Mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung ist die Kommission auf den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates zur Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» (24.026) eingetreten. Aus Sicht der Kommissionsmehrheit entspricht die Individualbesteuerung den heutigen gesellschaftlichen Realitäten am besten. Sie erhofft sich davon nebst einer Beseitigung der Heiratsstrafe auch Anreize zur vermehrten Erwerbstätigkeit von Zweitverdienenden, gleichzeitig möchte sie angesichts des Arbeitskräftemangels das inländische Fachkräftepotenzial besser ausschöpfen. Nicht zuletzt erachtet sie die Individualbesteuerung nach dem Bundesgerichtsurteil zum nachehelichen Unterhalt als kohärente Massnahme. Eine Kommissionsminderheit beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten. Sie möchte am Verständnis der Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft festhalten. Ausserdem befürchtet sie bei einer Einführung der Individualbesteuerung einen grossen Umsetzungsaufwand für die Einzelnen wie auch für die Steuerbehörden und für viele Paare komplizierte güterrechtliche Klärungen. Für die Beseitigung der Heiratsstrafe wären nach Ansicht der Minderheit andere Optionen wie z.B. ein Splittingmodell zu bevorzugen. In einer Gegenüberstellung zweier entsprechender Anträge gab die Kommission dem Vollsplitting mit 15 zu 1 bei 9 Enthaltungen den Vorzug gegenüber einem Splittingmodell mit Faktor 1,75, lehnte jedoch anschliessend ein Splittingmodell mit 13 zu 10 Stimmen grundsätzlich ab. In Bezug auf die konkrete Ausgestaltung der Individualbesteuerung lagen der Kommission drei noch nicht ausformulierte Konzeptanträge vor: Einer verlangte angesichts der angespannten Bundesfinanzen eine aufkommensneutrale Ausgestaltung, der zweite eine Beschränkung der Mindereinnahmen auf 0,5 Milliarden mittels Erhöhung der Progression im 9. und 10. Einkommensdezil. Der dritte würde zwar wie der Bundesrat maximale Einnahmenausfälle von 1 Milliarde Franken in Kauf nehmen, verlangt aber eine Anpassung des Steuertarifs und die Aufnahme der Kita-Finanzierung gemäss Entwurf der WBK-N (21.403) in die Vorlage. In einer konsultativen Abstimmungskaskade sprach sich die Kommission letztlich mit 15 zu 9 Stimmen gegen diese Optionen und für den Vorschlag des Bundesrates aus. Im Hinblick auf die Augustsitzung wird die Verwaltung nun zu den genannten Konzeptanträgen Formulierungsvorschläge ausarbeiten. Auf dieser Grundlage wird die Kommission dann die Detailberatung beenden, die Gesamtabstimmung durchführen und über die Abstimmungsempfehlung zur Volksinitiative befinden. Das Geschäft kommt in der Herbstsession in den Nationalrat.
Vorlage zur Einführung einer Investitionskontrolle bereit für die Herbstsession
Die Kommission hat die Beratung des Gesetzesentwurfs zur Einführung einer Investitionskontrolle (23.086) zu Ende geführt und die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 18 zu 6 Stimmen angenommen. Obwohl die Detailberatung bereits an der letzten Sitzung abgeschlossen werden konnte, war die Gesamtabstimmung auf die aktuelle Sitzung verschoben worden, um in der Zwischenzeit Fragen zu den in den Artikeln 3 Absatz 1 enthaltenen Schwellenwerten und deren Zusammenspiel klären zu können (vgl. Medienmitteilung vom 23. April 2024). Gestützt auf die Ausführungen der Verwaltung hat die Kommission in Art. 3 nun Anpassungen vorgenommen, um gewisse Bereiche mit sektorspezifischen Schwellen von der allgemeinen Bagatellschwelle im Art. 3 Abs. 1 auszunehmen.
Im Interesse der Rechtssicherheit ist die WAK-N bei den Art. 3 Abs. 1 und 2 zudem auf einen früheren Entscheid zurückgekommen, welcher eine Flexibilisierung des Geltungsbereichs bewirken sollte. Um dennoch über eine zukunftssichere, anpassungsfähige Gesetzgebung zu verfügen, beantragt die Kommission in Art. 3 Abs. 3 stattdessen eine zeitlich unbefristete Delegationsnorm, damit der Bundesrat bei Bedarf rasch auf neue Situationen reagieren kann.
Schliesslich hat die Kommission entschieden, die in Art. 5 vorgesehene unverbindliche Vorabklärung in einen verbindlichen Vorbescheid umzuwandeln, um die Rechtssicherheit für inländische Unternehmen zu erhöhen.
