Besteht der Bundesrat aus neun Mitgliedern könnten die parteipolitischen Kräfteverhältnisse besser abgebildet werden. Auch die verschiedenen Landesgegenden, Sprachregionen und Geschlechter können besser berücksichtigt werden. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates will deshalb erneut eine Vorlage für die Vergrösserung des Bundesratsgremiums ausarbeiten, nachdem eine solche Vorlage vor fünf Jahren im Nationalrat noch knapp gescheitert ist.

​Die Kommission spricht sich mit 14 zu 9 Stimmen für eine parlamentarische Initiative von Nationalrätin Nadine Masshardt (S, BE) aus (19.503 Konkordanz stärken mit neun Bundesratsmitgliedern). Die Kommission stellt fest, dass die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrates die Kräfteverhältnisse im Parlament bedeutend weniger gut abbildet als früher. Eine Vergrösserung des Gremiums würde Spielraum bieten, um alle relevanten politischen Kräfte angemessen in die Regierung einzubeziehen. Dieser breite Einbezug der politischen Kräfte in die Regierungsarbeit ist ein wichtiges Element des schweizerischen politischen Systems. Zudem könnten die zunehmenden Regierungsaufgaben auf mehr Schultern verteilt und die einzelnen Regierungsmitglieder entlastet werden.
Die Minderheit der Kommission ist der Ansicht, dass es der Stabilität des politischen Systems abträglich ist, wenn man aufgrund geänderter politischer Kräfteverhältnisse im Parlament die Grösse des Regierungsorgans ändert. Besteht die Regierung aus mehr Mitgliedern und somit auch aus mehr Departementen würde zudem der Koordinationsbedarf steigen, was eher zu einer Mehrbelastung der einzelnen Regierungsmitglieder führen würde. Durch den erhöhten Verwaltungsaufwand würden auch mehr Kosten entstehen.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge: Ablehnung der Vorlage

In der vergangenen Herbstsession hat der Ständerat mit 27 zu 12 Stimmen einer Änderung der Bundesverfassung zugestimmt, wonach völkerrechtliche Verträge, die Bestimmungen von Verfassungsrang enthalten oder deren Umsetzung die Änderung der Bundesverfassung erfordert, Volk und Ständen neu obligatorisch zur Abstimmung unterbreitet werden müssen (20.016 s Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge. Änderung von Artikel 140 der Bundesverfassung). Die Kommission des Nationalrates lehnt nun diese Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 18 zu 7 Stimmen ab und beantragt dem Rat Nichteintreten. Die Kommission ist nach längerer Diskussion zur Auffassung gelangt, dass keine befriedigende Definition gefunden werden kann, welche Verträge dem obligatorischen Referendum zu unterstellen sind. Die vorgeschlagene Verfassungsänderung würde mehr Verwirrung stiften, denn Klärung schaffen. Die Bundesversammlung kann schon heute Verträge von grosser Bedeutung dem obligatorischen Referendum unterstellen. Der Vorschlag, diese Möglichkeit anstelle einer Definition der Kriterien in der Verfassung zu verankern bringt nach Ansicht der Kommission keinen Mehrwert und wurde von der Kommission auch nicht weiterverfolgt.
Die Minderheit ist der Ansicht, dass angesichts der immer grösseren Bedeutung von Staatsverträgen, welche z.T. auch Auswirkungen auf Kantone und Gemeinde haben, in der Bundesverfassung definiert werden sollte, welche Verträge dem obligatorischen Referendum unterstellt werden sollen.

Transparenz-Initiative wird Volk und Ständen zur Ablehnung empfohlen

Die Kommission beantragt dem Rat mit 14 zu 9 Stimmen, die Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» (18.070) Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen. Die am 10. Oktober 2017 eingereichte Transparenz-Initiative verlangt, dass Parteien und Komitees ihre Finanzen transparent machen müssen. Der indirekte Gegenentwurf (19.400) zu dieser Initiative befindet sich auf der Zielgeraden. Diese vom Parlament erarbeiteten Transparenzvorschriften auf Gesetzesstufe sind einer allzu detaillierten Regelung auf Verfassungsstufe, wie sie von der Volksinitiative vorgeschlagen wird, vorzuziehen. Die Volksinitiative kommt in der Junisession zusammen mit dem indirekten Gegenentwurf in die Schlussabstimmungen.

