​​​​​Als Verfassungsgeber fungieren in der Schweiz Volk und Stände. Die schweizerische Verfassung kann jederzeit revidiert werden; es bestehen keine zeitlichen Schranken. Eine materielle Schranke bildet das zwingende Völkerrecht: Verfassungsänderungen dürfen dieses nicht verletzen.

Die Bundesverfassung kann total- oder teilrevidiert werden.

​I. Totalrevision Der Verfassung

Den Anstoss zur Totalrevision der Verfassung können geben:

Über die Durchführung einer Totalrevision entscheidet das Volk, wenn die Initiative vom Volk ausgeht oder wenn sich die beiden Räte über eine Totalrevision uneinig sind (Art. 193 Abs. 2 BV). Stimmt das Volk der Durchführung der Totalrevision zu, werden National- und Ständerat sowie der Bundesrat neu gewählt (Art. 193 Abs. 3 BV). Die Totalrevision wird anschliessend von den neu gewählten Behörden umgehend an die Hand genommen.

Der ausgearbeitete Verfassungsentwurf wird von den Räten im gewöhnlichen Gesetzgebungsverfahren beraten (Art. 192 Abs. 2 BV). Der so durchberatene und verabschiedete Verfassungsentwurf wird Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet (Art. 140 Abs. 1 Bst. a BV).

Stimmen Volk und Stände der neuen Verfassung zu, tritt diese – soweit im Bundesbeschluss nichts anderes bestimmt wird – am Tag der Annahme in Kraft (Art. 195 BV). Lehnen sie sie hingegen ab, ist die Verfassungsrevision gescheitert und die alte Verfassung bleibt in Kraft.

 

Fakten und Zahlen

Totalrevisionen mit Neudatierung der Verfassung

Die erste Verfassung der Eidgenossenschaft wurde 1848 erlassen. 1874 wurde sie erstmals totalrevidiert. Die zweite und bisher letzte Totalrevision, welche auch eine Neudatierung zur Folge hatte, erfolgte im Jahr 1999.

Totalrevisionen ohne Neudatierung der Verfassung

Die Justizreform (2000) und die Föderalismusreform (2004) wurden als Totalrevisionen eingestuft und gemäss dem für eine Totalrevision geltenden Verfahren erlassen. In keinem der beiden Fälle wurde die Verfassung jedoch neu datiert (vgl. hierzu Giovanni Biaggini, Art. 192 N 8, in: Giovanni Biaggini, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Orell Füssli, Zürich 2017, S. 1480).

II. Teilrevision der Verfassung

Auch eine Teilrevision der Verfassung kann

  • vom Volk – d. h. von 100 000 Stimmberechtigten – (Art. 139 Abs. 1 BV) oder
  • von einem Ratsmitglied, einer Fraktion, einer Kommission, dem Bundesrat oder einem Kanton

initiiert werden.

II.1. Volksinitiative

Bei einer Volksinitiative auf Teilrevision der Verfassung muss die Bundesversammlung zunächst die Gültigkeit der Volksinitiative prüfen. Verletzt sie die Einheit der Form, die Einheit der Materie oder zwingende Bestimmungen des Völkerrechts, wird sie von der Bundeversammlung ganz oder teilweise für ungültig erklärt (Art. 139 Abs. 3 BV). Ist die Initiative ganz ungültig, wird sie Volk und Ständen nicht zur Abstimmung unterbreitet. Sind nur Teile gültig, werden diese Volk und Ständen zur Abstimmung vorgelegt.

Eine Volksinitiative auf Teilrevision der Verfassung kann als fertig ausgearbeiteter Entwurf oder als allgemeine Anregung formuliert sein (Art. 139 Abs. 2 BV).

  • Bei einer Volksinitiative in Form eines ausgearbeiteten Entwurfes beschliesst die Bundesversammlung innerhalb von 30 Monaten nach der Einreichung, ob sie die Initiative für gültig erklärt und, falls dem so ist, ob sie die Initiative Volk und Ständen zur Annahme oder zur Ablehnung empfiehlt (Art. 100 ParlG). Sie kann der Volksinitiative auch einen Gegenvorschlag ​gegenüberstellen (Art. 101 Abs. 1 ParlG). Fasst ein Rat über einen Gegenvorschlag oder über einen mit der Volksinitiative eng zusammenhängenden Erlassentwurf Beschluss, so kann die Bundesversammlung die Behandlungsfrist um ein Jahr verlängern (Art. 105 Abs. 1 ParlG). ​
  • Bei einer Volksinitiative in Form einer allgemeinen Anregung entscheidet die Bundesversammlung​ innerhalb von zwei Jahren, ob sie die Initiative für gültig erklärt und, falls dem so ist, ob sie ihr zustimmt (Art. 103 Abs. 1 ParlG). Ist sie mit der Initiative einverstanden, arbeitet sie einen entsprechenden Verfassungstext aus und unterbreitet diesen Volk und Ständen zur Abstimmung (Art. 104 Abs. 1 ParlG). Lehnt die Bundesversammlung die Volksinitiative jedoch ab, unterbreitet sie diese dem Volk zur Abstimmung (Art. 103 Abs. 2 ParlG). Letzteres entscheidet, ob der Initiative Folge zu geben ist. Stimmt das Volk zu, muss die Bundesversammlung eine entsprechende Vorlage ausarbeiten und diese Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreiten (Art. 104 Abs. 1 ParlG).

Die meisten Volksinitiativen werden in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht.

II.2. Vorlage einer Behörde

Ein vom Bundesrat initiierter und ausgearbeiteter Entwurf für eine Teilrevision der Verfassung oder ein von einem Ratsmitglied, einer Fraktion, einer Kommission oder einem Kanton initiierter und von einer Kommission ausgearbeiteter Verfassungsentwurf wird von den Räten im gewöhnlichen Gesetzgebungsverfahren beraten (Art. 192 Abs. 2 BV) und anschliessend Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet (Art. 140 Abs. 1 Bst. a BV).

Sofern die Vorlage nichts anderes bestimmt, treten Änderungen der Bundesverfassung mit der Annahme durch Volk und Stände in Kraft (Art. 195 BV).

​Fakten und Zahlen

Faktenblatt: Verfassungsgebung (PDF)