Wer ein Haus oder eine Wohnung kauft, soll das Eigenkapital nicht vollständig aus dem Pensionskassenguthaben bestreiten können. Dies berge zu hohe Risiken, befand die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates und sprach sich gegen eine entsprechende Motion aus dem Nationalrat aus.

Mit 12 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt die Kommission, die Mo. Nationalrat (SGK-NR). Den Erwerb von Wohneigentum mit Hilfe der zweiten Säule erleichtern (21.4339) abzulehnen. Die Lockerung würde ihrer Ansicht nach das individuelle Risiko erhöhen, das Vorsorgekapital insbesondere bei einer Immobilienkrise zu verlieren und könnte daher auch die Sozialhilfe zusätzlich belasten. Weiter befürchtet die Kommission bei der geforderten Massnahme einen preistreibenden Effekt, was den Erwerb von Wohneigentum weiter erschweren würde.

Zuvor hatte die Kommission die BVG-Reform (20.089) in einer ersten Lesung durchberaten. Sie wird an ihrer nächsten Sitzung eine zweite Lesung über diese komplexe Reform durchführen. Sie plant, ihre definitiven Anträge an den Ständerat rechtzeitig für die Sommersession zu verabschieden und dann auch darüber zu informieren.

Die Kommission nahm das Anliegen einer Petition aus der Frauensession 2021 auf und beantragt einstimmig das Postulat «Care-Arbeit: Erziehungs- und Betreuungsgutschriften aufwerten». Der Bundesrat soll insbesondere prüfen, wie die Anspruchsvoraussetzungen niederschwelliger gestaltet und der Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeweitet werden könnten.

Ja zur Anhebung des Höchstbetrags der Mutterschaftsentschädigung

Die Kommission hat mehrere Motionen im Zusammenhang mit der Mutterschaftsentschädigung beraten, welche im Bundesgesetz über den Erwerbsersatz (EOG) geregelt ist. Vor diesem Hintergrund beantragt sie mit 6 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung, die von Nationalrätin Kiener Nellen eingereichte und von Nationalrätin Seiler Graf übernommene Motion 19.3373 («EO-Entschädigungen. Militärdienst und Mutterschaft gleich entschädigen») anzunehmen. Diese verlangt, einerseits den Höchstbetrag der Mutterschaftsentschädigung von 196 Franken auf 245 Franken pro Tag anzuheben, indem Müttern neben dem Taggeld auch noch ein Anspruch auf eine Kinderzulage eingeräumt wird. Andererseits sollen Müttern auch die anderen Nebenleistungen, die Militär- und Zivildienstleistenden zustehen, also die Betreuungskostenzulage und die Betriebszulage, gewährt werden. Die Kosten dieser Massnahme belaufen sich schätzungsweise auf rund 260 Millionen Franken pro Jahr. Deren Finanzierung hätte eine Erhöhung der Lohnbeiträge zur Folge.

Während die Kommissionsmehrheit der Ansicht ist, dass auf diese Weise eine aus einer anderen Zeit stammende Ungleichbehandlung beseitigt werden kann, sieht die Kommissionsminderheit keine Notwendigkeit für die Gewährung der Betreuungskostenzulage. Einig ist sich die Kommission allerdings dahingehend, dass auch selbstständigerwerbende Mütter Anrecht auf eine Betriebszulage haben sollen. Die Kommission beantragt daher ohne Gegenantrag, die von Nationalrätin Min Li Marti eingereichte Motion 19.4110 («Betriebszulage bei Mutterschaftsentschädigung von Selbstständigerwerbenden») anzunehmen. Die von Nationalrätin Baume-Schneider eingereichte Motion 21.3283 («Mutterschutz vor der Niederkunft»), wonach ein dreiwöchiger vorgeburtlicher und über die Erwerbsersatzordnung finanzierter Mutterschaftsurlaub einzuführen ist, lehnt die Kommission hingegen mit 8 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung ab.

Krankenversicherer sollen nicht zum Abbau von Reserven gezwungen werden

Die Kommission will die Krankenversicherer nicht dazu zwingen, überschüssige Reserven abzubauen. Zuerst müsse sich zeigen, wie gut die im Juni 2021 in Kraft getretene Verordnungsänderung wirke, die den Versicherern einen freiwilligen Abbau von Reserven erleichtere, wurde in der Kommission argumentiert. Sie stimmte deshalb der Pa. Iv. Nantermod. KVAG. Überschussbeteiligung (20.463) mit 6 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung nicht zu; mit dem gleichen Stimmenverhältnis beantragt sie die Ablehnung der Mo. Nationalrat (Quadri). Änderung der KVAV. Obligatorischer statt nur freiwilliger Abbau übermässiger Reserven der Krankenversicherer zugunsten der Versicherten (19.4056); und mit 7 zu 5 Stimmen beantragt sie, der Kt. Iv. VD. Für gerechte und angemessene Reserven (21.324) keine Folge zu geben. Mit 7 zu 3 Stimmen will sie auch der Kt. Iv. VD. Für kostenkonforme Prämien (21.325) keine Folge geben, die einen obligatorischen Ausgleich zu viel bezahlter Prämien verlangt.
Die Kommission beantragt zudem ohne Gegenstimme, sechs materiell identischen Standesinitiativen (20.300, 20.304, 20.330, 20.333, 21.300 und 21.323) keine Folge zu geben, da deren Anliegen bereits aufgenommen worden sei. Der Bundesrat wurde bereits mit einer Motion beauftragt, eine Gesetzesänderung vorzulegen, die den Kantonen wieder das Recht einräumt, zu den vorgesehenen Prämien Stellung zu nehmen.

