Mit zwei Kommissionsinitiativen will die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates sicherstellen, dass die Bundesversammlung für künftige Krisen gut gewappnet ist und sich auch in Notsituationen rasch und wirkungsvoll einbringen kann.

​Die aktuelle Corona-Krise hat die politischen Institutionen und insbesondere auch die Bundesversammlung auf eine harte Probe gestellt. Im Hinblick auf allfällige künftige Krisen soll deshalb geprüft werden, wie der rasche Einbezug des Parlamentes und seiner Organe in den politischen Entscheidungsprozess auch in Notsituationen sichergestellt werden kann. Die parlamentarischen Organe sollen jederzeit in der Lage sein, ihrer Tätigkeit nachzukommen. Mit einer einstimmig beschlossenen Kommissionsinitiative fasst die SPK deshalb entsprechende Anpassungen des Parlamentsrechts ins Auge (20.437 Pa. Iv. Handlungsfähigkeit des Parlaments in Krisensituationen verbessern).
Das Vertrauen in Notrecht steigt, wenn es breiter abgestützt ist: Deshalb will die SPK auch sicherstellen, dass das Parlament seine Notrechtskompetenzen zeitgerecht nutzen und das Notrecht des Bundesrates wirkungsvoll überprüfen kann. Mit einer mit 24 zu 0 Stimmen und einer Enthaltung beschlossenen Kommissionsinitiative wird verlangt, entsprechende gesetzliche Anpassungen zu prüfen (20.438 Pa. Iv. Nutzung der Notrechtskompetenzen und Kontrolle des bundesrätlichen Notrechts in Krisen). Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, z.B. auch die mit anderen parlamentarischen Initiativen geforderte Schaffung einer Delegation zur Prüfung der Notverordnungen des Bundesrats.
Damit die SPK die Arbeiten beginnen kann, braucht es die Zustimmung der Schwesterkommission des Ständerates.

Stimmrechtsalter 16 scheitert äusserst knapp

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die SPK mit der Forderung der Einführung des Stimm- und Wahlrechtsalters für 16-Jährige beschäftigt hat. Auch dieses Mal fand das Anliegen keine Mehrheit, wenn auch knapp: Die Kommission lehnt die parlamentarische Initiative von Nationalrätin Sibel Arslan (G, BS) mit 12 zu 12 Stimmen, einer Enthaltung und Stichentscheid des Präsidenten ab (19.415 n Pa. Iv. Den jungen Menschen eine Stimme geben. Aktives Stimm- und Wahlrecht für 16-Jährige als erster Schritt ins aktive politische Leben). Die Kommission ist der Ansicht, dass die Entwicklung in den Kantonen abgewartet werden soll. Sie erachtet es grundsätzlich als problematisch, wenn politische Rechte ausgeübt werden könnten, bevor das zivile Mündigkeitsalter erreicht ist. Es ist auch nicht sinnvoll, wenn ein Teil der Stimmberechtigen nur über das aktive Stimmrecht verfügt und so Stimmberechtigte zweiter Klasse geschaffen werden.

Nach Ansicht der Minderheit würde die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen einen guten Einstieg in die politische Beteiligung bedeuten. Mit dem Erreichen der zivilen Mündigkeit könnte dann auch das passive Wahlrecht gewährt werden. Der Bund sollte vorangehen und den Jugendlichen, welche die Folgen heutiger politischer Entscheid zu tragen haben, das aktive Stimmrecht mit 16 Jahren gewähren.

