​​Das Parlamentsrecht kennt drei Ausstandspflichten.

Das Parlament erlässt nicht nur Gesetze, sondern führt auch Verfahren durch, welche die Rechtsstellung einzelner Personen unmittelbar berühren. Gemäss Artikel 29 Absatz 1 der Bundesverfassung hat jede Person in Verfahren, in denen über individuelle Rechte und Pflichten entschieden wird, Anspruch auf ein faires Verfahren. Die Betroffenen haben das Recht, den Ausstand befangener Entscheidungsträger zu verlangen.

Das Parlamentsrecht selbst kennt drei Ausstandsregeln:

Die Ausstandsregeln dienen der Glaubwürdigkeit und der Akzeptanz von Massnahmen und verhindern die Instrumentalisierung des jeweiligen Gremiums für die Vertretung von persönlichen Interessen.

Historisches und eine Gegenüberstellung

Bis 2002 hielt das Geschäftsreglement des Nationalrates fest, dass Nationalratsmitglieder, deren Wahl angefochten wurde, im provisorischen Büro und im Rat während der Behandlung der Wahlbeschwerde in den Ausstand treten müssen. Im Rahmen der Justizreform wurde die Zuständigkeit für den ​Entscheid über Wahlbeschwerden vom Nationalrat an das Bundesgericht übertragen; damit ​wurden auch die die Wahlbeschwerde regelnden Bestimmungen aus dem Geschäftsreglement gestrichen.

Von 2003 bis 2011 kannte das Parlamentsrecht keine Ausstandspflichten, sondern lediglich die Unvereinbarkeit und die Offenlegungspflicht.

Quellen

  • Verfahren der Amtsenthebung von Richterinnen und Richtern an erstinstanzlichen Gerichten des Bundes. Prof Dr. R. Kiener, Gutachten im Auftrag der Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung vom 7. November 2007, S. 23.
  • Zum Zweck der Ausstandspflicht, vgl. Ines Stocker, Art. 11a, N 4, in: Graf/Theler/von Wyss (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis der Schweizerischen Bundesversammlung, Kommentar zum Parlamentsgesetz (ParlG) vom 13. Dezember 2002, Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel 2014, S. 95 sowie Thomas Sägesser, Art. 20 N 5, in Thomas Sägesser, Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG), Stämpfli Verlag AG Bern 2007, S. 247.
  • Zum Zweck der Offenlegungspflicht, vgl. Katrin Nussbaumer, Art. 11 N 5, in: Graf/Theler/von Wyss (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis der Schweizerischen Bundesversammlung, Kommentar zum Parlamentsgesetz (ParlG) vom 13. Dezember 2002, Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel 2014, S. 89.