Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) hat ihre Vorberatungen zu den zwei umfassenden gesundheitspolitischen Vorlagen abgeschlossen, mit denen das Wachstum der Gesundheitskosten gebremst und Fehlanreize aufgrund unterschiedlicher Finanzierungsregimes beseitigt werden sollen.

Mit 17 Stimmen bei 7 Enthaltungen hat die Kommission den Entwurf zum zweiten Kostendämpfungspaket (22.062) in der Gesamtabstimmung angenommen. Sie hat die Bestimmungen des Pakets, das Massnahmen in sieben Bereichen vorsieht, an insgesamt drei Sitzungen beraten (siehe Medienmitteilungen vom 28.4.23 und 5.7.23). An dieser dritten Sitzung hat sie auf der Grundlage der Abklärungen der Verwaltung noch letzte Punkte geklärt. So beantragt sie, dass neu ab Beginn der Schwangerschaft, die entweder vom Arzt oder der Hebamme festgestellt werden muss, keine Kostenbeteiligung zu erheben ist. Aktuell sind Leistungen erst ab der 13. Schwangerschaftswoche von der Kostenbeteiligung befreit. Mit dieser Änderung wird auch das Anliegen der Kt. Iv. VD. Erstattung der Behandlungskosten bei Fehlgeburt, Windei oder Eileiterschwangerschaft (22.307) umgesetzt. Deshalb beantragt die Kommission, der Standesinitiative keine Folge zu geben.
Weiter beantragt die Kommission mehrere Ergänzungen am Entwurf des Bundesrates zum zweiten Kostendämpfungspaket. Demnach sollen die bereits heute von Hebammen durchgeführten Analysen bei der Mutter gesetzlich klar definiert werden. Während der Niederkunft sollen die Hebammen ebenso unter gewissen Voraussetzungen Medikamente ohne ärztliche Anordnung anwenden können (mit 17 zu 7 Stimmen). Auch will die Kommission die digitale Versichertenkarte mit der physischen Karte gleichsetzen und so die Digitalisierung fördern (einstimmig). Damit Rechnungen nachvollziehbar sind, soll zudem die Dauer der Konsultation darauf ausgewiesen werden (mit 14 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung). Schliesslich sollen die Prozesse bei der Vergütung von Impfungen vereinfacht werden, indem nur zwei, statt drei ausserparlamentarische Kommissionen darin einbezogen werden (mit 15 zu 0 Stimmen bei 7 Enthaltungen).
Die Vorlage kommt in die Herbstsession. Für die Eintretensdebatte und die Detailberatung liegen insgesamt 15 Minderheitsanträge vor.

Ein Schritt weiter in Richtung einer einheitlichen Finanzierung der KVG-Leistungen

Zum Abschluss der Beratungen der Differenzen zur Pa. Iv. Humbel. Finanzierung der Gesundheitsleistungen aus einer Hand. Einführung des Monismus (09.528) hat sich die Kommission nur noch mit der Frage befasst, ob zur Stärkung der Hausarzt-, Kinder- und Notfallmedizin differenzierte Tarife für verschiedene medizinische Fachgebiete ermöglicht werden sollen. Die Kantone hätten dabei die subsidiäre Kompetenz, entsprechende Zuschläge bei der Grund- und Notfallversorgung vorzusehen, die durch Abschläge in anderen Fachgebieten auszugleichen wären. Mit 13 zu 9 Stimmen hat sie beschlossen, auf diese Massnahme zu verzichten. Die Beratung der anderen Bestandteile dieser tiefgreifenden Reform hatte die Kommission bereits in der zweiten Lesung im Juli abgeschlossen (siehe Medienmitteilung vom 5.7.23). Der Nationalrat wird die Differenzen an der Herbstsession beraten und über insgesamt 18 Minderheitsanträge befinden.

Betreuung der Lernenden bei Kurzarbeit sicherstellen​

Die Kommission spricht sich einstimmig für die Vorlage des Bundesrates über die Kurzarbeitsentschädigung für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner (23.026) aus, die der Ständerat in der Sommersession – ebenfalls einstimmig – angenommen hat. Diese Vorlage sieht vor, das Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG) dahingehend anzupassen, dass Berufsbildnerinnen und Berufsbildner während des Bezugs von Kurzarbeitsentschädigung die Lernenden weiterhin ausbilden können. Die Kommission begrüsst diese Änderung, die nur geringe Mehrkosten verursacht, und dafür während Phasen der Kurzarbeit die Kontinuität und Qualität der Ausbildung gewährleistet.
Eine entsprechende Regelung, die während der Covid-19-Pandemie eingeführt wurde, läuft Ende 2023 aus. Mit der Vorlage des Bundesrates wird diese Regelung dauerhaft im AVIG verankert.

