Finanzpolitische Standortbestimmung
Anlässlich ihrer finanzpolitischen Standortbestimmung nahm die Finanzkommission des Nationalrates (FK-N) vom
provisorischen Ergebnis der Rechnung 2022 Kenntnis. Nach den Rekorddefiziten in den Vorjahren (15,8 Milliarden Franken im 2020 und 12,2 Milliarden im 2021) ist das Finanzierungsdefizit des Bundes im Jahr 2022 mit 4,3 Milliarden Franken erneut sehr hoch. Das negative Ergebnis ist zum einen auf die ausserordentlichen Massnahmen zugunsten von Schutzsuchenden aus der Ukraine und zur Pandemiebekämpfung zurückzuführen. Zum ersten Mal seit 2005 weist der Bund aber auch im ordentlichen Haushalt ein strukturelles Defizit auf (1,6 Milliarden). Die Kommission bedauert insbesondere die hohen Abweichungen bei den Einnahmen aus der Verrechnungssteuer, welche in der Rechnung 45 Prozent tiefer ausfallen als budgetiert (- 3,2 Milliarden). Die Finanzkommissionen werden sich im zweiten Quartal im Detail mit der Staatsrechnung 2022 befassen.
Weiter hat die FK-N die aktuelle Haushaltslage und den
finanzpolitischen Rahmen, den der Bundesrat am 15. Februar 2023 für die Erstellung des
Voranschlags 2024 und die Finanzplanjahre 2025-2027 festgelegt hat, eingehend diskutiert. Er berücksichtigt das Rechnungsergebnis 2022, die neueste Konjunkturprognose und die Entscheide des Parlaments in der Wintersession 2022. Bereits am 25. Januar 2023 hatte der Bundesrat umfangreiche
Massnahmen zur Haushaltsbereinigung in verschiedenen Bereichen beschlossen. Sie reduzieren die strukturellen Finanzierungsdefizite in den Jahren 2024-2026 um rund 1,6 Milliarden. Um die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten zu können, sieht der Bundesrat im Voranschlag 2024 auch lineare Kürzungsvorgaben von knapp 500 Millionen vor. Die Kommission hat sich mit den einzelnen Bereinigungsmassnahmen befasst, welche entsprechend einer
Empfehlung der ständerätlichen Finanzkommission primär ausgabenseitig erfolgen sollen. Trotz dieser Massnahmen dürften die strukturellen Defizite ab 2025 hoch bleiben. Die Kommission liess sich weiter orientieren über das Vorhaben des Bundesrates, die Entlastungsmassnahmen zwecks Bereinigung in den Finanzplanjahren 2025-2027 auf die stark gebundenen Ausgaben auszudehnen. Ob diese Massnahmen genügen werden, um die Vorgaben der Schuldenbremse einzuhalten, ist aus heutiger Sicht fraglich, nicht zuletzt aufgrund des hohen Investitionsbedarfs in gewissen Bereichen (z.B. Digitalisierung).
In den kommenden Monaten wird der Voranschlag 2024 durch die Verwaltung entworfen. Nach dessen materieller Verabschiedung durch den Bundesrat Ende Juni 2023 werden die Finanzkommissionen ihre Beratungen aufnehmen, welche sich bis zur Wintersession 2023 hinziehen werden. Zu den Entlastungsmassnahmen auf der Stufe der stark gebundenen Ausgaben sieht der Bundesrat derzeit vor, dem Parlament bis Ende Jahr einen Mantelerlass zu unterbreiten.
Weitere Geschäfte
Mit 16 zu 7 Stimmen beantragt die FK-N dem Nationalrat, der
parlamentarischen Initiative Burgherr (22.465 n) keine Folge zu geben. Der Initiant schlägt vor, dass das Bundespersonalgesetz ergänzt wird, damit insbesondere die Anzahl Stellen in der Bundesverwaltung nicht mehr als im privaten Sektor und die Bundespersonalausgaben nicht mehr als das Schweizer BIP wachsen. Aus Sicht der Kommissionsmehrheit würde der Handlungsspielraum des Gesetzgebers damit zu stark eingeschränkt werden. Eine Minderheit beantragt, der Initiative Folge zu geben.
Die Kommission hat ferner mit der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen eine
Aussprache über aktuelle internationale Finanz- und Steuerthemen geführt. Dabei diskutierte sie unter anderem das weitere Vorgehen im Zusammenhang mit der Umsetzung der OECD-Mindestbesteuerung, die Rolle der Finanzmärkte beim Wiederaufbau der Ukraine und den Marktzugang von Finanzdienstleistern in Deutschland und Italien. Gegenstand der Diskussion waren auch das Grenzgängerabkommen mit Italien und die Nachhaltigkeit im Finanzsektor.
Die Kommission hat am 23. Februar 2023 unter dem Vorsitz ihres Präsidenten, Nationalrat Roland Fischer (GLP, LU), in Bern getagt. Zeitweise anwesend waren die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen sowie weitere Vertreterinnen und Vertreter des Eidgenössischen Finanzdepartements.