Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) präsentiert in ihrem heute veröffentlichten Bericht die Ergebnisse ihrer Untersuchung über die Buchungsunregelmässigkeiten bei der PostAuto AG und die Schlussfolgerungen, die sie aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht aus dieser Angelegenheit zieht. Aus ihren zwischen Februar 2018 und September 2019 vorgenommenen Abklärungen geht hervor, dass der Bundesrat, das UVEK und die anderen zuständigen Einheiten und Organe über Jahre hinweg eine mangelhafte Aufsicht über PostAuto ausübten und die Kompetenzverteilung zwischen den beteiligten Akteuren nicht klar genug geregelt ist. Die Kommission begrüsst, dass – unter anderem vom Bundesrat und vom UVEK – Lehren aus dieser Affäre gezogen wurden. Bei einer Vielzahl von Aspekten sieht sie allerdings noch Klärungsbedarf. Ausserdem bedarf es in ihren Augen einer stärkeren Beaufsichtigung der bundesnahen Unternehmen durch den Bundesrat und die Bundesverwaltung.

Die Aufdeckung eines Systems grosser Buchungsunregelmässigkeiten bei der PostAuto Schweiz AG, einer Tochtergesellschaft der Schweizerischen Post, Anfang Februar 2018 fand grosse Beachtung und hatte zahlreiche Auswirkungen. Als Organ der parlamentarischen Oberaufsicht verfolgte die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) diese Angelegenheit aufmerksam. Zwischen Februar 2018 und September 2019 führte sie zahlreiche Anhörungen zu diesem Thema durch, richtete sie per Schreiben eine Vielzahl von Fragen an die betroffenen Akteure und analysierte sie die Unterlagen und Berichte dieses Dossiers. Die Kommission klärt in einem heute veröffentlichten Bericht den Sachverhalt aufgrund von Informationen, die sie bis Ende September 2019 erhob, und legt die Schlussfolgerungen dar, die sie aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht aus diesem Fall zieht. In ihrem Bericht richtet sie fünfzehn Empfehlungen an den Bundesrat. Gleichzeitig reicht sie sechs Postulate und eine Motion zuhanden des Bundesrates ein. Alle Empfehlungen und parlamentarische Vorstösse wurden von der Kommission einstimmig angenommen.

Unter Berücksichtigung ihres Zuständigkeitsbereichs hat die GPK-S in erster Linie geprüft, ob der Bundesrat sowie die zuständigen Departemente und Verwaltungseinheiten die Post und PostAuto angemessen beaufsichtigt und gesteuert haben. Zudem hat sie untersucht, welche allgemeinen Lehren in Bezug auf die Steuerung und Beaufsichtigung der Post und der anderen bundesnahen Unternehmen aus diesem Fall gezogen werden können. Angesichts des laufenden Verwaltungsstrafverfahrens nimmt die Kommission keine Stellung zu allfälligen individuellen Verantwortlichkeiten in der PostAuto-Affäre oder zu den von der Post ab 2018 ergriffenen Massnahmen.

Im Allgemeinen möchte die GPK-S betonen, dass sie die unrechtmässigen Vorgänge bei PostAuto aufs Schärfste verurteilt. In ihren Augen ist es unverständlich, dass es zu diesen Vorgängen kommen konnte und diese über Jahre hinweg weder von den internen Aufsichtsorganen noch von der externen Revision des Konzerns bemerkt und dem Eigner zur Kenntnis gebracht wurden.

Beaufsichtigung und Steuerung von Post und PostAuto

Die Hauptverantwortung für die Beaufsichtigung und Steuerung von PostAuto liegt beim Verwaltungsrat der Post. Unter Berücksichtigung ihres Zuständigkeitsbereichs konzentrierte sich die GPK-S bei ihrer Beurteilung auf die Beaufsichtigung und die Steuerung des Unternehmens durch das UVEK und die Verwaltungseinheiten, die den Bund als Eigner vertreten.

Die GPK-S hält fest, dass der Bundesrat, das UVEK und die anderen zuständigen Einheiten und Organe im Zeitraum vor der Enthüllung der PostAuto-Affäre (2007–2017) eine mangelhafte Aufsicht über PostAuto ausübten und gegenüber dem Unternehmen teilweise widersprüchliche Positionen vertraten. Gemäss Analyse der Kommission ist eine Kombination aus mehreren Schwachpunkten beim UVEK, beim Bundesamt für Verkehr (BAV) und bei der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) dafür verantwortlich, dass die unrechtmässige Buchungspraxis bei PostAuto nicht früher aufgedeckt wurde. Die Untersuchung der GPK-S ergab, dass das UVEK und die EFV mindestens seit 2011 Kenntnis hatten vom Zielkonflikt, mit dem sich PostAuto bezüglich der Gewinnerzielung konfrontiert sah. Trotzdem haben sie damals nichts unternommen, was die Kommission nicht nachvollziehen kann und deutlich rügt. In gewissen Medien wurde zudem behauptet, dass das UVEK im September 2011 über die unrechtmässige Buchungspraxis bei PostAuto informiert worden war. Anhand der ihr derzeit vorliegenden Informationen kann die GPK-S diese Feststellung nicht bestätigen. Die Kommission wird diesen Punkt allerdings weiterhin untersuchen. Sie behält sich die Möglichkeit vor, ihre Einschätzung zu einem späteren Zeitpunkt anzupassen, sollte sie – namentlich nach Beendigung des laufenden Verwaltungsstrafverfahrens – entscheidende neue Informationen erhalten. Von diesen Punkten abgesehen, konnte die GPK-S keine schweren Verfehlungen oder rechtswidrigen Verhaltensweisen feststellen.

