Nachdem die WAK-N im Mai zur Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» (20.032), der sogenannten 99%-Initiative, Anhörungen durchgeführt hatte, hat sie nun die materielle Beratung durchgeführt. Sie beantragt ihrem Rat mit 17 zu 8 Stimmen, die Initiative ohne Gegenentwurf zur Ablehnung zu empfehlen. Eine Minderheit beantragt, die Initiative zur Annahme zu empfehlen.

Die Initiative will die Kapitaleinkommen stärker besteuern, um mit dem Mehrertrag Personen mit niedrigen oder mittleren Einkommen zu entlasten. Die Mehrheit sieht hier keinen Handlungsbedarf. Die Besteuerung sei heute schon relativ hoch; würden die Steuern weiter erhöht, käme es zu einer Abwanderung oder zu einer Nichtansiedlung reicher Steuerzahlender. Es brauche in der Schweiz aber Personen, die Kapital hätten und dieses in Arbeitsplätze investierten. Die Mehrheit ist auch der Meinung, bei einer Annahme der Initiative würde den KMU und den Familienunternehmen Geld entzogen, das dann für Investitionen und für die Zukunftssicherung fehlen würde. Zudem habe es in den letzten Jahren bereits eine umfassende Umverteilung zugunsten der tieferen Einkommen gegeben. Weiter argumentiert die Mehrheit, die Initiative lasse formell zu vieles offen. So sei ein allfälliger Freibetrag, ab welchem die höhere Besteuerung gälte, nicht definiert und es sei unklar, wie die angestrebte Umverteilung erfolgen solle, ob nur innerhalb oder auch ausserhalb des Steuerrechts. Damit wäre die Umsetzung schwierig. Nicht zuletzt käme es bei einer Annahme der Initiative zu einem Eingriff in die Steuerhoheit der Kantone, ohne dass die Kantone dazu etwas sagen könnten. Die Minderheit ist hingegen der Meinung, es sei nicht nachvollziehbar, dass Kapitaleinkommen tiefer besteuert würden als Arbeitseinkommen. Die aufgehende Schere zwischen niedrigen und hohen Einkommen schaffe ökonomische Probleme, die Kaufkraft des Mittelstands und der tieferen Einkommensklassen leide. Die Minderheit sieht einen Zusammenhang zwischen der zunehmenden Einkommensungleichheit und der Konzentration der Vermögen, deshalb seien das Kapital etwas stärker, die tieferen Einkommen hingegen etwas weniger stark zu besteuern.
Einen Antrag auf einen direkten Gegenentwurf hat die Kommission ebenfalls mit 17 zu 8 Stimmen abgelehnt. Dieser forderte eine Besteuerung der Kapitaleinkommen, die einen bestimmten Betrag übersteigend, im Umfang von 100 anstelle von 150 Prozent wie bei der Initiative.
Die Initiative kommt in der Herbstsession in den Nationalrat.

Im gleichen thematischen Kontext hat die Kommission auch eine parlamentarische Initiative von Nationalrat Samuel Bendahan (19.426) beraten, die verlangt, dass auf Einkommensanteilen über 10 Millionen Franken ein Grenzsteuersatz von 70 Prozent angewandt werden soll. Die Kommission hat der parlamentarischen Initiative mit 17 zu 8 Stimmen keine Folge gegeben. Nach Ansicht der Mehrheit ist die Steuerbelastung für Gutverdienende bereits hoch genug, der Steuerstandort Schweiz müsse für alle attraktiv bleiben, und für die KMU wäre eine solch hohe Besteuerung schlecht. Die Minderheit sieht in der parlamentarischen Initiative hingegen ein Mittel gegen das wachsende Ungleichgewicht bei der Einkommensverteilung. Sie argumentiert, es sei unmöglich, dass eine Einzelperson für 10 Millionen Franken und mehr produktiv sein könne, deshalb will sie der Initiative Folge geben.

2. Elektronische Verfahren im Steuerbereich

Die WAK-N beantragt mit 18 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Vorlage 20.051 zur Schaffung der rechtlichen Grundlagen für die Digitalisierung der Verfahren im Steuerbereich anzunehmen – allerdings mit drei wichtigen Änderungen gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf. Mit der ersten, die mit 15 zu 10 Stimmen angenommen wurde, soll verhindert werden, dass der Bundesrat das elektronische Verfahren z. B. im Bereich der MWST oder der Stempelsteuer vorschreiben kann. Die Kommissionsmehrheit ist der Auffassung, dass der Wechsel zum digitalen Verfahren für einige Unternehmen immer noch problematisch sein kann. Die Kommissionsminderheit wiederum möchte, dass der Bundesrat über den notwenigen Handlungsspielraum verfügt, das digitale Verfahren zu gegebener Zeit vorzuschreiben. Die zweite Änderung, die mit 18 zu 7 Stimmen angenommen wurde und sich auf die direkten Steuern bezieht, besteht darin, die Kantone nicht nur zu ermächtigen, sondern sie dazu zu verpflichten, ihren Steuerpflichtigen neben dem schriftlichen Verfahren auch ein rein elektronisches Verfahren anzubieten. Die Kommissionsmehrheit hält es für wichtig, dass die Steuerpflichtigen, welche das elektronische Verfahren nutzen möchten, dies auch tun können, d. h., sie sollen u. a. die Steuererklärung digital unterzeichnen können und die Möglichkeit haben, dass ihnen die Steuerbehörde mit ihrem Einverständnis Dokumente in elektronischer Form zustellt. Die Minderheit sieht in diesem Antrag eine nicht hinnehmbare Einschränkung der kantonalen Autonomie. Die dritte Änderung, die mit 17 zu 7 Stimmen angenommen wurde, sieht vor, dass in der Schweiz für die Steuererklärung – unabhängig vom gewählten Verfahren (elektronisch oder schriftlich) – einheitliche Formulare und Datenformate verwendet werden. Diese Massnahme würde in den Augen der Mehrheit eine willkommene Vereinfachung für die Steuerpflichtigen sowie die Treuhänderinnen und Treuhänder darstellen. Die Minderheit hingegen erachtet auch dies als Eingriff in die kantonalen Kompetenzen. Der Nationalrat wird die Vorlage in der Herbstsession 2020 beraten.

