​​Die Vereinigte Bundesversammlung wählt die Richterinnen und Richter des Bundesgerichts, des Bundesstrafgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundespatentgerichts für eine Amtsdauer von 6 Jahren sowie die Mitglieder des Militärkassationsgerichts für eine Amtsdauer von 4 Jahren. Die Wahlen finden jeweils vor Beginn der neuen Amtsdauer für die verschiedenen Gerichte getrennt statt.

Vakanzen während der Amtsdauer werden für den Rest der Amtsdauer wiederbesetzt.

I. Gesamterneuerungswahlen

I.1. Zeitpunkt

Die Mitglieder der eidgenössischen Gerichte werden für eine Amtsdauer von 6 (Art. 145 BV; Art. 9 Abs. 1 VGG; Art. 48 Abs. 1 StBOG; Art. 13 Abs. 1 PatGG) bzw. 4 Jahren (Art. 14 Abs. 1 MStP) gewählt, somit finden alle 6 resp. 4 Jahre Gesamterneuerungswahlen statt.

Die Wahlen finden für die verschiedenen Gerichte getrennt statt (Art. 135 Abs. 1 ParlG). Ebenfalls getrennt gewählt werden die vollamtlichen und die nebenamtlichen Richterinnen und Richter eines Gerichts (Art. 135 Abs. 1 ParlG).

I.2. Wählbarkeit

Wählbar sind alle Stimmberechtigten, d. h. alle Schweizerinnen und Schweizer, die das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und die nicht wegen dauernder Urteilsunfähigkeit unter umfassender Beistandschaft stehen oder durch eine vorsorgebeauftragte Person vertreten werden (Art. 143 BV; Art. 5 Abs. 2 VGG; Art. 42 Abs. 2 StBOG; Art. 9 Abs. 2 PatGG; Art. 136 BV; Art. 2 BPR).

Richterinnen und Richter des Bundespatentgerichts müssen zudem über ausgewiesene Kenntnisse auf dem Gebiet des Patentrechts verfügen (Art. 8 Abs. 1 PatGG) und es muss auf eine angemessene Vertretung der technischen Sachgebiete und der Amtssprachen geachtet werden (Art. 9 Abs. 3 PatGG).

Als Richter und Ersatzrichter des Militärkassationsgerichts werden Angehörige der Armee oder des Grenzwachtkorps gewählt (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 MStP). Sie müssen ein juristisches Studium mit einem Lizentiat oder Master einer schweizerischen Hochschule abgeschlossen haben oder über ein kantonales Anwaltspatent verfügen (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 MStP). Auch Justizoffiziere können zu Richtern oder Ersatzrichtern gewählt werden (Art. 14 Abs. 2 Satz 3 MStP).

I.3. Wahlorgan

Die Mitglieder der eidgenössischen Gerichte werden von der Vereinigten Bundesversammlung, d. h. den im Nationalratssaal vereinigten National- und Ständeräten, gewählt (Art. 168 Abs. 1 BV; Art. 5 Abs. 1 VGG; Art. 42 Abs. 1 StBOG; Art. 9 Abs. 1 PatGG; Art. 14 Abs. 1 MStP; Art. 157 Abs. 1 Bst. a BV).

I.4. Vorbereitung der Wahlen

Die Wahlen werden von der Gerichtskommission vorbereitet (Art. 40a Abs. 1 ParlG). Diese schreibt die freiwerdende Richterstelle öffentlich aus und unterbreitet der Vereinigten Bundesversammlung Wahlvorschläge (Art. 40a Abs. 2 ParlG).

Die Gerichtskommission ist eine Kommission der Vereinigten Bundesversammlung und setzt sich aus zwölf Mitgliedern des Nationalrates und aus fünf Mitgliedern des Ständerates zusammen (Art. 39 Abs. 4 ParlG).

I.5. Wahlverfahren

Im Rahmen einer Gesamterneuerung wird unterschieden zwischen der Wiederwahl bisheriger Richterinnen und Richter (vgl. Abschnitt I.5.1) und der Ergänzungswahl, die erfolgt, wenn eine Vakanz entstanden ist oder wenn amtierende Richterinnen oder Richter nicht wiedergewählt worden sind (vgl. Abschnitt I.5.2).

Die Stimmabgabe bei Wahlen ist geheim (Art. 130 Abs. 1 ParlG). Die Ratsmitglieder erhalten Wahlzettel, die dann von den Ratsweibelinnen und Ratsweibeln in verschlossenen Urnen eingesammelt werden.

I.5.1. Verfahren bei der Wiederwahl

Bei der Wiederwahl dient als Wahlzettel eine Namensliste der Mitglieder, die sich für das Amt wieder zur Verfügung stellen (Art. 136 Abs. 1 ParlG). Sie werden in der Reihenfolge ihres Amtsalters aufgeführt (Art. 136 Abs. 1 ParlG).

Die Wählenden können Kandidierende streichen, jedoch keine zusätzlichen Namen auf die Liste setzen (Art. 136 Abs. 2 Satz 1 ParlG).

