Ehemalige Verdingkinder und Administrativversorgte sollen keine Einbussen bei den Ergänzungsleistungen (EL) hinnehmen müssen, weil sie eine Solidaritätszahlung erhalten haben. Um dies so rasch als möglich sicherzustellen, hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-SR) eine Kommissionsinitiative ergriffen.

​Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen erhalten zur Anerkennung und Wiedergutmachung des ihnen zugefügten Unrechts einen Solidaritätsbeitrag von maximal 25 000 Franken. Dieser wird bei der EL-Berechnung zwar nicht als Einnahme, aber als Teil des Vermögens angerechnet. Dies kann dazu führen, dass die EL gekürzt werden oder der Anspruch ganz entfällt. Um eine solch doppelte Bestrafung zu vermeiden, beschloss die Kommission einstimmig eine Kommissionsinitiative (19.476). Falls die Schwesterkommission des Nationalrates diesem Vorgehen zustimmt, könnte die SGK-SR noch im laufenden Jahr über eine entsprechende Gesetzesanpassung beraten. Dies ginge schneller, als wenn das Parlament dem Bundesrat auf dem Weg der Motion einen entsprechenden Auftrag erteilen würde. In der Kommission wurde betont, dass es um eine Sonderlösung für mutmasslich wenige ehemalige Verdingkinder und Administrativversorgte gehe.

Einstimmig hiess die Kommission die Weiterentwicklung der IV (17.022 n) in der Gesamtabstimmung gut. Die Vorlage fällt gemäss den Anträgen der Kommissionsmehrheit praktisch kostenneutral aus. (Siehe Beilage «Finanzielle Auswirkungen (Weiterentwicklung der IV) im Jahr 2030, Teil 1 und Teil 2). Zum Abschluss der Detailberatung, welche die Kommission zum grössten Teil an ihrer August-Sitzung durchgeführt hatte, standen Fragen zur Gutachtertätigkeit und zur Verzinsung der IV-Schulden im Zentrum. Die Kommission beantragt einstimmig, dass die IV-Stellen eine Liste mit Angaben über alle beauftragten Sachverständigen und Gutachterstellen (Fachbereich, Zahl der jährlich begutachteten Fälle und der attestierten Arbeitsunfähigkeiten) veröffentlichen sollen. Es genüge, wenn die IV eine solche Liste führe, hielt die Kommission fest, bei den anderen Sozialversicherungen sei dies nicht nötig (Regelung in Art. 57 IVG statt in Art. 44 ATSG). Auch soll der Bundesrat nicht – wie vom Nationalrat beschlossen – dazu verpflichtet werden, in jedem Fall und für alle Versicherungszweige die Vergabe von Aufträgen an Gutachterstellen zu regeln (Art. 44 Abs. 6 Bst. a. ATSG). Was die Schulden der IV betrifft, sprach sich die Kommission mit 6 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung dagegen aus, dass der Bund anstelle der IV die Zinskosten von derzeit rund 50 Millionen Franken im Jahr übernimmt. Bei diesem und drei weiteren Punkten wurden Minderheitsanträge eingereicht zur Vorlage, die in der Herbstsession 2019 im Ständerat beraten wird.

Ausbildungszulagen bereits ab dem vollendetem 15. Altersjahr

Die Kommission hat die Revision des Bundesgesetzes über Familienzulagen (18.091 n) beraten und in der Gesamtabstimmung einstimmig angenommen. Sie unterstützt die Stossrichtung des Bundesrates und des Nationalrates in allen Punkten. So sollen Ausbildungszulagen ein Jahr früher als heute ausbezahlt werden können. Weiter sollen arbeitslose, alleinerziehende Mütter während des Bezugs der Mutterschaftsentschädigung Familienzulagen erhalten. Schliesslich will die Kommission eine gesetzliche Grundlage für die Gewährung von Finanzhilfen an Familienorganisationen schaffen.

Weitere Geschäfte

Vier Motionen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen beantragt die SGK-SR ihrem Rat zur Annahme mit dem Ziel, dass der Bundesrat diese Anliegen im Rahmen des zweiten Kostendämpfungspakets umsetzt:

  • 18.3513 n Mo. Nationalrat (Buffat). KVG. Dank der Digitalisierung die Effizienz steigern und die Kosten reduzieren (einstimmig);
  • 18.3664 n Mo. Nationalrat (Grossen Jürg). Digitalisierung auch im Gesundheitswesen. Sämtliche Rechnungen sollen elektronisch zu den Krankenversicherern (einstimmig);
  • 18.3387 n Mo. Nationalrat (SGK-NR). Sinnvolle Patientensteuerungsprogramme im KVG ermöglichen (einstimmig);
  • 18.3649 n Mo. Nationalrat (Humbel). Stärkung von integrierten Versorgungsmodellen. Abgrenzung zu einseitigen Listenangeboten ohne koordinierte Behandlung (9 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung).

Die Motion «Transparenz in der Spitalfinanzierung. Ausschreibungspflicht für gemeinwirtschaftliche Leistungen» (16.3842; Herzog) beantragt die SGK-SR ihrem Rat einstimmig zur Ablehnung. Gemäss der Kommission greift diese Forderung zu stark in die Autonomie der Kantone ein. Eine Motion ihrer Schwesterkommission, die faire Referenztarife für eine schweizweit freie Spitalwahl fordert (18.3388), empfiehlt die SGK-SR einstimmig zur Annahme.

Was den Mindestumwandlungssatz und den Mindestzinssatz in der beruflichen Vorsorge betrifft, will die Kommission dem Bundesrat keine Vorgaben für die geplante BVG-Reform machen. Sie beantragt einstimmig, die Mo. Nationalrat (SGK-NR). Entpolitisierung der technischen Parameter im BVG (16.3350) zu sistieren. Weiter beantragt sie, der Pa.Iv. (Bortoluzzi) de Courten. Herauslösung der technischen Parameter aus dem BVG (12.414) keine Folge zu geben (8 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung).

Die Kommission nahm die Stellungnahme des Bundesrates zu ihrem Entwurf zur Umsetzung der Pa. Iv. Für den Persönlichkeitsschutz auch in der Aufsicht über die Krankenversicherung (16.411; Eder) zur Kenntnis. Sie unterbreitet den Entwurf ohne Änderungen dem Rat.

Weiter liess sie sich über die Evaluation der Nationalen Demenzstrategie 2014 - 2019 informieren, wobei sie auch eine Vertretung von Alzheimer Schweiz anhörte. Sie nahm davon Kenntnis, dass das Bundesamt für Gesundheit und die Schweizerische Gesundheitsdirektorenkonferenz beabsichtigen, dem Dialog Nationale Gesundheitspolitik für seine Sitzung vom 24. Oktober 2019 einen konkreten Vorschlag für die gemeinsame Weiterbearbeitung des Themas zu unterbreiten, nämlich eine Nationale Plattform Demenz.

Die Kommission tagte am 3. September 2019 in Bern unter dem Vorsitz von Joachim Eder (FDP, ZG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.