Kommission schafft Voraussetzungen für Systemwechsel beim Eigenmietwert
Die Kommission hat vom Ergebnis der Vernehmlassung zu ihrem Erlass in Umsetzung der parlamentarischen Initiative 22.454 (Einführung einer Objektsteuer auf Zweitliegenschaften) Kenntnis genommen. Sie hat den Entwurf mit 25 zu 0 Stimmen zuhanden des Nationalrats verabschiedet und stellt ihn gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme zu. Eine neue Verfassungsbestimmung soll die Grundlage dafür bilden, dass Kantone und Gemeinden auf selbstgenutzten Zweitliegenschaften eine besondere Liegenschaftssteuer erheben und so die Einnahmeneinbussen kompensieren können, die infolge eines vollständigen Systemwechsels bei der Eigenmietwertbesteuerung zu erwarten sind. Die Vorlage soll in der Herbstsession vom Nationalrat beraten werden.
Quoren bei allgemeingültig erklärten Gesamtarbeitsverträgen
Die Kommission hat eine breit angelegte Anhörung mit Vertreterinnen und Vertretern der Sozialpartner zu den Quoren bei allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen durchgeführt. Angehört wurden: Swissmem, das Centre Patronal, der Schweizerische Baumeisterverband, Gastrosuisse, der Auto Gewerbe Verband, der Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten, die Fédération des entreprises romandes sowie die Gewerkschaften Unia, Syna und Syndicom. Mit dieser Anhörung wollte sich die Kommission ein Bild darüber verschaffen, wie sich die Sozialpartner zu den in Art. 2 des Bundesgesetzes über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen definierten Quoren positionieren, und deren allfälligen Revisionsbedarf klären. Die WAK-N hat das SECO beauftragt, die von den Anhörungsteilnehmenden geäusserten Vorschläge schriftlich zu analysieren, so dass sie sich im 4. Quartal 2024 mit konkreten Anträgen aus der Kommission befassen kann.
Weitere Diskussionen und Beschlüsse
Die Kommission hat das Bundesamt für Landwirtschaft beauftragt, einen Vorentwurf in Umsetzung ihrer Kommissionsinitiative «Einführung einer Klimareserve für Schweizer Wein» (22.405) auszuarbeiten. Die Kantone sollen die Möglichkeit erhalten, Bestimmungen über die Genehmigung von AOC-Weinreserven, deren Haltung und Auflösung zu erlassen. Sieht ein Kanton die Möglichkeit der Reservebildung vor, soll diese für die Kelterer freiwillig sein. Im Lauf der weiteren Arbeiten soll geklärt werden, inwieweit der Bund Kompetenzen behalten muss, um beispielswiese Missstände oder Konflikte zwischen den Kantonen zu vermeiden. Ein Vorentwurf wird frühestens Ende 2024 vorliegen und anschliessend Gegenstand einer Vernehmlassung.
Nachdem auch die ständerätliche Wirtschaftskommission der parlamentarischen Initiative 23.462 betreffend den Wettbewerb zwischen Bundesunternehmen und Privaten zugestimmt hat (vgl. Medienmitteilung WAK-S vom 26. März 2024), hat die WAK-N nun den Auftrag, eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten. Sie hat dazu eine Subkommission eingesetzt, die ihr bis Ende dieses Jahres einen Vorentwurf unterbreiten wird.
Die WAK-N hat vom Bericht des Bundesrats vom 10. April 2024 zur Bankenstabilität Kenntnis genommen. Sie teilt die Auffassung, dass konkrete Massnahmen und neue TBTF-Regelungen im Lichte der Erkenntnisse der PUK, deren Bericht für Ende 2024 erwartet wird, beschlossen werden sollen. In diesem Sinn hat sie auch die Vorberatung der beiden Motionen 23.3456 und 23.3485 bis Anfang 2025 sistiert.
Voraussichtlich das letzte Mal hat die Kommission eine Aussprache mit dem Nationalbankpräsidenten Thomas Jordan geführt. Im Zentrum standen die Inflationsentwicklung, die Entwicklung des Frankenkurses und die künftigen Herausforderungen für die Schweizer Volkswirtschaft. Die Kommission schätzte den regelmässigen und wertvollen Austausch mit Herrn Jordan in den letzten zwölf Jahren sehr. Sie dankt ihm für seinen grossen und unermüdlichen Einsatz im Dienst der SNB und der Schweiz und wünscht ihm alles Gute.
Schliesslich beantragt die Kommission mit 14 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen, dem Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Serbien (24.039) zuzustimmen.
Die Kommission hat am 24./25. Juni 2024 unter dem Vorsitz von Nationalrat Thomas Aeschi (SVP/ZG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrätin Karin Keller-Sutter in Bern getagt.