Gegenentwurf zur Transparenz-Initiative soll weniger weit gehen: Keine Offenlegung von Zuwendungen

Am 16. Dezember 2019 hat der Ständerat beschlossen, Volk und Ständen die Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» (18.070) zur Ablehnung zu empfehlen, ihr aber einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber zu stellen (19.400 s Pa. Iv. SPK-SR. Mehr Transparenz in der Politikfinanzierung). Die vom Ständerat beschlossenen Änderungen des Bundesgesetzes über politische Rechte sehen vor, dass politische Akteure nicht nur ihre Einnahmen, sondern auch ihnen gewährte Zuwendungen, welche den Wert von 25'000 Franken übersteigen, offenlegen müssen. Der SPK des Nationalrates geht dies zu weit: Mit 12 zu 11 Stimmen und 1 Enthaltung hat sie beschlossen, dass politische Parteien und Personen und Personengesellschaften, die im Hinblick auf Wahlen und Abstimmungen Kampagnen führen, erhaltene Zuwendungen nicht offenlegen müssen. Nach Ansicht der Kommission stellt es einen grossen Eingriff in die Privatsphäre von Spenderinnen und Spendern dar, wenn ihre Namen offengelegt werden müssen. Hingegen sollen kampagnenführende Personen und Personengesellschaften ihre Einnahmen und auch die Ausgaben offenlegen müssen, wenn sie mehr als 50'000 Franken aufwenden. Der Ständerat hatte diese Schwelle bei 250'000 Franken festgesetzt.
Im Gegensatz zum Ständerat sieht die Nationalratskommission vor, dass auch Mitglieder des Ständerates die Finanzierung ihrer Kampagne offenlegen müssen. Zudem fordert die Nationalratskommission eine stichprobenweise Kontrolle der von den Parteien und Organisationen eingereichten Dokumente.
Die Kommission hat der so geänderten Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 15 zu 10 Stimmen zugestimmt. Eine Minderheit sieht keine Notwendigkeit, Regelungen in diesem Bereich vorzusehen und beantragt Nichteintreten.

Volksinitiative für das Verhüllungsverbot: Kommission hält an Ablehnung fest

Nachdem der indirekte Gegenentwurf zur Volksinitiative für ein Verhüllungsverbot nun zwischen den Räten bereinigt ist, hat die Kommission noch definitiv Beschluss über die Volksinitiative gefasst: Mit 14 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen beantragt die Kommission, dass der Nationalrat wie schon der Ständerat die Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung empfiehlt (19.023 s Ja zum Verhüllungsverbot. Volksinitiative und indirekter Gegenentwurf). Die Beratungen der Initiative hat die Kommission bereits letzten Herbst vorgenommen (vgl. Medienmitteilung der SPK-N vom 11. Oktober 2019, in welcher die Argumente von Mehr- und Minderheit dargelegt sind).

Schutzkonzept für das Sammeln von Unterschriften

Die Kommission hat davon Kenntnis genommen, dass der Bund ein Standardschutzkonzept für Unterschriftensammlungen ausgearbeitet hat. In der Kommission gibt es Zweifel, ob dieses Konzept praxistauglich ist. Es ist deshalb wichtig festzuhalten, dass es sich bei diesem Konzept um eine Empfehlung handelt und die Komitees frei sind, eigene Regeln anzuwenden. Es wurden in der Kommission auch Wünsche geäussert, im Hinblick auf allfällig länger dauernde Einschränkungen aus sanitären Gründen Vereinfachungen für die Komitees zu prüfen und die Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf die Nutzung der politischen Rechte zu verstärken. Allenfalls wäre auch ein erneuter Fristenstopp zu prüfen.

Die Kommission ist mit den Vorschlägen des Bundesrates betreffend das Proximity-Tracing-System zufrieden

Die Kommission hat mit Befriedigung davon Kenntnis genommen, dass ihre Motion 20.3144 umgesetzt worden ist. Sie hat festgestellt, dass der Entwurf des Bundesrates für ein dringliches Bundesgesetz betreffend die Einführung des Proximity-Tracing-Systems (20.040) bezüglich der wichtigsten Punkte ihren Erwartungen entspricht: dezentralisiertes System, open source, Freiwilligkeit, beschränkte Zeitdauer und Konformität mit den Anforderungen des Datenschutzes.

Die Kommission tagte am 28./29. Mai 2020 unter dem Vorsitz ihres Präsidenten Nationalrat Andreas Glarner (SVP/AG) in Bern.