3. Abschaffung der Stempelsteuer

Im Januar 2020 hatte die WAK-N zwei Vorentwürfe zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 09.503 in die Vernehmlassung geschickt (siehe Medienmitteilung). Die Kommission hat von den Vernehmlassungsergebnissen Kenntnis genommen und beantragt mit 12 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung und Stichentscheid des Präsidenten, auf die Vorlage einzutreten und den Vorentwurf 2 anzunehmen. Dieser sieht die Abschaffung der Umsatzabgabe auf inländischen Wertschriften und auf ausländischen Obligationen mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr sowie die Abschaffung der Abgabe auf Lebensversicherungen vor. Die Befürworterinnen und Befürworter argumentieren, dass diese Reform eine Chance für den Finanzplatz Schweiz darstellt. Im Übrigen will der Ständerat die Beratung des Entwurfs 1 zu dieser Initiative erst dann wiederaufnehmen, wenn der Nationalrat über diese Vorentwürfe befunden hat. Die Kommissionsmehrheit erachtet diesen Entwurf 1, der im Ständerat seit 2014 sistiert ist und die Abschaffung der Emissionsabgabe vorsieht, als prioritär. Die Gegnerinnen und Gegner des Vorentwurfs 2 wiederum halten dessen Kosten (jährliche Steuerausfälle von schätzungsweise 219 Millionen) für viel zu hoch – insbesondere angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Was den Vorentwurf 3 betrifft, welcher die Abschaffung der Umsatzabgabe auf den übrigen ausländischen Wertschriften sowie der Abgabe auf Sach- und Vermögensversicherungen vorsieht, so hat die Kommission mit 15 zu 10 Stimmen entschieden, die Vorlage so lange zu sistieren, bis der Bundesrat seine Botschaft zur Reform der Verrechnungssteuer veröffentlicht hat. In Anbetracht der Steuerausfälle von schätzungsweise 1,786 Milliarden Franken erachtet die Kommission diesen Vorentwurf in der aktuellen konjunkturellen Lage nicht als prioritär. Der Nationalrat wird sich frühestens in der Wintersession 2020 mit diesen Anträgen befassen.

4. Vernehmlassungsvorlage zur Sicherung der Schweizer Zuckerproduktion verabschiedet

Die Kommission hat den Vorentwurf beraten, den die von ihr eingesetzte Subkommission zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative Bourgeois (15.479) ausgearbeitet hat, und ihn in der Gesamtabstimmung mit 22 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen zuhanden der Vernehmlassung verabschiedet. Um die Zuckerwirtschaft in der Schweiz vom Rübenanbau bis zur Zuckerproduktion zu sichern, will sie im Landwirtschaftsgesetz einerseits einen Grenzschutz von mindestens 7 Franken pro 100 Kilo Zucker festlegen. Andererseits sieht sie – ebenfalls im Landwirtschaftsgesetz – einen Einzelkulturbeitrag von 1500 Franken pro Hektare und Jahr für Zuckerrüben aus konventionellem Anbau vor; dieser Beitrag wird um 700 bzw. um 500 Franken pro Hektare und Jahr erhöht, wenn die Zuckerrüben nach den Anforderungen des Biolandbaus bzw. fungizid- und insektizidfrei angebaut werden. Eine Minderheit beantragt eine Fortschreibung des aktuell geltenden Einzelkulturbeitrags von 2100 Franken pro Hektare und Jahr, mit einem Zusatzbeitrag von 200 Franken für biologischen Anbau oder integrierte Produktion. Der entsprechende Entscheid fiel bei 12 zu 12 Stimmen und 1 Enthaltung durch Stichentscheid des Präsidenten. Die Kommission wird in den nächsten Wochen die Vernehmlassung eröffnen.

