. und 29. August 2025 in Bern unter der Leitung von Nationalrätin Barbara Gysi (SP, SG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.