Das neue Tabakproduktegesetz soll nach dem Willen der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates als indirekter Gegenvorschlag mit der Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» verknüpft werden. Dies würde es dem Initiativkomitee erlauben, das Volksbegehren unter der Bedingung zurückzuziehen, dass das Gesetz in Kraft tritt.

An ihrer Januarsitzung hatte die Kommission die Differenzen beim Tabakproduktegesetz (15.075) grösstenteils beraten, die Verwaltung jedoch beauftragt, zu einigen Artikeln neue Formulierungen zu erarbeiten (vgl. Medienmitteilung vom 29. Januar 2021). Sie beantragt ihrem Rat nun mit 7 zu 6 Stimmen, Artikel 6 gegenüber der Fassung des Nationalrats in dem Sinn anzupassen, dass dessen Ergänzungen betreffend Abhängigkeitspotenzial und erleichterter Inhalation nur noch für Tabakprodukte zum Rauchen gelten sollen. Bei Artikel 7 hält die Kommission daran fest, die verbotenen Zutaten im Gesetz selber bzw. in dessen Anhängen zu regeln. Zu Artikel 26a, der die Hersteller verpflichtet, ihre Ausgaben für Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring zu melden, beantragt die Kommission mit 9 zu 3 Stimmen eine gegenüber dem Entwurf des Bundesrates abgeänderte Fassung: Neu sollen nur noch die Gesamtausgaben gemeldet werden müssen, zudem können die Unternehmen ihre Daten in aggregierter Form gemeinsam melden. Es ist keine Delegation an den Bundesrat mehr vorgesehen. Schliesslich hat die Kommission einstimmig eine Verbindungsklausel zur «Volksinitiative Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)» (20.068) in die Vorlage aufgenommen und erklärt den Gesetzesentwurf damit explizit zum indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative. Das Geschäft kommt in der Sommersession in den Ständerat.

Die Volksinitiative zur Tabakwerbung hingegen empfiehlt die Kommission, wie bereits der Bundesrat und auch der Nationalrat, mit 9 zu 4 Stimmen zur Ablehnung; eine Minderheit beantragt die Annahme.

Ausgestaltung des Experimentierartikels sorgfältig abklären

Die Kommission führte die Differenzbereinigung zum Kostendämpfungspaket 1a (19.046; Entwurf 2) fort. Mit 10 zu 1 Stimme bei 1 Enthaltung beantragt die Kommission zu präzisieren, dass die Tarifpartner insbesondere dann von der gesamtschweizerisch einheitlichen Tarifstruktur für ambulante Pauschalen abweichen dürfen, wenn regionale Gegebenheiten dies erfordern (Art. 43 Abs. 5ter und 5quinquies). Bei der Suche nach einer verfassungskonformen Ausgestaltung des Experimentierartikels (Art. 59b) beauftragte die Kommission die Verwaltung mit weiteren Abklärungen.

Anschliessend trat die Kommission einstimmig auf das Kostendämpfungspaket 1b (19.046; Entwurf 1) ein. Insbesondere die Frage der Medikamentenkosten müsse vertieft diskutiert werden, wurde in der Kommission festgehalten. Das Paket 1b betrifft zudem Massnahmen der Tarifpartner zur Steuerung der Kosten und das Beschwerderecht der Versicherer gegen Spitalplanungen. Sie wird die Detailberatung nach der Sommersession aufnehmen.

Mit 11 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung beschloss die Kommission, der Kt. Iv. JU. Die skandalöse Entwicklung der Medikamentenpreise stoppen (19.320) Folge zu geben; das Anliegen soll dann im Rahmen des Pakets 2 der Massnahmen zur Kostendämpfung beraten werden.

Modernisierung der AHV-Aufsicht: Eintreten und Aufnahme der Arbeiten

Die Kommission ist einstimmig auf die Vorlage zur Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und Optimierung in der 2. Säule der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (AHV) eingetreten (19.080). Sie ist einverstanden mit den Grundzügen dieser Vorlage, die eine verstärkte Risikoorientierung in der Aufsicht, eine verbesserte Governance sowie eine zweckmässige Steuerung der Informationssysteme vorsieht. Vor der Beratung der Vorlage hat die Kommission Anhörungen mit Vertretern der Sozialpartner, der kantonalen Ausgleichskassen und des Verbands Schweizerischer Versicherungsbroker durchgeführt.

In der Detailberatung hat die Kommission mit 7 zu 4 Stimmen beschlossen, die Aufgaben der Aufsichtsbehörde bei der Steuerung der Informationssysteme und der Festlegung der Anforderungen an diese Systeme einzuschränken und dafür den Durchführungsstellen mehr Handlungsfreiheiten einzuräumen (Art. 49a und Art. 72a). Ausserdem hat sie sich mit 8 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung gegen einen Antrag ausgesprochen, der die Mandatsdauer der Revisionsstellen von Ausgleichskassen auf maximal fünf Jahre begrenzen wollte (Art. 68 Abs. 1). Die Kommission wird die Detailberatung an der nächsten Sitzung fortsetzen.

