Die parlamentarische Versammlung der OSZE (PV OSZE) ist ein Forum für den Dialog und die interparlamentarische Zusammenarbeit, das sich mit folgenden Themen befasst: Sicherheit (Konfliktprävention und Rüstungskontrolle), Unterstützung der Wirtschaftsentwicklung und der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen sowie Förderung der Wahrung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten. Die Versammlung vereint über 320 Parlamentsmitglieder aus 57 Ländern Europas, Asiens und Nordamerikas.

Die PV OSZE wurde 1991 von den Vorsitzenden der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gegründet, die damals noch Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) hiess. Ihre Tätigkeit basiert auf der Schlussakte von Helsinki von 1975 und steht im Einklang mit der Pariser Charta für ein neues Europa von 1990.

Zielsetzungen der PV OSZE

Die parlamentarische Versammlung verfolgt mehrere Ziele:

  • die Umsetzung der Ziele der OSZE evaluieren;
  • über die Themen des Ministerrats der OSZE und der Treffen der Staats- und Regierungsvorsitzenden diskutieren;
  • Mechanismen zur Vorbeugung und Beilegung von Konflikten fördern und entwickeln;
  • auf die Stärkung und Festigung der demokratischen Institutionen in den OSZE-Staaten hinwirken;
  • den demokratischen Ablauf der Wahlen in den OSZE-Staaten sicherstellen;
  • zur Entwicklung der institutionellen Strukturen der OSZE beitragen und die Beziehungen zwischen den bestehenden OSZE-Institutionen fördern.

Zur Erreichung dieser Ziele verabschiedet die Versammlung an ihrer Jahrestagung im Juli jeweils eine Schlusserklärung, die sie an den Ministerrat der OSZE und an die Parlamente der Teilnehmerstaaten richtet. Diese Erklärung umfasst die Resolutionen, welche die Berichterstattenden der Ausschüsse und die Mitglieder der PV OSZE ausarbeiten. Die Ausschüsse befassen sich auch mit Themen von internationaler Aktualität. Zudem sind verschiedene Programme zur Entwicklung und Stärkung der Demokratie ins Leben gerufen worden. So schickt die Versammlung regelmässig Wahlbeobachterinnen und -beobachter in Länder, in denen Wahlen stattfinden, und entsendet sie Sondermissionen in Gebiete mit schwelenden oder offenen Krisen.

Arbeitsweise der PV OSZE

Die PV OSZE kommt jeweils Anfang Juli zur Vollversammlung in einem ihrer Teilnehmerstaaten zusammen. Daneben hält sie jährlich eine Winter- und eine Herbsttagung ab. Die Arbeit der Versammlung wird in drei Ausschüssen vorbereitet, die den drei Dimensionen der Schlussakte von Helsinki entsprechen (Sicherheit, Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Staaten, Menschenrechte):

Die Versammlung verfügt über mehrere Ad-hoc-Ausschüsse. Diese behandeln Themen, die eine besondere Aufmerksamkeit der Parlamente verdienen, wie Migration, Terrorismusbekämpfung oder der eigene institutionelle Betrieb.

Die Sonderbeauftragten dienen bei regionalen und aktuellen Problemen als Kontaktpersonen. Sie koordinieren die Arbeiten der Versammlung und stellen sicher, dass diese in den entsprechenden Angelegenheiten zweckmässig handelt. Es werden mehrere Regionen und Themen abgedeckt, so gibt es unter anderem Sonderbeauftragte für den Mittelmeerraum, für Südosteuropa, für Gleichstellungsfragen sowie für die Bekämpfung des Menschenhandels, des Antisemitismus und der Korruption.

Aufgabe der PV-OSZE-Delegation

Die Schweizer Delegation vertritt die nationalen Interessen, indem sie sich im Rahmen der Beratungen der PV OSZE einbringt. Sie ist Urheberin zahlreicher Resolutionen, die von der parlamentarischen Versammlung verabschiedet wurden und welche die Wahrung der Menschenrechte, die politisch-militärischen Aspekte der Sicherheit oder die Good Governance zum Gegenstand haben. Um diese Aufgabe erfolgreich zu erfüllen, unterhält sie enge Kontakte zu den Vertreterinnen und Vertretern der Bundesverwaltung. Ausserdem tauscht sie sich regelmässig mit den anderen Delegationen bei der PV OSZE und den höchsten OSZE-Instanzen aus. Darüber hinaus nehmen die Mitglieder der Delegation an den Wahlbeobachtungsmissionen teil, die von der PV OSZE in Zusammenarbeit mit dem Büro der OSZE für demokratische Institutionen und Menschenrechte (Office for Democratic Institutions and Human Rights, ODIHR) durchgeführt werden.