5. Anhebung der Umsatzgrenze für die Mehrwertsteuerpflicht von ehrenamtlich geführten Sport- und Kulturvereinen sowie gemeinnützigen Institutionen

Die Kommission beantragt einhellig (mit 24 Stimmen), den Vorentwurf zur parlamentarischen Initiative Feller 17.448 anzunehmen. Dieser sieht vor, dass die Umsatzgrenze für die Befreiung von der Mehrwertsteuerpflicht für nicht gewinnstrebige, ehrenamtlich geführte Sport- und Kulturvereine sowie gemeinnützige Institutionen von 150 000 auf 200 000 Franken angehoben wird. Die Kommission will mit dieser bescheidenen Anhebung des massgeblichen Schwellenwerts die Steuerbelastung und den administrativen Aufwand namentlich von ehrenamtlich geführten, im Kultur- und Sportbereich tätigen Vereinen verringern. Diese Vereine erreichen rasch die heutige Schwelle, ab welcher sie mehrwertsteuerpflichtig sind, beispielsweise wenn ein Fussballclub eine kleine Buvette betreibt. Die Steuerausfälle, die durch diese Anhebung verursacht würden, sind mit rund 1 Million Franken gering. Ein Antrag auf Anhebung der Umsatzgrenze auf 300 000 Franken wurde mit 21 zu 1 Stimmen abgelehnt. In den Augen der Kommissionsmehrheit ginge eine solche Anhebung zu weit und würde den Wettbewerb zu sehr verzerren, namentlich gegenüber dem Gastgewerbe, für welches eine Umsatzgrenze von 100 000 Franken gilt.

Im Zuge ihrer Arbeiten hatte die Kommission auch eine andere Variante geprüft, die vorsah, dass in Artikel 21 Absatz 2 Ziffer 17 des Mehrwertsteuergesetzes zwei Veranstaltungsarten (Festanlässe und Grümpelturniere) hinzugefügt werden, womit Leistungen, die an diesen Veranstaltungen erbracht werden, von der Mehrwertsteuer befreit wären. Die Kommission hat sich schliesslich gegen diese Lösung entschieden, da sie nur schwer umzusetzen wäre und die Gefahr von Missbrauch bestünde, was letztlich zu einer grösseren Wettbewerbsverzerrung führen würde als die Variante, für die sich die Kommissionsmehrheit ausgesprochen hat.

Die Kommission wird ihren Vorentwurf diesen Herbst in die Vernehmlassung schicken.

6. Steuern auf Treibstoffen von der Bemessungsgrundlage der MWST ausnehmen

Mit 12 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung und Stichentscheid des Präsidenten gibt die WAK-N der parlamentarischen Initiative Grüter « Stopp der missbräuchlichen MWST-Belastung auf Steuern und Abgaben bei Treibstoffen» (19.405) Folge. Die Mehrheit stört sich grundsätzlich daran, dass der Staat Steuern auf Steuern erhebt und verweist auf die positiven Auswirkungen tieferer Steuern auf den Konsum und das Wirtschaftswachstum. Gegen die Initiative wurde unter anderem ins Feld geführt, sie unterlaufe die klimapolitischen Ziele, hätte Mindereinnahmen von 230 Mio. Franken zur Folge und würde Begehrlichkeiten nach weiteren Ausnahmen, z.B. bei der Tabaksteuer, wecken. Bevor die WAK-N einen Erlassentwurf ausarbeiten kann, muss die WAK-S dem Beschluss noch zustimmen.

7. Weitere Beschlüsse

Angesichts der aufgrund von COVID-19 sehr schwierigen Situation für das Schaustellergewerbe und die Festzeltbauer sowie Bauer von temporären Bauten (z.B. Tribünen) fordert die WAK-N den Bundesrat in einem Brief auf, rasch ein Hilfspaket zur Milderung der wirtschaftlichen Folgen für dieses Gewerbe zu beschliessen. Der Bundesrat soll dabei auch A-Fonds-perdu-Beiträge prüfen.

Die Kommission hat mit 15 zu 8 Stimmen (ohne Enthaltungen) beschlossen, die Arbeiten zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative des heutigen Ständerats Thierry Burkart (16.484) betreffend Gestaltungsfreiheit im Homeoffice zu sistieren. Sie ist zwar einhellig der Meinung, gerade im Licht der Erfahrungen der letzten Monate sei das Thema Homeoffice vertieft anzugehen, sie möchte jedoch abwarten, bis bekannt ist, wie die parlamentarische Initiative von alt Ständerat Konrad Graber (16.414) zur Flexibilisierung der Arbeitszeiterfassung umgesetzt wird.

Mit 12 zu 8 Stimmen bei 4 Enthaltungen hält die WAK-N an ihrem Beschluss vom 25. Februar 2019 fest, der parlamentarischen Initiative Schilliger 17.518 Folge zu geben (vgl. Medienmitteilung vom 27. Februar 2019). Aus Sicht der Mehrheit ist unverändert Handlungsbedarf gegeben, auch wenn die WAK-S und der Ständerat die Initiative in dieser Form ablehnen (vgl. Medienmitteilung WAK-S vom 21. Januar 2020).

Die Kommission hat am 17./18. August 2020 unter dem Vorsitz von Nationalrat Christian Lüscher (FDP/GE) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Ueli Maurer in Bern getagt.