Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) bietet Hand für einen Kompromiss beim indirekten Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative. Da die Prämien die Budgets der Haushalte immer stärker belasten, hält die Kommission kantonale Mindestvorgaben für gerechtfertigt, setzt diese aber tiefer an als Bundesrat und Nationalrat.

Die Kommission hat den indirekten Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative (21.063; Entwurf 2) in der Gesamtabstimmung mit 10 zu 2 Stimmen angenommen. Zuvor war sie ebenfalls mit 10 zu 2 Stimmen eingetreten. Angesichts des Prämienwachstums um 6,6 Prozent in diesem Jahr und weiteren drohenden Aufschlägen sieht die Kommission klar Handlungsbedarf. Die Beiträge der Kantone an die Prämienverbilligung sollen mit der Prämienentwicklung einhergehen. Gleichzeitig wurde in der Kommission auch Verständnis für die Kantone geäussert, die durch neue Vorgaben in ihrer Autonomie eingeschränkt würden. Eine Minderheit beantragt deshalb, am Nichteintreten festzuhalten.

Vor diesem Hintergrund hat die Kommission in der Detailberatung einen Kompromiss auf Basis des indirekten Gegenvorschlags des Bundesrates ausgearbeitet. Sie beantragt mit 8 zu 4 Stimmen, dass die Kantone neu einen Mindestbetrag von 3,5 bis 7,5 Prozent der kantonalen Kosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung für die Prämienverbilligung aufwenden müssen. Der Entwurf des Bundesrates sieht dagegen einen Mindestbetrag von 5 bis 7,5 Prozent vor. Dieser Mindestbetrag hängt stets davon ab, wie stark die Prämien das Budget der 40 Prozent einkommensschwächsten Versicherten im Kanton belasten. Die Variante der Kommission führt gemäss der Verwaltung zu Mehrkosten bei den Kantonen von etwa 356 Millionen Franken, während die Mehrkosten im Entwurf des Bundesrates auf etwa 493 Millionen beziffert werden. Bei den restlichen Vorgaben zum Mindestbetrag folgt die Kommission dem Bundesrat. Eine Minderheit will auf diese restlichen Vorgaben zum Mindestbetrag verzichten. Eine andere Minderheit beantragt, den Beschlüssen des Nationalrates zu folgen und die Prämienverbilligung auszuweiten.

Neben dem Mindestbetrag soll zusätzlich jeder Kanton festlegen müssen, wie viel die Prämie am verfügbaren Einkommen einer Person ausmachen darf. Die Kommission schliesst sich damit dem Nationalrat an, sie beantragt aber mit 8 zu 4 Stimmen, darauf zu verzichten, dass der Bundesrat Vorschriften zu Prämienhöhe oder Einkommen machen soll.

Als nächstes wird der Ständerat in der Sommersession entscheiden: Tritt er wieder nicht auf den indirekten Gegenvorschlag ein, ist dieser erledigt.

Teilrevision des Transplantationsgesetzes unbestritten

Einstimmig unterstützt die Kommission die Änderung des Transplantationsgesetzes (23.023). Mit dieser umfangreichen Vorlage möchte der Bundesrat verschiedene Änderungen im Bereich der Spende und Transplantation von Organen, Geweben und Zellen vornehmen. Insbesondere sollen ein Überwachungssystem für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse eingeführt sowie formell-gesetzliche Grundlagen für das Überkreuz-Lebendspende-Programm und die verwendeten Datenbanken geschaffen werden. Zudem nimmt die Teilrevision Optimierungen im Vollzug vor. In Ergänzung zum Entwurf des Bundesrates beantragt die Kommission mit 9 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen, dass für nicht zugelassene Transplantatprodukte ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erwarten sein muss, damit diese zeitlich befristet angewendet werden dürfen. Die Vorlage kommt in die Sommersession.

Die Kommission hat sich von Swisstransplant über das Nationale Organspenderegister orientieren lassen, das Ende 2022 aufgrund von Mängeln bei der Datensicherheit endgültig abgeschafft worden war.

Weiterentwicklung der Hinterlassenenrenten

Die Kommission sieht bei den Hinterlassenenrenten Handlungsbedarf. Um die auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellte Ungleichbehandlung von Witwern gegenüber Witwen zu beseitigen und die AHV sowie den Bundeshaushalt zu entlasten, hat der Bundesrat im März beschlossen, dass zukünftig Witwen und Witwer nur Anspruch auf eine Rente haben sollen, bis das jüngste Kind 25 Jahre alt ist. Die Kommission unterstützt diese Stossrichtung grundsätzlich.

Eine Mehrheit der Kommission stimmt daher auch der pa. Iv. SGK-N (22.426) (mit 8 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung) und der pa. Iv. Gredig (21.416) (mit 5 zu 3 Stimmen bei 4 Enthaltungen) zu. Die Kommission fordert die SGK-N jedoch auf, vor weiteren Arbeiten die konkreten Reformvorschläge des Bundesrats abzuwarten. Die pa. Iv. Kamerzin (21.511), welche eine Angleichung der Witwer- an die Witwenrenten fordert, lehnt sie mit 8 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung ab.

Kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf bei den Regeln zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit

Die Kommission beantragt mit 7 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung, dem Beschluss des Nationalrates, der pa. Iv. 18.455 Grossen («Selbstständigkeit ermöglichen, Parteiwillen berücksichtigen») Folge zu geben, nicht zuzustimmen. Die Kommission hatte sich an einer früheren Sitzung eingehend mit diesem Thema befasst und ist nach wie vor der Meinung, dass das geltende Recht bereits genügend Flexibilität bei der Berücksichtigung des Parteiwillens bietet. Die vorgeschlagene Änderung würde zu Schwierigkeiten bei der Auslegung und zu Rechtsunsicherheit führen. Aufgrund der veränderten Arbeitsrealitäten beantragt eine Kommissionsminderheit, dem Beschluss des Nationalrates zu folgen, damit eine Diskussion zu diesem Thema geführt wird.

Nein zum Verbot von aromatisierten Zigaretten

Mit 5 zu 4 Stimmen bei 3 Enthaltungen beantragt die Kommission, die Mo. Roduit. Aromatisierte Zigaretten. Junge Menschen schützen (20.3634) abzulehnen. Die Kommissionsmehrheit weist darauf hin, dass sich das Parlament bereits bei der Beratung des Bundesgesetzes über Tabakprodukte (TabPG, 15.075) eingehend mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat. Das TabPG wurde im Oktober 2021 verabschiedet und ist noch nicht in Kraft. Die beiden Kammern hatten damals entschieden, kein solches Verbot ins Gesetz aufzunehmen. Eine Kommissionsminderheit beantragt, die Motion anzunehmen, um Jugendliche vor dem Einstieg in den Nikotinkonsum zu schützen.

Zinslose Anlage der Vorsorgeguthaben der Auffangeinrichtung aus dem Freizügigkeitsbereich bei der Bundestresorerie: Verlängerung der Geltungsdauer der Bestimmung

Die Kommission hat die bundesrätliche Vorlage zu BVG. Änderung (Anlage von Freizügigkeitsgeldern der Auffangeinrichtung, 23.027) einstimmig angenommen. Diese bezweckt, die Geltungsdauer von Artikel 60b BVG, wonach die Auffangeinrichtung die Gelder aus dem Freizügigkeitsbereich unverzinslich und unentgeltlich bei der Bundestresorerie anlegen darf, um vier Jahre zu verlängern. Ebenfalls einstimmig beantragt die Kommission ausserdem, eine Dringlichkeitsklausel in die Vorlage aufzunehmen, damit die Geltungsdauer der Bestimmung ohne Unterbruch bis September 2027 verlängert werden kann. Das Geschäft wird in der Sommersession im Sonderverfahren in beiden Räten behandelt.

Weitere Geschäfte

Mit 6 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt die Kommission, die Mo. Graf Maya. Rechtsgrundlage für Triage-Entscheidungen beim Zugang zu intensivmedizinischen Behandlungen, insbesondere Sicherstellung, dass Menschen mit Behinderung nicht diskriminiert werden (22.3246) abzulehnen. Die Kommission reicht jedoch einstimmig ein Postulat (23.3496) ein, mit welchem sie den Bundesrat beauftragen will, zunächst aufzuzeigen, wie die gesetzlichen Grundlagen für Triage-Entscheidungen ausgestaltet werden könnten.

Die Kommission hat weiter folgende Vorstösse behandelt und beantragt:

  • Mo. Nationalrat (Silberschmidt). Stärkung der digitalen Kompetenzen von Gesundheitsfachpersonen (22.3163): Annahme mit 10 zu 2 Stimmen
  • Mo. Nationalrat (Sauter). Einführung eines E-Rezepts (20.3770): Annahme mit 6 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung
  • Mo. Nationalrat (SGK-NR). Keine Kürzung der Hilflosenentschädigung für Kinder, deren Eltern die Kosten des Heimaufenthalts selber tragen (22.3888): Annahme, einstimmig
  • Mo. Nationalrat (Mäder). Keine mengenbezogenen Lohnanreize für Spitalärzte (20.4092): Ablehnung mit 7 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung
  • Mo. Nationalrat (SGK-NR). BVG. Ausweitung der Versicherungspflicht auf mehrere Teilzeitbeschäftigungen (21.4338): Ablehnung mit 9 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen
  • Mo. Nationalrat (SGK-NR). Entpolitisierung der technischen Parameter im BVG (16.3350): Ablehnung mit 9 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen

Des Weiteren hat die Kommission die Beratung der Mo. Maret. Der Bund muss die Rechtsstellung betreuender Angehöriger definieren (21.4517) aufgenommen. Sie wird dieses komplexe Thema im nächsten Quartal vertiefen.

Auch zur Mo. Nationalrat (SGK-NR). Ambulant vor stationär für Menschen mit Behinderung nach Erreichen des AHV-Alters durch eine "smarte" Auswahl an Hilfsmitteln (22.4261) möchte die Kommission erst noch weitere Fragen abklären, bevor sie darüber entscheidet. So soll klarer eingegrenzt werden, welche Hilfsmittel wie von der Motion verlangt auch von der AHV vergütet werden sollen.

Die Kommission tagte am 17. und 18. April 2023 in Bern unter dem Vorsitz von Erich Ettlin (Die Mitte, OW) und teilweise in Anwesenheit von Bundespräsident Alain Berset.