Über dem Parlamentsgebäude thront eine grüngoldene Kuppel. Dieses mystische Symbol für Himmel und Geist verleiht dem Gebäude seine unverkennbare Form und ist Teil von dessen Identität. Die Kuppel ist allerdings auch eines der mysteriösesten architektonischen Elemente dieses Bauwerks und wurde mangels konkreten Nutzens beinahe nicht gebaut.

​Zunächst umstritten, heute ein Wahrzeichen

«Zu teuer», «zu protzig», «unnütz»: Die Wettbewerbsjury und die Ratsmitglieder lassen kein gutes Haar an der imposanten Kuppel, die Bundeshausarchitekt Hans Wilhelm Auer Ende des 19. Jahrhunderts vorschlägt.

Für Auer kommt ein Verzicht aber nicht infrage, weshalb er die Jury zu überzeugen versucht: Die Kuppel habe zwar in der Tat keine praktische Funktion, doch kröne sie die Halle zwischen den beiden Ratssälen und symbolisiere so die Gleichberechtigung der beiden Räte. Ausserdem vervollständige sie das Gesamtbild des mehr als 300 Meter langen Gebäudekomplexes aus Parlamentsgebäude, Bundeshaus Ost und Bundeshaus West, indem sie die Gebäudemitte akzentuiert. Das Parlamentsgebäude mit seiner Kuppel stelle so auch visuell das Zentrum des politischen Lebens der Schweiz dar.

Der Architekt erinnert auch daran, dass Kuppeln in der europäischen Architektur sowohl Bezug nehmen auf die Antike und das römische Pantheon als auch auf die Moderne und das amerikanische Kapitol oder den Palais du Trocadéro, der als Inspiration für die südliche Fassade des Gebäudes dient.

Um die Kritiker zu überzeugen, befasst sich Auer intensiv mit der Form der Kuppel: Er überarbeitet seinen Entwurf mehrmals und spielt so lange mit der Grösse und mit der Linienführung, bis er die richtige Balance findet. Zunächst will er sie 1885 auf eine runde Form setzen, ähnlich dem Kapitol, dann liebäugelt er 1891 mit einer achteckigen Grundstruktur, bevor er sich letztlich für den rechteckigen Grundriss seines definitiven Entwurfs von 1894 entscheidet.

Angesichts der Vorbehalte gegen die Kuppel erarbeitet Auer auch einige schlichtere Varianten wie dieser Vorschlag eines Gebäudekomplexes ganz ohne Oberstruktur. Der Architekt räumt ein, dass das Parlamentsgebäude auch ohne Dom seine Funktion erfüllt, gibt aber zu bedenken, dass es sich dann nicht ausreichend vom westlichen und östlichen Flügel abhebt.
Angesichts der Vorbehalte gegen die Kuppel erarbeitet Auer auch einige schlichtere Varianten wie dieser Vorschlag eines Gebäudekomplexes ganz ohne Oberstruktur. Der Architekt räumt ein, dass das Parlamentsgebäude auch ohne Dom seine Funktion erfüllt, gibt aber zu bedenken, dass es sich dann nicht ausreichend vom westlichen und östlichen Flügel abhebt.

Eine moderne Konstruktion

Die Kuppel wird im Winter 1900/01 vom Glarner Unternehmen Bosshard & Co. gebaut. Verwendet wird ein Material, das damals sehr angesagt ist: Stahl. Ähnlich wie beim Bau der Freiheitsstatue errichten die Handwerker eine über 70 Tonnen schwere runde Struktur, die anschliessend mit Kupferplatten und Blattgold bedeckt wird.

Ungesichert, in einer Höhe von 60 Metern, feiern die Mitarbeiter von Bosshard & Co. die Vollendung des Stahlgerüsts. Ein Bild, das an das weltberühmte Foto der Arbeiter auf dem Rockefeller Center in New York erinnert.
 Ungesichert, in einer Höhe von 60 Metern, feiern die Mitarbeiter von Bosshard & Co. die Vollendung des Stahlgerüsts. Ein Bild, das an das weltberühmte Foto der Arbeiter auf dem Rockefeller Center in New York erinnert.

