Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) schafft bei der Revision des Versicherungsvertragsgesetz (VVG,  17.043 ) gleich lange Spiesse für Versicherer und Versicherungsnehmer. So soll künftig ein Recht auf Prämienreduktion bei Gefahrsminderung sowie auf Abschlagszahlungen bestehen. In zentralen Punkten wie der einseitigen Vertragsanpassung sowie dem Kündigungsschutz in der Krankenzusatzversicherung folgt die WAK-S oppositionslos den Entscheiden des Nationalrats.

​Die Kommission ist in der letzten Sitzung oppositionslos auf die Revision des Versicherungsvertragsgesetzes ( 17.043 ) eingetreten und hat nun die Detailberatung zu Ende geführt. Sie beantragt ihrem Rat dabei mit 9 zu 3 Stimmen, die vom Nationalrat beschlossene Ausweitung des Widerrufsrechts auf wesentliche Änderungen des Vertrags in Art. 2a nicht zu übernehmen. Weiter hat sie die Beschränkung des Kündigungsrechts bei Anzeigepflichtverletzungen auf 2 Jahre in Art. 6 Abs. 2 oppositionslos gestrichen. Eine Anzeigepflichtverletzung habe erhebliche Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlagen einer Police, eine Kündigung müsse möglich sein, sobald der Versicherer davon Kenntnis erhalte. Andererseits soll dafür die Leistungspflicht des Versicherers in Abs. 3 nur soweit eingeschränkt werden, wie der Eintritt des Schadens durch die Anzeigepflichtverletzung beeinflusst wurde. Weiter will die Kommission gleichlange Spiesse für Versicherer und Versicherungsnehmer schaffen und hat mit 7 zu 1 Stimmen bei einer Enthaltung in Art. 28a ein Recht auf eine Prämienreduktion bei Gefahrsminderung eingeführt. In Art. 35a beantragt die WAK-S einstimmig, kollektive Taggeldversicherungen vom durch den Nationalrat beschlossenen Kündigungsschutz auszunehmen. Bei Art. 35c zur Nachhaftung ist die Kommission mit 6 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung dem Nationalrat gefolgt. Minderheiten verlangen jedoch sowohl eine Ausweitung als auch die Streichung des Artikels. Einstimmig soll mit Art. 41a ein Anrecht auf Abschlagszahlungen in Streitfällen bis zum unbestrittenen Betrag eingeführt werden. Dies schaffe Klarheit und vereinfache die heutige Möglichkeit eine solche Zahlung nach Obligationenrecht zu verlangen. Eine Umkehr der Beweislast bei Obliegenheitsverletzung in Art. 45 wurde mit 8 zu 3 Stimmen abgelehnt, eine Minderheit beantragt diese Änderung jedoch im Ständerat erneut. Knapp mit 6 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung abgelehnt wurde eine Bestimmung, die Geschädigte in allen obligatorischen Haftpflichtversicherungen vor den Folgen einer Vertragsverletzung des Versicherungsnehmers schützen möchte, auch hier will eine Minderheit den Antrag im Rat erneut diskutieren. Entgegen dem Beschluss des Nationalrats beantragt die Mehrheit, das direkte Forderungsrecht für Geschädigte in Art. 60 Abs. 1bis, auf die vom Bundesrat vorgeschlagenen Fälle einzugrenzen. Eine Minderheit möchte sich hier dem Nationalrat anschliessen. Schliesslich wurden einige kleinere Anpassungen und sprachliche Verbesserung beschlossen. In der Gesamtabstimmung hiess die Kommission die Vorlage mit 7 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen gut. Das Geschäft kommt in der Herbstsession in den Ständerat.

2. Keine weitere Änderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes

Anders als ihre nationalrätliche Schwesterkommission lehnt es die WAK-S mit 10 zu 1 Stimmen ab, einer parlamentarischen Initiative von Nationalrätin Roberta Pantani (17.454) Folge zu geben. Diese Initiative möchte die Finma verpflichten, bei sämtlichen Entscheiden in erster Linie die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes zu berücksichtigen und verlangt eine fixe Frist für die Beantwortung von Gesuchen. Für die Kommission ist eine Berücksichtigung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz bereits heute Teil des Auftrags der Finma. Die parlamentarische Initiative sende ein falsches Signal und sei der falsche Weg, bestehende Missstände anzugehen. Zudem seien aktuell verschiedene weitere Vorstösse hängig und eine Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz in Vorbereitung.