Coronavirus: Impfungen vorantreiben, um vorsichtige Öffnungen zu ermöglichen

Noch vor den jüngsten Beschlüssen des Bundesrates diskutierte die Kommission eingehend mit Bundesrat Alain Berset und seinen Fachleuten über die Massnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie. Sie legt grossen Wert darauf, dass die erwarteten wesentlich grösseren Mengen an Impfstoff rasch verabreicht werden. Dies ermöglicht weitere vorsichtige Öffnungsschritte, wobei vor allem die Jugendlichen und jungen Erwachsenen Perspektiven erhalten sollen. Die Kommission beauftragte die Verwaltung darzulegen, wie die Versorgungssicherheit mit Impfstoffen und Medikamenten verbessert werden kann.

Bezogen auf die sozialpolitischen Massnahmen empfiehlt die Kommission dem Bundesrat, die Höchstbezugsdauer für Kurzarbeitsentschädigung rasch von 18 auf maximal 24 Monate zu verlängern, damit die Unternehmen Planungssicherheit erhalten.

Umfassende Anhörungen zur einheitlichen Finanzierung in der Krankenversicherung

Zur einheitlichen Finanzierung der Leistungen im ambulanten und stationären Bereich (Pa. Iv. 09.528), einer der tiefgreifendsten Reformen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, führte die Kommission umfangreiche Anhörungen durch, und zwar mit Vertretungen der Kantone, Städte und Gemeinden, der Versicherer, der Patientinnen und Patienten, der Ärztinnen und Ärzte, der Spitäler, der Pflegeheime und der Spitex. Im Zentrum stand ein Bericht, den das EDI in ihrem Auftrag erarbeitet hatte.

Pflegeinitiative zugunsten des indirekten Gegenvorschlags ablehnen

Mit 8 zu 4 Stimmen empfiehlt die Kommission die Volksinitiative «Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)» (18.079 n) wie bereits der Bundesrat und der Nationalrat zur Ablehnung. Sie verweist auf den indirekten Gegenvorschlag (Geschäft 19.401 n), den das Parlament in der letzten Frühjahrssession verabschiedet hat, und der nach Auffassung der Kommission zielgerichtete Antworten auf Gesetzesebene auf die Herausforderungen im Bereich der Pflege gibt. Die Kommissionsminderheit anerkennt diese Bemühungen, empfiehlt die Volksinitiative aber zur Annahme, da nicht alle Forderungen derselben erfüllt werden.

Nationalbankertrag aus den Negativzinsen nicht für die AHV verwenden

Die Kommission beantragt ihrem Rat mit 7 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung, die Mo.Nationalrat (Heer). Negativzinsen der SNB in die AHV (18.4327) abzulehnen. Auch der pa. Iv. WAK-N. Gewinne der Schweizerischen Nationalbank aus den Straf- respektive Negativzinsen der AHV zuweisen (20.432), welche ein ähnliches Anliegen verfolgt, stimmt die Kommission mit ebenfalls 7 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung nicht zu. Sie wird aber die Auswirkungen der andauernden Negativzinsen auf die Sozialversicherungen weiterverfolgen.

Weitere Geschäfte

Die Kommission hat sich gegen zwingende Vorschriften zum Abbau der Krankenkassenreserven ausgesprochen, welche die Kantone Tessin, Genf, Jura, Freiburg und Neuenburg mittels fünf Standesinitiativen fordern (siehe 20.301). Sie lehnt auch einen obligatorischen Ausgleich von zu hohen Prämieneinnahmen ab, den die fünf Kantone in weiteren Standesinitiativen verlangen (siehe 20.302). Mit je 9 zu 4 Stimmen beantragt sie, den Standesinitiativen keine Folge zu geben. Die Kommission befürwortet den Weg über den freiwilligen Abbau der Reserven, den der Bundesrat am 14. April 2021 beschlossen hat, und wird das Ergebnis dieser Bemühungen verfolgen.

Im Weiteren fasste die Kommission folgende Beschlüsse und Anträge:

- Mo. Nationalrat (SGK-NR). Vermeidung von Doppelspurigkeiten zwischen Branchenlösungen und Überbrückungsleistungen (20.3096) : Annahme (einstimmig);

- Pa. Iv. Nantermod. Organspende dank der Versichertenkarte stärken (18.443): Zustimmung zum Beschluss der SGK-N, Folge zu geben (11 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen); über dieses Anliegen wird im Rahmen der laufenden Revision des Transplantationsgesetzes entschieden;

- Pa. Iv. Nantermod.Höhere Franchisen für alle zugänglich machen (18.486): keine Zustimmung zum Beschluss der SGK-N, Folge zu geben (10 zu 2 Stimmen);

- Pa. Iv. Nantermod. KVG. Mehr Wettbewerb durch mehr Transparenz bei den Preisen (18.487): keine Zustimmung zum Beschluss der SGK-N, Folge zu geben (6 zu 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen);

- Pa. Iv. (Weibel) Bäumle. Gebühr für Bagatellfälle in der Spitalnotfallaufnahme (17.480): keine Folge geben (6 zu 0 bei 5 Enthaltungen);

- Kt. Iv. GE. Zahnärztliche Behandlungen infolge von ärztlichen Behandlungen. Übernahme der Kosten durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung (19.318): keine Folge geben (8 zu 0 bei 4 Enthaltungen);

- Mo. Zanetti Roberto. Ersatzleistungen für befristete Drittbetreuungskosten infolge krankheits- oder unfallbedingter Unfähigkeit zur Betreuung von betreuungsbedürftigen Personen (19.3705): Ablehnung (5 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen).

Die Kommission tagte vom 12. bis 14. April 2021 in Bern unter dem Vorsitz von Rechsteiner Paul (SP, SG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.