Anfangs ist das Kuppeläussere kupferfarben. Erst nach und nach entsteht die Grünfärbung, die wir heute kennen. Zeitzeugenaussagen belegen, dass die Kuppel in den 1940er-Jahren zweifarbig ist: unten kupferfarben und nach oben hin grün. Bei den Renovierungsarbeiten im Jahr 2008 werden patinierte Kupferplatten angebracht, um die grüne Farbe zu bewahren, die so gut zum Berner Sandstein passt.

Zahlreiche Postkarten vom Anfang des 20. Jahrhunderts zeugen von der kupferfarbenen Kuppel des Parlamentsgebäudes.Zahlreiche Postkarten vom Anfang des 20. Jahrhunderts zeugen von der kupferfarbenen Kuppel des Parlamentsgebäudes.

Eine starke Symbolik

Die 22 Öffnungen am Tambour (fünf gen Osten und Westen, sechs gen Norden und Süden) stehen für die 22 damals bestehenden Kantone. Vereint auf der tragenden Struktur der Kuppel sind sie ein Zeichen der Einheit und Ausdruck einer der Maximen der Eidgenossenschaft: «Einer für alle und alle für einen».

Die Reliefs über diesen Öffnungen sind ein Werk des Solothurners Richard Kissling. Wie drei  Gardisten bewachen sie die Hügel im Osten, die Berge im Westen und die Täler im Norden und Süden. So soll vermittelt werden, dass die Kantone ruhig schlafen können, da der Bund auf dem gesamten Bundesgebiet über das Korn wacht. Ursprünglich sind in den 22 Fenstern hell leuchtende Bogenlampen angebracht, welche das Bundeshaus als Leuchtturm für Volk und Stände erscheinen lassen.

Die Laterne in der Kuppel verstärkt die Idee eines Hochwachtfeuers, welches die Schäfer in den Bergen vor drohenden Gefahren warnt.

Das mit Blattgold verzierte Schweizerkreuz thront über der Laterne und erinnert an die Kreuze auf christlichen Kirchen. Es verdeutlicht die Rolle des Parlamentsgebäudes als heilige Stätte der Demokratie und bittet Gott darum, die Nation zu schützen.

«Die weithin sichtbare Kuppel mit dem eidgenössischen Kreuz darüber soll auch den kommenden Geschlechtern das Wahrzeichen sein der Einheit und Einigkeit der schweizerischen Nation. Und mögen in diesem Hause für und für und zu allen Zeiten walten: Gerechtigkeit, Weisheit, Treue und Liebe zum schönen freien Vaterlande. Alles unter dem Machtschutze Gottes.» (Bundespräsident Josef Zemp, Rede zur Einweihung des Parlamentsgebäudes im April 1902)

Das mysteriöse Innere der Kuppel

Nur wenige Personen kennen das nicht öffentlich zugängliche Kuppelinnere. Im Gegensatz zum reich verzierten Äusseren kommt die Kuppel innen eher schlicht daher.

In der Kuppel befinden sich vier grosse Schweizerfahnen, die bei offiziellen Staatsbesuchen gehisst werden, und eine Wendeltreppe, über die man zur Laterne gelangt. Diese wurde bei der Renovation 2006–2008 grunderneuert und bietet eine einzigartige Aussicht auf die Stadt Bern und die Landschaft um die Stadt herum.



Über eine schwindelerregende Treppe kann man zum Tambour hinabsteigen, in dem sich das durch ein Netz geschützte Glasdach befindet, welches Licht in die Kuppelhalle lässt. Das natürliche Licht, das dadurch ins Innere fällt, wird durch zahlreiche Lampen verstärkt. Eine gebogene und bewegliche Leiter erleichtert dem Reinigungsteam seine Arbeit.