3. Verzicht auf eine Anpassung beim System der Mehrwertsteuer-Freigrenze

Im Kontext mit einer Standesinitiative des Kantons Thurgau (18.316) hat die Kommission erneut über Massnahmen zur Einschränkung des Einkaufstourismus diskutiert. Seit dem 29. Mai liegt 2019 dazu auch ein Bericht des Bundesrats vor. Die Kommission ist nach einer eingehenden Diskussion zum Schluss gelangt, dass jede Anpassung am heutigen System der Mehrwertsteuer-Freigrenze neue Schwierigkeiten mit sich bringt. Sowohl Lösungen, die von den Konsumenten einen Negativbeweis verlangen wollen, damit sie von der Freigrenze profitieren können, (wie die Kt.Iv. 18.316) als auch Lösungen, die eine Beweispflicht für Konsumenten einführen möchten (z.B. den Nachweis einer bestimmten Aufenthaltsdauer im Ausland) sind in verschiedener Hinsicht untaugliche Ansätze. Sie sind administrativ enorm aufwändig, leicht zu umgehen und ihre Einhaltung für die Zollverwaltung entweder kaum oder gar nicht kontrollierbar. Die Kommission gibt aus diesen Überlegungen der Standesinitiative 18.316 mit 6 zu 1 bei 3 Enthaltungen keine Folge und verzichtet derzeit auch auf einen eigenen Kommissionsvorstoss. Sie behält sich vor, sich der Thematik erneut anzunehmen, wenn neue technologischen Möglichkeiten vorhanden sind.

4. Weitere Geschäfte zum Mehrwertsteuergesetz

Die Kommission hat sich mit einer parlamentarischen Initiative Feller befasst, die für nicht gewinnstrebige, ehrenamtlich geführte Sport- und Kulturvereine die Umsatzgrenze bei der Mehrwertsteuerpflicht aufheben will (17.448). Sie hat dem Beschluss ihrer Schwesterkommission, der parlamentarischen Initiative Folge zu geben, mit 5 zu 1 Stimmen bei 2 Enthaltungen zugestimmt. Damit hat die WAK-N die Aufgabe, innerhalb von zwei Jahren eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten.  Auch eine vom Nationalrat überwiesene Motion zur Beseitigung der Ungleichbehandlung von Sport- und Kulturvereinen im Mehrwertsteuergesetz (17.3657) beantragt die WAK-S mit 5 zu 2 Stimmen anzunehmen.

Mit 4 zu 3 Stimmen abgelehnt hat die Kommission hingegen die parlamentarische Initiative Hess 17.479, die eine generelle Anhebung der Umsatzgrenze für die Mehrwertsteuerpflicht auf 150'000 Franken verlangt. Sie hält die bestehende Umsatzgrenze – auch internationalen Vergleich – für angemessen. Das Geschäft geht somit für eine erneute Beratung an ihre Schwesterkommission zurück.

5. Weitere Beschlüsse

Nachdem die Finanzkommission des Ständerates in einem mündlichen Mitbericht die Beschlüsse der WAK-S vom 27. Juni zur Standortförderung 2020-2023 (19.016) einstimmig unterstützte, hat die Kommission alle fünf Zahlungsrahmen in der Gesamtabstimmung deutlich angenommen. Die Vorlage kommt nun im Herbst in den Ständerat.
Die Kommission beantragt ausserdem die Abschreibung der parlamentarischen Initiative Altherr 14.449 («Überhöhte Importpreise. Aufhebung des Beschaffungszwangs im Inland»). Da der Bundesrat im Rahmen der Botschaft zur Volksinitiative 19.037 («Stop der Hochpreisinsel – für faire Preise») einen indirekten Gegenvorschlag unterbreitet hat, besteht kein Grund mehr, die Arbeiten zur Initiative Altherr fortzuführen.
Im Weiteren beantragt die Kommission, die parlamentarische Initiative 16.423 von alt Ständerätin Keller-Sutter («Ausnahme von der Arbeitszeiterfassung für leitende Angestellte und Fachspezialisten») abzuschreiben. Sie möchte sich auf den Gesetzesentwurf beschränken, der im Rahmen parlamentarischen Initiative Graber 16.414 erarbeitet wurde. Diese Initiative verlangt eine Flexibilisierung des Arbeitsgesetzes für die gleichen Arbeitnehmerkategorien, möchte jedoch nicht auf die Arbeitszeiterfassung verzichten, sondern stattdessen ein besonderes Jahresarbeitszeitmodell einführen (vgl. auch Medienmitteilung der Sitzung vom 2. Mai 2019).
 
Informationen über die Geschäfte 18.034 (ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung), 18.096 (Vo.Iv. Trinkwasser), 19.025 (Vo.Iv. Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide) und 17.400 (Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung) finden Sie im Handout der Pressekonferenz der Kommission.
 
Die Kommission hat am 29./30. August 2019 unter dem Vorsitz von Ständerat Bischof Pirmin (CVP/SO) und teilweise in Anwesenheit von Bundespräsident Ueli Maurer und Bundesrat Guy Parmelin in Bern getagt.