Recht auf Kantonswechsel und Reiseverbot für vorläufig Aufgenommene soll im Nationalrat diskutiert werden

Die Kommission hat sich zum zweiten Mal mit der Vorlage zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes betreffend Kantonswechsel und Reiseverbot für vorläufig aufgenommene Personen (20.063) auseinandergesetzt, nachdem der Nationalrat in der Wintersession nicht auf die Vorlage eingetreten ist, der Ständerat in der Frühjahrssession jedoch beschlossen hatte, darauf einzutreten. Die Kommission ist einstimmig auf die Vorlage eingetreten und hat sie in der Gesamtabstimmung mit 18 zu 2 Stimmen bei 4 Enthaltungen zuhanden ihres Rates verabschiedet.
Anlass zur Diskussion gab erneut das Verbot von Reisen in Drittstaaten für vorläufig Aufgenommene. Die Kommission unterstützt mehrheitlich dieses generelle Reiseverbot. Sie hat jedoch mit 14 zu 11 Stimmen einen Antrag angenommen, wonach insbesondere in Staaten des Schengen-Raumes das Recht auf Familienleben weniger eingeschränkt werden soll. Die Minderheit ist der Meinung, dass Ausnahmen des grundsätzlichen Reiseverbotes ausreichend auf Verordnungsstufe geregelt sind. Die Kommission unterbereitet diesen und weitere bereits in den letzten Beratungen beschlossene Anträge ihrem Rat, der in der Sommersession darüber befinden wird.

Gewählte Nationalratskandidatinnen und -kandidaten: Verzicht auf das Amt

Die Kommission erachtet es nicht als notwendig, gewählte Nationalratskandidatinnen und  kandidaten zur Wahlannahme zu verpflichten. Sie beantragt mit 18 zu 6 Stimmen, einer entsprechenden parlamentarischen Initiative (19.510 n pa. Iv. Roduit. «Die Verweigerung der Demokratie muss verhindert werden») keine Folge zu geben. Sie hält es zwar für überaus kritikwürdig, bekannte Kandidatinnen und Kandidaten, die gar nicht in den Nationalrat einziehen wollen, zum Stimmenfang zuoberst auf die Liste zu setzen. Die Kommission ist angesichts der geringen Anzahl solcher Fälle aber der Ansicht, dass ein Eingreifen des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt ist. In ihren Augen sollen weiterhin die Parteien ihre Verantwortung in dieser Sache wahrnehmen.

Differenzbereinigungsverfahren bei Motionen: Ja zum Entwurf des Ständerates

Die SPK-N beantragt ihrem Rat mit 17 zu 4 Stimmen, dem Entwurf des Ständerates zuzustimmen, mit welchem die parlamentarische Initiative Rieder 18.458 («Differenzbereinigungsverfahren bei Motionen») umgesetzt wird. Der Entwurf sieht vor, das Parlamentsgesetz dahingehend zu ändern, dass der Erstrat in der Differenzbereinigung neu an seinem Beschluss, die Motion in ihrer ursprünglichen Fassung anzunehmen, festhalten kann. Die Kommissionsminderheit beantragt, nicht auf den Entwurf einzutreten.

Covid-19: Erleichterungen für geimpfte Personen

Die Kommission hat sich von Vertreterinnen und Vertretern der Verwaltung über den Stand der Arbeiten betreffend das sogenannte GGG-Zertifikat (Geimpfte, Genesene, Getestete) informieren lassen. Im Vordergrund der Diskussion standen grundrechtliche Aspekte.

Die Kommission tagte am 15./16. April 2021 unter dem Vorsitz von Nationalrat Andreas Glarner (V, AG) in Bern.