Die Ausgleichsmassnahmen für Frauen, die am stärksten vom höheren Rentenalter betroffen sind, sollen auf die ersten sechs Jahrgänge beschränkt werden. Zudem soll ein flexibler Rentenbezug in der AHV auch für Frauen erst ab 63 statt 62 Jahren möglich sein. In diesem Sinne will die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) die AHV21-Vorlage des Bundesrates ändern. Sie schlägt zudem vor, den Plafonds für die Renten von Ehepaaren von 150 auf 155 Prozent der Maximalrente anzuheben.

Die Kommission schloss die Detailberatung der Stabilisierung der AHV (AHV 21; 19.050) nahezu ab. Nachdem sie sich bereits früher für die Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre ausgesprochen hatte, was die AHV im Jahr 2030 um 1,4 Milliarden Franken entlastet, beschloss sie nun im Wesentlichen folgende Anträge:

  • Ausgleichsmassnahmen für Frauen: Die Kommission erörterte mehr als zwei Dutzend Varianten von Ausgleichsmassnahmen zugunsten der Übergangsgeneration von Frauen, die von der Rentenaltererhöhung besonders betroffen ist. Am Schluss übernahm sie mit 6 zu 4 Stimmen bei 3 Enthaltungen das Modell des Bundesrates, der beim Vorbezug und der Rentenformel ansetzt, senkte jedoch die Zahl der begünstigten Frauenjahrgänge von neun auf sechs. Sie reduziert damit die Kosten der Ausgleichsmassnahmen von 700 auf 440 Millionen Franken im Jahr 2030. Für die Beratung im Ständerat wurden sechs Minderheitsanträge eingereicht: Zwei Minderheiten verlangen eine grosszügigere Ausgestaltung des bundesrätlichen Modells (mit Kosten von 1,38 bzw. 2,65 Milliarden Franken); drei Minderheiten beantragen für die Frauen der Übergangsgeneration einen Zuschlag zur Rente, der je nach Pensionierungszeitpunkt zuerst ansteigt, dann stabil bleibt und anschliessend wieder sinkt («Trapezmodelle» mit Kosten von 430, 700 bzw. 2600 Millionen Franken); eine weitere Minderheit kombiniert einen erleichterten Vorbezug der Rente mit einem Rentenzuschlag (Kosten von 600 Millionen Franken).
  • Flexibilisierung des Rentenbezugs: Die Kommission beantragt mit 9 zu 4 Stimmen, dass die AHV-Rente frühestens mit 63 Jahren vorbezogen werden kann; der Bundesrat hatte 62 Jahre vorgeschlagen. Hat jemand weniger als 56 880 Franken im Jahr verdient, soll die Rente beim Vorbezug 40 Prozent weniger stark gekürzt werden als versicherungsmathematisch angebracht wäre. Einstimmig will die Kommission zudem festschreiben, dass der Bundesrat eine generelle Anpassung der Kürzungssätze für den Rentenvorbezug und die Erhöhungsfaktoren für den Rentenaufschub an die versicherungsmathematisch korrekten Werte frühestens auf den 1. Januar 2027 vornimmt.
  • Ehepaarplafonds: Der Plafond für die Renten von Ehepaaren soll von 150 auf 155 Prozent der Maximalrente angehoben werden. So könne eine Ungerechtigkeit gemildert werden, wurde in der Kommission argumentiert (mit 6 zu 3 Stimmen bei 4 Enthaltungen). Die Kosten belaufen sich auf 650 Millionen Franken.

Die Kommission will an ihrer nächsten Sitzung über die Finanzierung der AHV21 befinden, so dass die Vorlage für die Frühjahrssession behandlungsreif ist.

Differenzen beim Tabakproduktegesetz grösstenteils beraten

Nachdem der Nationalrat das Tabakproduktegesetz (15.075) in der vergangenen Wintersession behandelt hat, hat sich nun die SGK-S mit den entstandenen Differenzen befasst. Sie beantragt ihrem Rat in weiten Teilen, an den Beschlüssen des Ständerates festzuhalten. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die Einschränkungen der Werbung (Art. 18), wo die Kommissionsmehrheit die Fassung des Ständerates als schlüssiges Konzept erachtet und deshalb beantragt, an ihren früheren Beschlüssen festzuhalten (mit jeweils 8 zu 5 bzw. 8 zu 4 Stimmen bei den einzelnen Bestimmungen). Zudem stimmt sie den Ergänzungen des Nationalrates in Bezug auf weitere Orte, an denen die Werbung für Tabakprodukte und E-Zigaretten verboten sein soll, mehrheitlich zu (Art. 18 Abs. 1bis Bst. c-g). Eine Minderheit beantragt, beim ganzen Artikel 18 dem Nationalrat zu folgen, aber auf dessen Ergänzungen in Absatz 1bis zu verzichten. Weiter ist die Kommission einverstanden mit der Ausnahme für Zigarren und Zigarillos bei der Verkaufsförderung (Art. 18a) sowie mit der Verschärfung der Sponsoring-Verbote in Artikel 18b (Veranstaltungen, die auf ein minderjähriges Publikum abzielen). Im Gegensatz zum Nationalrat will sie den Kantonen jedoch auch in Zukunft die Möglichkeit geben, in ihren Regelungen über die Vorschriften des Bundes hinauszugehen (Art. 20, mit 11 zu 1 Stimmen). Im Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen schliesslich beantragt sie dem Ständerat, die vom Nationalrat neu aufgenommenen Absätze wieder zu streichen.