Wahlzettel, auf denen alle Namen gestrichen sind, bleiben gültig und zählen für die Berechnung des absoluten Mehrs (Art. 136 Abs. 2 Satz 2 ParlG).

Es findet nur ein Wahlgang statt (Art. 136 Abs. 3 Satz 1 ParlG). Kandidierende, die das absolute Mehr nicht erreichen, d. h. ihr Name steht auf weniger als der Hälfte der gültigen Wahlzettel, können in der Ergänzungswahl erneut antreten (Art. 136 Abs. 3 Satz 2 ParlG).

Fakten und Zahlen 

Es ist eher selten, dass Richterinnen oder Richter, die sich einer Wiederwahl stellen, nichtwiedergewählt werden. In jüngerer Vergangenheit schafften lediglich zwei Richter die Wiederwahl nicht: 1990 Martin Schubarth (AB 1990 VBVers 2520 f.) und 1995 Hans Willi (AB 1995 VBVers 2767 f.). Ersterer wurde jedoch in der eine Woche später stattfindenden Ergänzungswahl doch noch gewählt (AB 1990 VBVers 2521 f.).

2020 stellte die Fraktion der Schweizerischen Volkspartei den Antrag Bundesrichter Yves Donzallaz (SVP) nicht wiederzuwählen. Dieser Antrag wurde jedoch von den anderen Fraktionen nicht unterstützt (AB 2020 VBVers XX).

I.5.2. Verfahren bei der Ergänzungswahl

Werden dem Büro der Vereinigten Bundesversammlung bis am Vortag der Wahl nicht mehr Kandidierende gemeldet, als Sitze offen sind, und werden bei der Wiederwahl der bisherigen Mitglieder keine Sitze frei, dient bei der Ergänzungswahl als Wahlzettel eine Namensliste mit den Kandidierenden in alphabetischer Reihenfolge (Art. 137 Abs. 2 ParlG).

Werden hingegen bei Wiederwahlen ein oder mehrere Sitze frei, oder werden dem Büro der Vereinigten Bundesversammlung mehr Kandidierende gemeldet, als Sitze frei sind, dient eine unbeschriebene Liste mit der Anzahl Linien der zu besetzenden Sitze als Wahlzettel (Art. 137 Abs. 2 ParlG).

Gewählt ist, wer das absolute Mehr erreicht, d. h. wessen Name auf mehr als der Hälfte der gültigen Wahlzettel steht. In den beiden ersten Wahlgängen können alle wählbaren Personen gewählt werden, vom dritten Wahlgang an sind keine weiteren, d. h. neue Kandidaturen zulässig (Art. 137 Abs. 3 Satz 2 ParlG).

Aus der Wahl scheidet aus (Art. 137 Abs. 4 ParlG):

  • ab dem zweiten Wahlgang: wer weniger als zehn Stimmen erhält;
  • ab dem dritten Wahlgang, sofern mehr Kandidaturen als freie Sitze vorhanden sind: wer die geringste Stimmenzahl erhält, es sei denn, mehr als eine Person vereinige diese Stimmenzahl auf sich.

II. Besetzung Von Vakanzen

II.1. Gründe für Vakanzen

Vakanzen während der Amtsdauer entstehen aufgrund:

  • eines Rücktritts,
  • des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze,
  • eines Todesfalls oder
  • einer Amtsenthebung.


Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze: Richterinnen und Richter der zivilen eidgenössischen Gerichte scheiden spätestens am Ende jenes Jahres aus ihrem Amt aus, in welchem sie das 68. Altersjahr vollenden (Art. 9 Abs. 2 BGG; Art. 9 Abs. 2 VGG; Art. 48 Abs. 2 StBOG; Art. 13 Abs. 2 PatGG).

Amtsenthebung: Die Vereinigte Bundesversammlung kann einen Richter oder eine Richterin des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundesstrafgerichts und des Bundespatentgerichts (nicht aber des Bundesgerichts) vor Ablauf der Amtsdauer des Amtes entheben, wenn er oder sie (Art. 10 VGG; Art. 49 StBOG; Art. 14 PatGG):

  • vorsätzlich oder grob fahrlässig Amtspflichten schwer verletzt oder
  • die Fähigkeit, das Amt auszuüben, auf Dauer verloren hat.

II.2. Amtsdauer

Frei gewordene Richterstellen werden für den Rest der Amtsdauer besetzt.

II.3. Wahlverfahren

Bei der Besetzung von Vakanzen kommt das Verfahren der Ergänzungswahl zur Anwendung  (vgl. Abschnitt I.5.2 [Art. 137 Abs. 1 ParlG]).

Quellen

  • Katrin Marti, Die Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung, in: Justice- Justiz- Guistizia 2010/1.
  • Katrin Marti, Art. 40a, in: Graf/Theler/von Wyss (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis der Schweizerischen Bundesversammlung, Kommentar zum Parlamentsgesetz (ParlG) vom 13. Dezember 2002, Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel 2014, S. 341 ff.