​Vom 14. bis 18. Oktober 2018 fand in Genf die 139. Versammlung der Interparlamentarischen Union (IPU) statt. Im Rahmen dieser Versammlung fanden Sitzungen aller statutarischen Organe statt: Exekutivkomitee, Leitungsgremium, ständige Kommissionen, Komitee für die Menschenrechte von Parlamentsmitgliedern, Komitee für Fragen des Nahen Ostens, Parlamentarierinnen-Forum und Forum der jungen Parlamentsmitglieder.

Mit einem Resolutionsentwurf befasste sich in Genf lediglich die ständige Kommission für Demokratie und Menschenrechte. Diese debattierte intensiv über den im Hinblick auf die Verabschiedung des UNO-Migrationspakts erarbeiteten Entwurf der Resolution zur Intensivierung der interparlamentarischen Zusammenarbeit und der Governance im Migrationsbereich, bevor die Resolution letztlich in der Plenarversammlung verabschiedet wurde. Die Schweiz war in der Kommission mit Nationalrätin Margret Kiener Nellen und Nationalrat Christian Lohr vertreten.

Die Versammlung beschloss eine Dringlichkeitsdebatte zum Klimawandel durchzuführen, da sie es für erforderlich erachtet, gegen dessen verheerenden Auswirkungen tätig zu werden. Der von den Delegationen der Seychellen, von Fidschi, von Tonga, von Samoa und von den Föderierten Staaten von Mikronesien eingereichte Antrag, der mit 1106 zu 311 Stimmen bei 248 Enthaltungen angenommen wurde, übernahm die wesentlichen Punkte des Berichts des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) und hatte insbesondere das Ziel, die Erarbeitung der Verordnungen und Weisungen zur Umsetzung des Pariser Abkommens zu unterstützen und zu steuern.

Der Schweizer Delegation in Genf gehörten folgende fünf Mitglieder des Nationalrates und zwei Mitglieder des Ständerates an:

  1. SR Andrea Caroni (FDP, AR), Präsident der Delegation
  2. NR Christian Lohr (CVP, TG), Vizepräsident der Delegation
  3. NR Margret Kiener Nellen (SP, BE)
  4. SR Filippo Lombardi (CVP, TI)
  5. NR Felix Müri (SVP, LU)
  6. NR Laurent Wehrli (FDP, VD)
  7. NR Céline Amaudruz (SVP, GE)

Wichtige Debatten und Ereignisse für die Schweiz:

Nationalrätin Céline Amaudruz sprach in der Generaldebatte der Versammlung über die Rolle der Parlamente bei der Förderung von Frieden und Entwicklung im Zeitalter der Innovation und des technologischen Wandels. Sie betonte dabei insbesondere die Bedeutung der Legislativorgane jedes Landes bei der Definition der allgemeinen politischen Handlungsachsen, die Rolle der IPU als Diskussionsplattform und die Möglichkeit der Parlamente, dafür zu sorgen, dass Wissens- und Technologieaustausch wesentliche Elemente der Regierungstätigkeit sind. Ausserdem erinnerte sie an die Pflicht der Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die vorhandenen wissenschaftlichen Lösungen zu nutzen und zu propagieren.

Am Rande der Sitzung des Parlamentarierinnen-Forums präsentierten die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PVER), Ständerätin Liliane Maury Pasquier (SP, GE), und die IPU-Präsidentin Gabriela Cuevas Barron die erschreckenden Ergebnisse einer gemeinsamen Studie der IPU und der PVER über Sexismus, Belästigung und Gewalt gegenüber Frauen in europäischen Parlamenten.

Die lebhafteste Diskussion in der Plenarsitzung rief die Organisation einer Diskussionsveranstaltung durch die ständige Kommission für Demokratie und Menschenrechte hervor. Das Thema dieser Veranstaltung, die Rolle der Parlamente bei der Beendigung von Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Ausrichtung und der geschlechtlichen Identität sowie bei der Gewährleistung der Achtung der Menschenrechte von LGBTI-Personen, hatte bereits an der Plenarsitzung der 137. IPU-Versammlung in St. Petersburg für heftige Reaktionen gesorgt.