Digitalisierung in den Sozialversicherungen vorantreiben

Die Kommission hat die Differenzen bei der Vorlage zur Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und deren Optimierung in der 2. Säule (19.080) beraten und hält im Wesentlichen an den Beschlüssen des Ständerates fest. Mit einer Änderung des allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts soll den Versicherungen ermöglicht werden, ihre Entscheide auf elektronischem Weg zu eröffnen und Plattformen für elektronische Dienstleistungen zu betreiben (7 zu 5 Stimmen). Im Bereich der 2. Säule sollen dagegen keine Regeln für die Vertretung der kantonalen Exekutiven in den regionalen Aufsichtsbehörden der Pensionskassen erlassen werden (8 zu 3 Stimmen). Zu beiden Bestimmungen liegen Minderheitsanträge vor, ansonsten schliesst sich die Kommission dem Nationalrat an. Der Ständerat wird die Vorlage in der Sommersession behandeln.

Unbestritten war in der Kommission, dass Organisation und Aufgaben der Zentralen Ausgleichsstelle noch vertieft überprüft werden sollen. Ohne Gegenantrag beantragt sie, die Mo. Nationalrat (SGK-NR). Sicherstellung der Governance, der Transparenz, der Kohärenz und der Beaufsichtigung der Tätigkeiten des Bundes im Bereich der AHV/IV/EO (21.4340) anzunehmen.

Handlungsbedarf bei der Regelung der Versicherungsvermittlertätigkeit

Die Kommission ist ohne Gegenstimme auf den bundesrätlichen Entwurf eines Bundesgesetzes über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit(21.043) eingetreten. Mit dem neuen Gesetz soll der Bundesrat die Kompetenz erhalten, gewisse Punkte der Branchenvereinbarungen der Krankenversicherer für verbindlich zu erklären, darunter das Verbot der telefonischen Kaltakquise und die Einschränkung der Entschädigung der Vermittlertätigkeit. Die Kommission wird voraussichtlich an der nächsten Sitzung die Detailberatung durchführen.

Weitere Geschäfte

Die Kommission begann, die Differenzen im Kostendämpfungspaket 1b in der Krankenversicherung (19.046) zu beraten. Sie beauftragte die Verwaltung, bis zur nächsten Sitzung verschiedene Fragen rund um Artikel 47c zu klären, der ein Kostenmonitoring und Korrekturmassnahmen der Tarifpartner bei ungerechtfertigter Entwicklung der Kosten regeln soll.

Die Kommission setzte ihre erste Lesung über die «Einheitliche Finanzierung der Leistungen im ambulanten und stationären Bereich» (09.528) fort. Bevor sie die tiefgreifende Reform dem Ständerat unterbreitet, möchte sie mehr Klarheit über die künftigen Vorgaben für die individuelle Prämienverbilligung haben, die Thema des indirekten Gegenvorschlags zur Prämienentlastungs-Initiative (21.063) sind.

Die Kommission beantragt mit 10 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen, die Mo. Müller Damian. Elektronische Rezepte für Heilmittel. Bessere Qualität und höhere Patientensicherheit (20.3209) anzunehmen.

Die Kommission beantragt mit 5 zu 4 Stimmen bei 3 Enthaltungen, die von ihrer nationalrätlichen Schwesterkommission eingereichte Motion 19.3005Keine zusätzlichen Kosten für unser Gesundheitswesen infolge der Listenumteilung von bisher frei verkäuflichen Arzneimitteln der Liste C in die Liste B») abzulehnen. Die Kommissionsmehrheit sieht angesichts der geringfügigen Mehrkosten keinen Handlungsbedarf.

Die Kommission nahm mit Befriedigung davon Kenntnis, dass das Anliegen der Mo. SGK-NR. Besserer Schutz vor Covid-19 für Personen mit geschwächtem Immunsystem aufgrund von Krebserkrankungen und chronischen Erkrankungen (22.3005) als erfüllt betrachtet werden kann. Sie beantragt vor diesem Hintergrund deren Ablehnung und zieht die gleichlautende eigene Kommissionsmotion 22.3018 zurück.

Mit 7 zu 5 Stimmen beantragt die Kommission, die Mo. Nationalrat (Silberschmidt). Netto-null-Ziel im Jahr 2050. Ein Nachhaltigkeitsziel auch für die AHV (20.4078) anzunehmen.

Die Kommission tagte am 28., 29. und 30. März 2022 in Bern unter dem Vorsitz von Erich Ettlin (Die Mitte, OW) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.