Zu den Artikeln 6 und 7 betreffend die verbotenen Zutaten von Tabakprodukten hat die Kommission die Verwaltung mit weiteren Abklärungen dazu beauftragt, was in den umliegenden Ländern für Regelungen gelten und welche Konsequenzen die Anpassungen des Nationalrats hätten. Schliesslich hat sie den Entscheid darüber ausgesetzt, ob das Gesetz mit der «Volksinitiative Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)» (20.068) verknüpft werden soll. Sie wird die Arbeiten an der Vorlage voraussichtlich im 2. Quartal fortsetzen.

Ständerat muss über Listen säumiger Prämienzahlender entscheiden

Die Kommission nahm die Ergebnisse der Vernehmlassung über ihren Vorentwurf zur Kenntnis, den sie ausgehend von der Standesinitiative Thurgau 16.312 Ergänzung von Artikel 64a des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung betreffend Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten ausgearbeitet hatte (siehe Ergebnisbericht). Einstimmig verabschiedete sie den Entwurf, zu dem nun der Bundesrat Stellung nehmen und den der Ständerat anschliessend in der Sommersession beraten kann. Die Kommission hält in folgenden Punkten an der Vernehmlassungsvorlage fest:

  • Junge Erwachsene sollen nicht für Prämienausstände belangt werden können, die in der Zeit ihrer Minderjährigkeit entstanden sind.
  • Die Zahl der Betreibungen soll begrenzt werden. Aufgrund der Rückmeldungen in der Vernehmlassung senkt die Kommission die Limite jedoch von vier auf zwei Betreibungen pro Jahr.
  • Säumige Versicherte sollen in einem Modell mit eingeschränkter Wahlfreiheit des Leistungserbringers versichert werden.
  • Die Kantone sollen, wenn sie dies wünschen, die Verlustscheine übernehmen und selbst bewirtschaften können. Dafür sollen sie den Versicherern 90 Prozent der ausstehenden Forderungen vergüten.

Anders als ursprünglich vorgeschlagen will es die Kommission den Kantonen aus föderalistischen Überlegungen weiterhin ermöglichen, Listen von Versicherten zu führen, die ihre Prämien nicht bezahlen. Dies beschloss sie mit 8 zu 5 Stimmen; eine Minderheit beantragt die Abschaffung dieser Listen. Erst recht nach der Vernehmlassung hat sich gezeigt, dass in dieser umstrittenen Frage das Plenum des Ständerates entscheiden wird. Einig ist sich die Kommission, dass Minderjährige nicht auf den Listen säumiger Prämienzahlender geführt werden sollen. Entsprechend beantragt sie ohne Gegenantrag, die Motion 19.4290 n Mo. Nationalrat (Barrile). Medizinische Leistungen für alle Kinder! anzunehmen.

Rechte der Versicherten bei Pilotprojekten gewahrt

In der ersten Runde der Differenzbereinigung zum Paket 1a der Massnahmen zur Kostendämpfung in der Krankenversicherung (19.046; Entwurf 2) unterstützt die Kommission im Grundsatz die Einführung von Pauschaltarifen für ambulante Behandlungen, die auf einer eigenen, landesweit einheitlichen Tarifstruktur beruhen (Art. 43 Abs. 5); bei der Ausgestaltung weicht sie aber vom Nationalrat ab. Was die Pilotprojekte betrifft, schliesst sich die Kommission dem Nationalrat bei den Bestimmungen an, welche die Rechte der Versicherten garantieren. Hingegen lehnt sie eine abschliessende Aufzählung von Bereichen, in denen Pilotprojekte vom Gesetz abweichen können, ab (Art. 59b).

Ohne Gegenstimme beantragt die Kommission, die Mo. Nationalrat (Hess Lorenz). KVG. Intransparenzabzug für Leistungserbringer, die den Patienten keine Rechnungskopie zustellen (18.3777) abzulehnen, da das Anliegen im Kostendämpfungspaket 1a bereits erfüllt wird.

Die Kommission hat die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes bezüglich Cannabisarzneimittel (n 20.060) mit 10 Stimmen bei 1 Enthaltung in der Gesamtabstimmung angenommen. Sie schliesst sich vollständig dem Beschluss des Nationalrates an: Neu sollen Ärztinnen und Ärzte Cannabisarzneimittel verschreiben können; heute braucht es für die Behandlung zumeist eine Ausnahmebewilligung.

Die Kommission tagte vom 27. bis 29. Januar 2021 in Bern unter dem Vorsitz von Rechsteiner Paul (SP, SG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.