Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates hat sich im Rahmen einer Konsultation des Finanzdepartementes erneut mit der Frage der Ausgestaltung der Individualbesteuerung befasst. Sie hat dazu Anhörungen durchgeführt und sich bei der anschliessenden Definition der Eckwerte weitgehend der ständerätlichen Schwesterkommission angeschlossen.

Anlässlich der im letzten Herbst beschlossenen Anhörung (vgl. Medienmitteilung vom 9. November 2021) kamen Vertreterinnen und Vertreter der Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und -direktoren, des Städteverbands, des Gemeindeverbands, der Wissenschaft, von AvenirSuisse, Ecoplan und Alliance F zu Wort und beleuchteten verschiedene Aspekte der Individualbesteuerung. Bei der anschliessenden Diskussion und den Entscheiden über die Eckwerte zeigte sich, dass in der Kommission bei verschiedenen Fragen nach wie vor Uneinigkeit besteht, insbesondere was die Übertragbarkeit von Einkommen oder Vermögen von einem Ehegatten auf den andern angeht. Letztendlich entschied die Kommission jedoch in weiten Teilen gleich wie die WAK-S (vgl. Medienmitteilung vom 14. Januar 2022): Auch die WAK-N befürwortet mehrheitlich ein Modell der modifizierten Individualbesteuerung gemäss Ecoplan. Sie spricht sich deshalb gegen Abzüge für Alleinstehende und Alleinerziehende aus, möchte jedoch als Ersatz für bisherige Abzüge und als Ausgleichsmassnahme bei ungleicher Einkommensverteilung einen Haushaltsabzug einführen. Zudem plädiert sie für einen privilegierten Tarif für Steuerpflichtige mit Kindern. Schliesslich hat die Kommission die Verwaltung im Hinblick auf die Erstellung der Vernehmlassungsvorlage beauftragt, bezüglich Mindereinnahmen für den Bund mehrere Varianten zu rechnen und Anpassungen bei der Progression, einschliesslich einer Flat Rate Tax, zu prüfen.

  1. Versicherungsaufsichtsgesetz in der Differenzbereinigung

Nachdem der Ständerat in der Wintersession rund 10 Differenzen zum Nationalrat geschaffen hatte, hat sich die Kommission erneut mit dem Versicherungsaufsichtsgesetz (20.078) befasst. Sie beantragt bei drei Themen Festhalten an den Beschlüssen des Nationalrates vom vergangenen Jahr: Sie will die Bestimmungen zu den Ombudsstellen (insbesondere Kapitel 7a) nach wie vor aus der Vorlage streichen und an der seit Jahrzehnten geltenden Praxis, wonach die Branche zwei Ombudsstellen betreibt, nichts ändern. Ausserdem beantragt sie auch bei den Bestimmungen zu den ergänzenden internationalen Standards bzw. zu den Stabilisierungsplänen, an den früheren Entscheiden des Nationalrates festzuhalten (jeweils 14 zu 10 Stimmen). Bei den sektorübergreifenden Risiken, beim Artikel zu Lloyd’s, bei der Definition der professionellen Versicherungsnehmer und bei der Bestimmung, wonach Versicherungsunternehmen im Bereich der Zusatzversicherung zur Krankenversicherung den Leistungserbringern gegenüber gemeinsam verhandeln können, beantragt die Kommission, dem Ständerat zu folgen. Ausserdem beantragt sie, die vom Ständerat neu aufgenommenen Bestimmungen zum Sanierungsrecht präziser zu formulieren. Es liegen zu mehreren Bestimmungen Minderheitsanträge vor. Das Geschäft wird in der Frühjahrssession vom Nationalrat behandelt; es soll während dieser Session abgeschlossen werden.

  1. Unterstützung des Schweizer Weins

Die Kommission hat aus Anlass der Vorprüfung der parlamentarischen Initiative von Nationalrat Benjamin Roduit (21.461), mit der er die Einführung einer Importregelung verlangte, eine Anhörung mit Vertreterinnen und Vertretern des Vereinigung Schweizer Weinhandel, dem Branchenverband Schweizer Reben und Weine, dem Schweizerischen Weinbauernverband, dem Schweizerischen Bauernverband, Swiss Wine Promotion, Gastrosuisse und Bio Suisse durchgeführt. Die Kommission sieht den Schweizer Wein, der heute kaum mehr von Grenzschutzmassnahmen profitiert, einem harten Wind ausgesetzt. Sie will diesem mit mehr finanziellen Mitteln für ein verstärktes Marketing und der Einführung einer Klimareserve für Schweizer Wein entgegentreten und hat eine entsprechende Kommissionsmotion (22.3022) bzw. eine Kommissionsinitiative (22.405) verabschiedet. Weil sich der Marktanteil des Schweizer Weins in den letzten Jahren trotz sinkendem Gesamtkonsum erhöhen konnte, spricht sich eine Minderheit der Kommission gegen eine Erhöhung der Fördermittel aus und lehnt die Motion ab. Nationalrat Benjamin Roduit zog seine Initiative vor dem Hintergrund der neuen Kommissionsvorstösse zurück.