Die Kommission ist der Ansicht, dass die zuständigen Akteure nach dem Bekanntwerden der PostAuto-Affäre (2018/19) im Grossen und Ganzen angemessen reagiert haben. Dennoch hat die GPK-S bei ihren Arbeiten verschiedene Punkte festgestellt, wo aus Sicht der Oberaufsicht Handlungsbedarf besteht. Die GPK-S ist zudem der Auffassung, dass der Bundesrat, das UVEK und die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) insgesamt defensiv gehandelt haben, was die Intervention des Bundes bei der Post betrifft, und dass sie sich weitgehend auf die Arbeiten der Post verlassen haben.

Die GPK-S hat sich im Rahmen ihrer Arbeiten auch mit dem Sonderfall CarPostal France befasst. Es hat sich gezeigt, dass die Finanzlage dieses PostAuto-Tochterunternehmens über Jahre hinweg erheblich zu positiv dargestellt wurde. Die GPK-S bedauert dies ausserordentlich und betrachtet den Rückzug von PostAuto vom französischen Markt als angemessenen und notwendigen Schritt. Die Abklärungen der Kommission haben ergeben, dass sich das UVEK und die EFV regelmässig über die PostAuto-Aktivitäten in Frankreich erkundigten, sich dabei jedoch kritischer hätten zeigen müssen. Die GPK-S kann nicht beurteilen, ob der Bundesrat und das Parlament die Expansionsstrategie von PostAuto in Frankreich in den letzten Jahren auch unterstützt hätten, wenn die Finanzlage von CarPostal France realitätsgetreu dargestellt worden wäre. Der Kommission ist es wichtig, dass abgeklärt wird, ob die Finanzhilfen der Schweizerischen Post an CarPostal France mit dem Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vereinbar sind, damit gegebenenfalls Lehren für alle bundesnahen Unternehmen gezogen werden können.
Allgemein hat der Bundesrat in den Augen der GPK-S nach Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens zu PostAuto noch verschiedene Aspekte zu klären. Ausserdem erwartet sie vom Bundesrat, dass er in einem Bericht eine Gesamtbilanz der PostAuto-Affäre zieht.

Allgemeine Lehren aus der PostAuto-Affäre

Die GPK-S begrüsst die vom UVEK und vom BAV nach der Enthüllung der PostAuto-Affäre vorgenommenen Abklärungen zur Aufsicht über die Unternehmen des subventionierten regionalen Personenverkehrs (RPV) und die in diesem Bereich ergriffenen Verbesserungsmassnahmen. Sie formuliert verschiedene Forderungen zu diesem Thema. Sie ist weiter der Auffassung, dass die Schnittstellen und die Rollenverteilung zwischen dem BAV und den zuständigen kantonalen Behörden klarer definiert werden müssen. Ausserdem sollte der Bundesrat prüfen, ob es nicht zweckmässig wäre, die Rechtsgrundlagen für die Gewinnverwendung im subventionierten RPV zu revidieren.

Die GPK-S hat ferner geprüft, welche Lehren in Sachen Steuerung und Beaufsichtigung der bundesnahen Unternehmen aus der PostAuto-Affäre gezogen werden können. Sie ist der Ansicht, dass die vom Bundesrat bis dato ergriffenen Massnahmen noch nicht weit genug gehen und es im bestehenden Rahmen einer verstärkten Aufsicht über die Unternehmen bedarf, namentlich was die obersten Aufsichtsinstanzen angeht.

Die Organe, die den Bund als Eigner vertreten, sollten nach Auffassung der GPK-S ihre Rolle im Bereich der strategischen Führung und Aufsicht aktiver wahrnehmen. Die Kommission hat hierzu im heute veröffentlichten Bericht mehrere Empfehlungen und parlamentarische Vorstösse formuliert, namentlich betreffend die Zielkonflikte der Unternehmen, die unternehmensinternen Aufsichtsinstrumente und die Aufsicht über die wichtigsten Tochtergesellschaften.

Die Kommission ist der Ansicht, dass in den Organen, die den Bund als Eigner vertreten, organisatorische Massnahmen ergriffen werden müssen. Sie regt an, eine Grundsatzdebatte über die jeweiligen Verantwortlichkeiten, Kompetenzen und Aufgaben dieser Einheiten zu führen. Ausserdem ist die Aufsichts- und Führungsrolle des Bundesrates zu stärken. Zu diesem Zwecke beauftragt die GPK-S den Bundesrat, einen ständigen Aufsichtsausschuss zu den bundesnahen Unternehmen einzurichten. Darüber hinaus ersucht sie den Bundesrat, für einen intensiveren Austausch und eine bessere Koordination zwischen den Eignerdepartementen und der EFV auf der einen und den sektorspezifischen Aufsichtsbehörden (wie dem BAV) auf der anderen Seite zu sorgen.

Ferner ruft die GPK-S den Bundesrat dazu auf, sicherzustellen, dass künftig alle bundesnahen Unternehmen als «Gesellschaften des öffentlichen Interesses» im Sinne des Revisionsaufsichtsgesetzes gelten, was derzeit nicht der Fall ist. Der Bericht der Kommission enthält im Weiteren verschiedene Anmerkungen zur Aufsichtsrolle der EFK und zur Ausübung der parlamentarischen Oberaufsicht.

Die Kommission hat den Bundesrat aufgefordert, bis 26. Februar 2020 schriftlich zu den Feststellungen und Empfehlungen der Kommission Stellung zu nehmen.

Die GPK-S hat am 12. November 2019 unter dem Vorsitz von Ständerätin Anne Seydoux-Christe (CVP, JU) in Bern getagt.