Die Bundesversammlung ist an der Gestaltung der Aussenpolitik beteiligt und beaufsichtigt die Pflege der Beziehungen zum Ausland. Sie genehmigt völkerrechtliche Verträge, pflegt die Beziehung zu ausländischen Parlamenten und wirkt in internationalen parlamentarischen Versammlungen mit.

I. Information und Konsultation​

Die für die Aussenpolitik zuständigen Kommissionen und der Bundesrat pflegen den gegenseitigen Kontakt und Meinungsaustausch (Art. 152 Abs. 1 ParlG). Der Bundesrat informiert die Ratspräsidien und die für die Aussenpolitik zuständigen Kommissionen regelmässig über wichtige aussenpolitische Entwicklungen (Art. 152 Abs. 2 ParlG). Er konsultiert sie zudem zu wesentlichen Vorhaben und informiert sie auch über deren Realisierung (Art. 152 Abs. 3 ParlG).

II. Genehmigung von völkerrechtlichen Verträgen

Als Grundsatz gilt, dass völkerrechtliche Verträge von der Bundesversammlung zu genehmigen sind («ordentliches Verfahren» genannt, Art. 166 Abs. 2 Satz 1 BV). Durch Bundesgesetze oder von der Bundesversammlung genehmigte völkerrechtliche Verträge kann der Bundesrat jedoch zum selbstständigen Vertragsabschluss ermächtigt werden («vereinfachtes Verfahren» genannt, Art. 166 Abs. 2 Satz 2 BV).

«Völkerrechtliche Verträge» sind hier in einem weiten Sinn zu verstehen; zu ihnen gehören u. a. Beitritte zu internationalen Organisationen oder Rechtsakte, mit denen Regelungen des EU-Rechts übernommen werden. Mit der «Genehmigung eines völkerrechtlichen Vertrages» ist nicht nur der Abschluss, sondern auch die Änderung und die Kündigung eines Vertrages gemeint.

II.1. Ordentliches Verfahren


Der Bundesrat konsultiert die für die Aussenpolitik zuständigen Kommissionen zu den Richt- und Leitlinien für das von ihm anvisierte Verhandlungsmandat (Art. 152 Abs. 3 ParlG). Er leitet sodann die Vertragsverhandlungen, nimmt den Vertragstext an, unterzeichnet ihn und unterbreitet ihn der Bundesversammlung zur Genehmigung (Art. 184 Abs. 2 BV).

Die Bundesversammlung kann einen Vertrag grundsätzlich nur als Ganzes genehmigen oder ablehnen. Lässt der Vertrag dies jedoch zu, kann die Bundesversammlung den Bundesrat verpflichten, einen Vorbehalt einzubringen.

Sind sich die Räte in Bezug auf die Genehmigung eines völkerrechtlichen Vertrages nicht einig, ist die zweite Ablehnung durch einen Rat endgültig (Art. 95 Bst. c ParlG).

Völkerrechtliche Verträge, die dem obligatorischen oder fakultativen Referendum unterliegen, genehmigt die Bundesversammlung in Form eines Bundesbeschlusses, andere völkerrechtliche Verträge in Form eines einfachen Bundesbeschlusses (Art. 24 Abs. 3 ParlG).

Dem obligatorischen Staatsvertragsreferendum untersteht der Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften (Art. 140 Abs. 1 Bst. b BV). Dem fakultativen Referendum unterstehen völkerrechtliche Verträge, die (Art. 141 Abs. 1 Bst. d BV):

  • unbefristet und unkündbar sind,
  • den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder
  • wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert.

Wurde der Vertrag von der Bundesversammlung genehmigt und in einer allfälligen Referendumsabstimmung gutgeheissen, kann er vom Bundesrat ratifiziert und in Kraft gesetzt werden.

Dringliche Anwendung

Wenn die Wahrung wichtiger Interessen der Schweiz und eine besondere Dringlichkeit es gebieten, kann der Bundesrat die vorläufige Anwendung eines völkerrechtlichen Vertrages – für dessen Genehmigung die Bundesversammlung zuständig ist – beschliessen oder vereinbaren (Art. 7b Abs. 1 RVOG). Dafür konsultiert er vorgängig die zuständigen Kommissionen (Art. 152 Abs. 3bis ParlG).

