Die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) klärten ab, weshalb die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts seit ihrer Betriebsaufnahme 2019 mit Problemen zu kämpfen hat und welche Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen sind. Sie stellten fest, dass bei der Planung der Berufungskammer die Fallzahlen und der Bedarf an Richterinnen und Richtern von Anfang an deutlich unterschätzt wurden. Dies hatte entscheidende Konsequenzen im Hinblick auf die Planung der Organisation der Berufungsinstanz, auf deren Funktionalität sowie auch auf den Raumbedarf. Die GPK beantragen den Kommissionen für Rechtsfragen (RK), eine Gesetzesrevision im Bereich der Organisation des Bundesstrafgerichts an die Hand zu nehmen, mit dem Ziel, ein unabhängiges Berufungs- oder Rechtsmittelgericht als zweite Instanz zu schaffen.

Am 1. Januar 2019 nahm die Berufungskammer als Teil des Bundesstrafgerichts (BStGer) in Bellinzona ihre Tätigkeit auf. Doch schon vor ihrer Betriebsaufnahme musste das Parlament in aller Eile die bis anhin geplanten finanziellen und personellen Ressourcen der Berufungskammer aufstocken. Zudem müssen sich die Aufsichtskommissionen des Parlaments bis heute mit Fragen der Unabhängigkeit der Berufungskammer sowie deren Raumsituation und unzureichenden Ressourcen befassen.

Aufgrund der problembehafteten Anfangsphase der Berufungskammer beschlossen die GPK abzuklären, wie und durch wen die neue Berufungskammer geplant worden war, wie der Aufbau erfolgte und welche Lehren sich für die Zukunft ziehen lassen.

Die Abklärungen zeigten, dass bei der Planung der Berufungskammer die Fallzahlen und der Bedarf an Richterinnen und Richtern von Anfang an deutlich unterschätzt wurden, dies obwohl eine interne Arbeitsgruppe bereits damals auf einen viel höheren Personalbedarf hingewiesen hatte. Die Fehleinschätzung der Fallzahlen und der zu niedrig veranschlagte Bedarf an Richterinnen und Richtern hatte entscheidende Konsequenzen im Hinblick auf die Planung der Organisation der Berufungsinstanz, auf deren Funktionalität sowie auch auf den Raumbedarf.

Die GPK kommen weiter zum Schluss, dass der damalige Präsident des BStGer sich zwar persönlich sehr für die Schaffung einer Berufungskammer eingesetzt hat, das Gericht jedoch unzureichend in die Erarbeitung der Vorlage einbezogen wurde. Die zuständige Verwaltungskommission des Bundesstrafgerichts (VK BStGer) wurde aussen vor gelassen. Der damalige Präsident des Bundesgerichts und die damalige Verwaltungskommission des Bundesgerichts (VK BGer) als für das Projekt zuständige Aufsichtsinstanz haben ihre Aufgabe ungenügend wahrgenommen und die Rollen nicht geklärt.

Insgesamt hat es bei der Planung und beim Aufbau der Berufungskammer an einem eigentlichen Projektmanagement gefehlt. Im Weiteren stellten die GPK Mängel in der Dossierführung sowie bei der Protokollierung der Beschlüsse der VK BStGer fest.

Als positiv erachten es die GPK, dass das BStGer heute eine sinnvolle Weiterentwicklung der Berufungskammer plant und diese Planung in den ordentlichen Organen nach den Grundsätzen des Projektmanagements durchführen will.

Für die Zukunft richten die GPK fünf Empfehlungen an die Gerichte (Ziff. 3.2 - 3.4 des Berichts vom 20. September 2022).

Die GPK sehen in organisatorischer und personeller Hinsicht Handlungsbedarf. Sie beantragen deshalb den Kommissionen für Rechtsfragen (RK), eine Gesetzesrevision im Bereich der Organisation des Bundesstrafgerichts an die Hand zu nehmen, mit dem Ziel, ein unabhängiges Berufungs- oder Rechtsmittelgericht als zweite Instanz zu schaffen (Ziff. 3.5 des Berichts). Dabei sind die derzeitigen Planungs- und Konzeptarbeiten des BStGer miteinzubeziehen.

Die GPK haben den Bericht am 20. September 2022 verabschiedet und beschlossen, ihn zu veröffentlichen. Sie haben unter dem Vorsitz von Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (SP, LU) und Ständerat Matthias Michel (FDP, ZG) in Bern getagt.