Jahressession der OSZE PV

Schweizer Delegation drängt auf besseren Schutz vor Gewalt

Ratsmitglieder aus der ganzen Welt kommen zur Jahressession der parlamentarischen Versammlung der OSZE PV zusammen. Die Schweizer Delegation will zwei Voten einbringen: Die eine verlangt einen besseren Schutz für Frauen vor häuslicher Gewalt, die andere eine bessere Kontrolle über Sicherheitskräfte.

Weltweit ist schätzungsweise jede dritte Frau Opfer körperlicher Gewalt. Die Täter kommen oft aus der eigenen Familie. 2011 wurde deshalb das «Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt», kurz Istanbul-Konvention, als europaweit erstes juristisch bindendes Instrument in diesem Bereich verabschiedet.

Seit Ausbruch der Covid-Pandemie hat die häusliche Gewalt jedoch in alarmierendem Ausmass zugenommen, UN Women spricht gar von einer Schattenpandemie. Und obwohl auch die Türkei die Konvention ratifiziert hatte, trat das OSZE-Mitglied im März 2021 aus der Konvention aus. Deshalb haben die OSZE PV-Delegierten Nationalrätin Claudia Friedl und Ständerat Daniel Fässler an der Versammlung vom 30. Juni auf die besorgniserregende Entwicklung hingewiesen: «Es liegt an uns, als Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus den OSZE-Mitgliedsländern, unser Möglichstes zu tun, um die beachtlichen multilateralen Anstrengungen zu bewahren oder gar zu verstärken, die bisher zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen unternommen wurden», sagte Friedl.

DEN SICHERHEITSKRÄFTEN AUF DIE FINGER SCHAUEN

Ständerat und Delegationspräsident Josef Dittli seinerseits wird in der Sitzung vom 2. Juli auf den OSZE-Verhaltenskodex zu politisch-militärischen Aspekten der Sicherheit eingehen. Der Kodex will sicherstellen, dass sich auch Streit- und Sicherheitskräfte an das Menschen- und Völkerrecht halten – bei bewaffneten Konflikten wie auch bei Einsätzen während ausserordentlichen Lagen.

Zusammen mit der OSZE will die Schweiz das «Geneva Center for Security Sector Governance» (DCAF) mit einer Politikstudie beauftragen. Das DCAF soll untersuchen, ob der OSZE-Verhaltenskodex seitens der Sicherheitskräfte während der COVID-19-Pandemie eingehalten wird, insbesondere gegenüber der Zivilbevölkerung: «Für uns ist es wichtig, dass die Sicherheitskräfte Rechenschaft ablegen müssen und ihre Arbeit demokratisch kontrolliert wird, insbesondere in einer globalen Krise wie der COVID-19-Pandemie. Nur so wird die Welt für alle sicherer», sagt Dittli.

NICHT LÄNGER ALS DREI MINUTEN

Die Delegationsmitglieder können individuell entscheiden, ob und zu welchem Thema sie das Wort ergreifen. Bei Themen von nationaler Bedeutung vertreten die Parlamentarier auch die Positionen des Departementes für auswärtige Angelegenheiten (EDA) oder des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Formale Vorgaben gibt es wenige: Nicht länger als drei Minuten sollte die Sprechzeit sein und in einer der offiziellen Landessprachen.

Vor der Pandemie trafen sich die über 300 Parlamentarierinnen und Parlamentarier in einem der Mitgliedsländern, heuer findet das Treffen grösstenteils per Videokonferenz statt. Nur wenige Abgeordnete reisen nach Wien, einer davon der Präsident der Schweizer Delegation, Ständerat Dittli.

Durch Voten wie jene von Claudia Friedl, Daniel Fässler und Josef Dittli sollen andere Parlamente für die Positionen der Schweiz sensibilisiert werden. Umgekehrt bringen die Schweizer Delegationsmitglieder die Ansichten der Partnerstaaten zurück in die nationale Debatte.

ZWEI KANDIDATINNEN IM RENNEN UM DIE PRÄSIDENTSCHAFT

Während dieser Jahressession wird zudem die Nachfolgerin vom Präsidenten der OSZE PV, Lord Peter Bowness (UK) gewählt. Es kandidieren zwei Frauen: Die Norwegerin Kari Henriksen und die Schwedin Margareta Cederfelt. Die künftige Amtsträgerin wird die politische und organisatorische Ausrichtung der OSZE PV entscheidend mitgestalten. Aufgrund der Pandemie wird elektronisch aus der Distanz gewählt. Um das Fernabstimmungssystem zu ermöglichen, hat die Versammlung eigens ihre Verfahrensordnung angepasst.