Sprechen sich beide Kommissionen oder nur eine dafür aus, kann der Bundesrat den Vertrag vorläufig anwenden. Wenn sich beide Kommissionen dagegen aussprechen, muss er darauf verzichten (Art. 152 Abs. 3bis ParlG).

Die vorläufige Anwendung endet von Gesetzes wegen, wenn der Bundesrat nicht binnen sechs Monaten seit Beginn der vorläufigen Anwendung der Bundesversammlung den Entwurf des Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Vertrags unterbreitet (Art. 7b Abs. 2 RVOG).

II.2. Vereinfachtes Verfahren

Durch ein Gesetz oder einen von der Bundesversammlung genehmigten völkerrechtlichen Vertrag kann der Bundesrat zum selbstständigen Vertragsabschluss ermächtigt werden (Art. 166 Abs. 2 BV). Eine derartige Kompetenzübertragung ist jedoch von Verfassungs wegen ausgeschlossen, wenn ein solcher Vertrag dem Referendum untersteht.

Der Bundesrat erstattet der Bundesversammlung jährlich Bericht über die von ihm abgeschlossenen Verträge (Art. 48a Abs. 2 RVOG). Die Räte nehmen Kenntnis vom Bericht. Erachtet sich die Bundesversammlung für die Genehmigung eines Vertrages als zuständig, kann sie den Bundesrat mittels Motion beauftragen, ihr einen Vertrag nachträglich im ordentlichen Verfahren zu unterbreiten.

weiterführende Informationen

III. Parlamentarische Aussenpolitik

Die Bundesversammlung wirkt in internationalen parlamentarischen Versammlungen und Konferenzen mit und pflegt den Kontakt zu ausländischen Parlamenten (Art. 24 Abs. 4 ParlG).

Ständige Delegationen vertreten die Bundesversammlung in folgenden internationalen parlamentarischen Versammlungen (Art. 2 VPiB):

  • Interparlamentarische Union (IPU);
  • Parlamentarische Versammlung des Europarates (PV-ER);
  • Parlamentarischer Ausschuss der Europäischen Freihandelsassoziation (PA-EFTA);
  • Parlamentarische Versammlung der Frankophonie (APF);
  • Parlamentarische Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (PV-OSZE);
  • Parlamentarische Versammlung des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses (PV-NATO).

Darüber hinaus haben die Räte eine ständige parlamentarische Delegation für die Teilnahme an Aktivitäten im Rahmen der OECD – PD-OECD​ eingesetzt.​ In weitere internationale parlamentarische Institutionen und Konferenzen können Ad-hoc-Delegationen entsandt werden (Art. 5 Abs. 1 Bst. a VPiB).

Für die Pflege der Beziehungen mit den Parlamenten der Nachbarländer hat die Bundesversammlung ständige Delegationen eingesetzt (Art. 4 VPiB). Für den Austausch mit den Parlamenten anderer Staaten sind die Aussenpolitischen Kommissionen zuständig (Art. 1 Abs. 1 VPiB).

Eine wichtige Rolle in der parlamentarischen Aussenpolitik kommt zudem den Ratspräsidenten und Ratspräsidentinnen zu. In Begleitung von Parlamentarierdelegationen besuchen sie ihre Amtskollegen und Amtskolleginnen oder empfangen Besuchsdelegationen anderer Parlamente in der Schweiz.

Weiterführende Informationen

E-Dossier: Internationales

Quellen

  • Abschnitt «Genehmigung von völkerrechtlichen Verträgen»: Daniel Thürer, Art. 166 N 41, in: Ehrenzeller/Schindler/Schweizer/Vallender (Hrsg.), Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, Schulthess, Zürich/Basel/Genf 2014, S. 2716; Luzian Odermatt/Esther Tophinke, Art 23 N 7 in: Graf/Theler/von Wyss (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis der Schweizerischen Bundesversammlung, Kommentar zum Parlamentsgesetz (ParlG) vom 13. Dezember 2002, Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel 2014, S. 199; Thomas Sägesser, Art. 7a N 7, in: Thomas Sägesser, Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG), Stämpfli Verlag AG Bern 2007, S. 123 f.; 99.419 Parlamentarische Initiative: Geschäftsverkehrsgesetz, Anpassungen an die neue BV, Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 7. Mai 1999, BBL 1999 IV 4830.