Leistungen von Wohlfahrtsfonds​​

Die Kommission hat Kenntnis genommen von den Ergebnissen der Vernehmlassung zum Vorentwurf, den sie in Umsetzung der Pa. Iv. Schneeberger. Leistungen zur Prävention sind im heutigen Umfeld eine wichtige Aufgabe von Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen (19.456) ausgearbeitet hatte. Sie beantragt ihrem Rat einstimmig, den Entwurf anzunehmen. Dieser sieht vor, das Zivilgesetzbuch so zu ändern, dass die soziale Funktion der Wohlfahrtsfonds gestärkt wird, indem der Katalog der Leistungen, die diese zur Erfüllung ihrer Nebenzwecke erbringen dürfen, erweitert wird. Die Kommission bestätigt den Entwurf, der in die Vernehmlassung geschickt wurde, beantragt aber, in den Übergangsbestimmungen zu präzisieren, dass die bereits bestehenden Wohlfahrtsfonds ihre Stiftungszwecke ändern dürfen, um die neuen Leistungen darin aufzunehmen. Nun ist es am Bundesrat, zum Entwurf Stellung zu nehmen.

Teilrevision des Transplantationsgesetzes​

Einstimmig unterstützt die SGK-N die Änderung des Transplantationsgesetzes (23.023) in der Gesamtabstimmung. Mit dieser Teilrevision sollen verschiedene Bestimmungen im Bereich der Spende und Transplantation von Organen, Gewebe und Zellen angepasst werden. Insbesondere werden ein Überwachungssystem für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse eingeführt und formell-gesetzliche Grundlagen für das Überkreuz-Lebendspende-Programm und die verwendeten Datenbanken geschaffen. Zudem sind Optimierungen im Vollzug vorgesehen. Die Kommission beantragt mit 19 zu 0 Stimmen bei 5 Enthaltungen, die Bestimmungen zum Organ- und Gewebespenderegister (Art. 10a des vom Volk angenommenen indirekten Gegenvorschlags zur Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten») so zu ergänzen, dass der Bundesrat auch eine direkte Abfrage der Spendebereitschaft bei der nationalen Zuteilungsstelle Swisstransplant vorsehen kann. Eine Minderheit beantragt zudem, die Organentnahme nach permanentem Herz-Kreislauf-Stillstand zu verbieten, da die Feststellung des Todes in diesen Fällen unsicher sei. Auch diese Vorlage wird in der Herbstsession behandelt.

Weitere Geschäfte​

Die Kommission hat sich weiter erneut mit der Pa. Iv. (Weibel) Bäumle. Gebühr für Bagatellfälle in der Spitalnotfallaufnahme (17.480) befasst. Sie hat bei der Verwaltung weitere Abklärungen zum Einsparpotential der Vorlage in Auftrag gegeben und plant, im nächsten Quartal ihre Beratungen fortzusetzen.

Die Kommission beantragt mit 15 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Frist zur Ausarbeitung eines Erlassentwurfs in Umsetzung der Pa. Iv. Siegenthaler. Regulierung des Cannabismarktes für einen besseren Jugend- und Konsumentenschutz (20.473) um zwei Jahre zu verlängern.

Die Kommission beantragt einstimmig, die Frist zur Ausarbeitung eines Erlassentwurfs in Umsetzung der Pa. Iv. Lohr. Entschädigung von Hilfeleistungen von Angehörigen im Rahmen des Assistenzbeitrages (12.409) um zwei Jahre zu verlängern.

Die Kommission hat sich zur Änderung der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV) in Umsetzung der Mo. Nationalrat (SGK-NR). Invaliditätskonforme Tabellenlöhne bei der Berechnung des IV-Grads (22.3377) konsultieren lassen. Sie unterstützt mit 17 zu 6 Stimmen bei 1 Enthaltung die rasche Einführung eines Pauschalabzuges in der Höhe von 15 Prozent als Übergangslösung. Zur mittelfristigen Umsetzung hält sie jedoch daran fest, die invaliditätskonformen Löhne am Modell Riemer-Kafka/Schwegler zu berechnen, das der Lebensrealität der betroffenen Personen gerechter werde.

In einem Mitbericht an die Finanzkommission ihres Rates (FK-N) zur Pa. Iv. FK-NR. Einbezug der Finanzkommissionen bei Vorstössen und Erlassentwürfen von Sachbereichskommissionen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen sicherstellen (22.483) beantragt die Kommission mit 11 zu 7 Stimmen bei 3 Enthaltungen, auf die Ausweitung des Antragsrechts der Finanzkommissionen im Mitberichtsverfahren zu verzichten. Es sei kaum möglich, finanz- und sachpolitische Einschätzungen klar zu trennen. Zudem würde die Änderung eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Kommissionen schaffen.

Die Kommission tagte am 31. August und 1. September 2023 in Genf unter der Leitung von Céline Amaudruz (SVP, GE).