  1. Fairerer Wettbewerb gegenüber Staatsunternehmen

Mit 16 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen beantragt die Kommission ihrem Rat, die beiden vom Ständerat angenommenen Motionen 20.3531 und 20.3532 ebenfalls anzunehmen. Sie verlangen vom Bundesrat, die nötigen Gesetzesänderungen vorzuschlagen, um Wettbewerbsverzerrungen durch Staatsunternehmen einzudämmen. Die WAK-N teilt wie der Ständerat die Auffassung, dass staatliche Unternehmen wegen ihrer Monopolstellung über ungleich längere Spiesse im freien Markt verfügen und sich wieder vermehrt auf ihren Grundauftrag, den Service public, konzentrieren sollten.

  1. Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung

Am 1. Januar 2021 ist das totalrevidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen in Kraft getreten, mit dem die Räte unter anderem der Nachhaltigkeit in der Beschaffung mehr Gewicht beimessen wollten als zuvor. Diesem Paradigmenwechsel wird aus Sicht der WAK-N auf Verordnungsebene (VöB) zu wenig Rechnung getragen. Sie hat deshalb zwei Anträge für Kommissionsmotionen gutgeheissen: Mit der ersten Motion (22.3019) sollen Lücken bezüglich sozialer Mindestnormen geschlossen werden, mit der zweiten (22.3020) soll garantiert werden, dass Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die einen wirksamen Schutz vor Mobbing und sexueller Belästigung für ihre Arbeitnehmenden vorsehen. Dadurch wird auch das Anliegen einer parlamentarischen Initiative 20.486 von Nationalrätin Léonore Porchet erfüllt. Die WAK-N beantragt deshalb mit 14 zu 0 Stimmen bei 10 Enthaltungen, dieser keine Folge zu geben. Zwei Minderheiten lehnen die Motionen ab, weil es in ihren Augen zu früh ist, die VöB so kurz nach dem Inkrafttreten bereits wieder zu revidieren.

  1. Kommissionsmotion für stärkere Wertschöpfung beim Käse knapp abgelehnt

Im März 2019 nahm der Nationalrat eine Kommissionmotion der WAK-N (18.3711) an, die zum Ziel hatte, die Auszahlung der Verkäsungszulage an Milchverwerterinnen und Milchverwerter zu verweigern, wenn diese bestimmte minimale Produzentenpreise für verkäste Milch nicht einhalten, und die ausserdem eine Abstufung der Verkäsungszulage nach Fettgehalt verlangte. Der Ständerat wollte auf diese Abstufung verzichten und stimmte der Motion deshalb in einer abgeänderten Version zu. Diese geänderte Version wiederum fand nun in der WAK-N in einer Gegenüberstellung mit dem ursprünglichen Text mit 15 zu 9 Stimmen keine Mehrheit mehr. In der definitiven Abstimmung beantragte die Kommission mit 12 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung, die Motion abzulehnen. Aus Sicht der Mehrheit besteht keine ausreichende rechtliche Grundlage für ihre Umsetzung. Eine starke Minderheit will am ursprünglichen Motionstext und am Anliegen, die Wertschöpfung beim Käse in der Schweiz zu stärken, festhalten.

  1. Weitere Beschlüsse

Im Rahmen einer Diskussion zur Tourismusstrategie des Bundes hat die WAK-N eine Kommissionsmotion «Gleich lange Spiesse für städtische Individualbetriebe in der Hotellerie» (22.3021) verabschiedet. Sie will damit den Förderperimeter der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) auf die gesamte Schweiz ausweiten. Die SGH soll mit zusätzlichen finanziellen Mitteln ausgerüstet werden um sicherzustellen, dass diese Ausweitung nicht auf Kosten der bisher unterstützten Betrieben in den ländlichen Gebieten geschieht. Die Kommission argumentiert, seit der Pandemie sei es schwieriger für touristische Individual- und Familienbetriebe, Darlehen bei Banken zu beziehen, da die Risiken in der Tourismusbranche nun höher gewertet werden. Die Ausweitung der Tätigkeiten der SGH soll dem entgegenwirken und zur Wiederbelebung der Städte nach der Krise beitragen.

Vor dem Hintergrund von «Suisse Secrets» hat die Kommission beschlossen, im 2. Quartal das Thema «Pressefreiheit in Finanzplatzfragen» aufzunehmen und Anhörungen dazu durchzuführen.

Die Kommission hat am 21./22. Februar 2022 unter dem Vorsitz von Nationalrat Leo Müller (M-E/LU) und teilweise in Anwesenheit der Bundesräte Ueli Maurer und Guy Parmelin in Bern getagt.