Aufgrund der Diskussionen zu diesem Thema bei der Schlusssitzung gelang es der Versammlung in Genf nicht, ihre Arbeiten abzuschliessen. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Notwendigkeit einer Lösung schlug das Exekutivkomitee der IPU vor, über folgende Frage abzustimmen: «Sind Sie einverstanden, dass die Versammlung die Planung und die Tagesordnung der ständigen Kommissionen ändern kann?» Diese Frage wurde von der Mehrheit der Mitglieder der nationalen Delegationen mit Ja beantwortet (874 zu 671 Stimmen bei 120 Enthaltungen). Dieser Beschluss stellt ein absolutes Novum dar und führt in der IPU ein Zensurinstrument ein!

Die hochrangige Beratergruppe zur Bekämpfung von Terrorismus und gewalttätigem Extremismus, deren Vizepräsidentin Nationalrätin Margret Kiener Nellen ist, war gezwungen, ihre Zusammensetzung zu ändern, da es erhebliche Kritik daran gegeben hatte, dass die von diesem Problem am meisten betroffenen Länder nicht in dieser Gruppe vertreten sind. Die bislang 12 Mitglieder umfassende Gruppe wird deshalb auf 21 nationale Parlamentsmitglieder aufgestockt, welche von den jeweiligen geopolitischen Gruppen (und nicht mehr vom Generalsekretär der IPU) sowie aufgrund ihres Fachwissens ausgewählt werden. Nach dieser Reorganisation ist die Gruppe der Zwölf plus neu mit 5 Mitgliedern (vorher 3) vertreten, wodurch sie neben der afrikanischen Gruppe die meisten Mitglieder aufweist. Die Mitglieder der Zwölf plus werden ihre fünf Kandidatinnen bzw. Kandidaten in Doha vorschlagen. Diese Beratergruppe soll als Plattform dienen, um die Massnahmen der Parlamente zur Bekämpfung von Terrorismus zu koordinieren.

Die Schweiz übernimmt neue Ämter in der IPU:

Margret Kiener Nellen wurde für den Zeitraum bis Oktober 2020 zur Präsidentin der Subkommission für Finanzen des Exekutivkomitees gewählt.

Laurent Wehrli wurde zum Mitglied des Komitees für Fragen des Nahen Ostens gewählt. Seine Kandidatur wurde von der Gruppe Zwölf plus unterstützt. Er folgt auf Nationalrat Müri.

Nationalrat Christian Lohr, Mitglied der ständigen Kommission für Demokratie und Menschenrechte, wurde zum Mitberichterstatter für den Bericht ernannt, der sich mit der Verwirklichung des Ziels der allgemeinen Gesundheitsversorgung bis 2030 und der Funktion der Parlamente bei der Gewährleistung des Rechts auf Gesundheit befasst.

Änderung der Statuten und Reglemente der IPU

Im Juni beriet das Exekutivkomitee der IPU die Anträge auf Änderung der Statuten und Reglemente der IPU. Fünf Anträge, die das Exekutivkomitee einstimmig angenommen hatte, wurden den Mitgliedern der IPU vorgelegt und in Genf sowohl vom Leitungsgremium als auch von der Versammlung verabschiedet. Die Änderungen betreffen namentlich die Funktion der statutarischen Organe der IPU und die Rolle des IPU-Präsidenten.

Nächste Versammlungen:

Nach der kurzfristigen Absage Argentiniens wird die 140. Versammlung im April 2019 (6.–10.04.2019) in Doha, Katar, stattfinden. Die 141. Versammlung wird Serbien im Herbst 2019 organisieren.

Weitere Informationen finden Sie auf der offiziellen Website der IPU (auf Französisch und Englisch).