Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) will wichtige Anliegen der Volksinitiative für eine starke Pflege auf Gesetzesstufe aufnehmen. Sie beschloss, einen indirekten Gegenentwurf auszuarbeiten.

Die Kommission hat die Beratung zur Volksinitiative „Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)» (18.079) aufgenommen. Die Initiative will Bund und Kantone verpflichten, für eine ausreichende, allen zugängliche Pflege von hoher Qualität zu sorgen und dafür insbesondere genügend diplomiertes Pflegepersonal auszubilden. Die Kommission hörte Vertreter des Initiativkomitees an und führte im Anschluss eine erste Aussprache. Sie sah grossmehrheitlich Handlungsbedarf. Eine Regelung auf Verfassungsstufe und die Forderungen der Initiative betreffend Arbeitsbedingungen und berufliche Entwicklung des Pflegepersonals gehen der Kommission aber zu weit. Sie möchte auf Gesetzesebene tätig werden und insbesondere sicherstellen, dass gut ausgebildete Pflegefachpersonen in eigener Verantwortung spezifische Pflegeleistungen erbringen können und Pflegeleistungen angemessen abgegolten werden. Sie hat deshalb mit 16 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung eine Kommissionsinitiative ergriffen mit dem Ziel, der Volksinitiative einen indirekten Gegenentwurf entgegenzustellen (Pa.Iv. SGK-NR. Für eine Stärkung der Pflege – für mehr Patientensicherheit und mehr Pflegequalität, 19.401). Sie wird an einer nächsten Sitzung weitere Kreise anhören und die Ziele, die sie mit dem Gegenentwurf verfolgt, weiter konkretisieren. In einem nächsten Schritt wird dann die Schwesterkommission des Ständerates Stellung nehmen.

EFAS unter Berücksichtigung der Vernehmlassung voranbringen

Die Kommission liess sich über die Ergebnisse der Vernehmlassung informieren, die sie über ihren Vorentwurf zur Umsetzung der Pa.Iv. Humbel. Finanzierung der Gesundheitsleistungen aus einer Hand. Einführung des Monismus (09.528) durchgeführt hatte. Sie beauftragte ihre Subkommission, die zahlreichen und divergierenden Rückmeldungen aus der Vernehmlassung vertieft zu prüfen. Gleichzeitig beschloss sie mit 20 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung, ein Kommissionspostulat einzureichen (Po. SGK-NR. Pflege und EFAS, 19.3002). Sie will zusätzlich zu den laufenden Arbeiten den Bundesrat beauftragen, zusammen mit den Kantonen, den Versicherern und den Leistungserbringern die Grundlagen zu erarbeiten für den Entscheid, ob die geplante einheitliche Finanzierung der Leistungen im ambulanten und im stationären Bereich gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt auch für die Pflegeleistungen (d.h. insbesondere Spitex und Pflegeheime) gelten soll. Ziel der Kommission ist es, die Vorlage 09.528 im Nationalrat noch vor den eidgenössischen Wahlen 2019 zu beraten.

Medizinprodukte: Mehr Transparenz und Sicherheit

Einstimmig unterstützte die Kommission in der Gesamtabstimmung die Neue Medizinprodukte-Regulierung (18.081 sn), mit der die Schweiz die verschärften Regelungen der EU übernimmt. Patientinnen und Patienten sollen besser vor fehlerhaften Medizinprodukten geschützt und der exportorientierten Medtech-Branche der hindernisfreie Zugang zum europäischen Markt weiterhin gesichert werden. Die Vorlage wird in der Frühjahrssession sowohl vom Stände- als auch vom Nationalrat beraten mit dem Ziel, dass im Mai 2020 gleichzeitig wie in der EU eine von dieser als gleichwertig anerkannte Regelung in Kraft treten kann. Mit Blick auf diese Harmonisierung folgte die Kommission im Wesentlichen den Anträgen der ständerätlichen Kommission . So beantragt sie insbesondere mit 15 zu 7 Stimmen, dass der Bundesrat im Bereich der Medizinprodukte die Entwicklung des EU-Ausführungsrechts zu technischen und administrativen Einzelheiten mittels dynamischer Verweise nachvollziehen kann (Art. 82 Abs. 3 HMG).

Materiell unabhängig von der Harmonisierung mit der EU, aber in der gleichen Vorlage, beantragt die Kommission einstimmig, die Regelung über die Integrität auszuweiten (Art. 55 HMG in der Fassung vom 18. März 2016). Diese Regelung, die das Anbieten und Annehmen nicht gebührender Vorteile verhindern soll, soll nicht nur bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, sondern von Beginn an auch bei Medizinprodukten gelten. Hingegen lehnte die Kommission weitergehende Vorschriften über die Deklaration von Interessenbindungen und schärfere Sanktionsandrohungen ab.

EL-Reform: Keine Senkung der Beiträge für Kinder ab 11 Jahren

Die Kommission kam dem Ständerat in der letzten Runde der Differenzbereinigung zur EL-Reform (16.065 s) beim allgemeinen Lebensbedarf von Kindern entgegen (Art. 10 Abs. 1 Bst. a Ziff. 3; mit 15 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltung). Die anerkannten Ausgaben für Kinder ab 11 Jahren sollen im Gegensatz zu jenen für Kinder unter 11 Jahren nicht gekürzt werden. Weiterhin festhalten will die Kommission jedoch an ihrem Konzept der Vermögensschwelle mit gesichertem Darlehen (Art. 9a und 11a0: mit 17 zu 8 Stimmen), an der 10-prozentigen Kürzung der Ergänzungsleistungen (EL), wenn das aus der Pensionskasse bezogene Kapital ganz oder teilweise aufgebraucht ist (Art. 9 Abs. 1ter und 1quater; mit 12 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen) sowie an den Vermögensfreibeträgen mit Stand vor der Neuordnung der Pflegefinanzierung ohne Teuerungsausgleich (Art. 11 Abs. 1 Bst. c; mit 15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung). Es ist vorgesehen, die Vorlage in der Frühjahrssession zu einem Abschluss zu bringen.

Ausbildungszulagen bereits ab dem 14. Altersjahr

Die Kommission hat die Revision des Bundesgesetzes über Familienzulagen (18.091 n) beraten und in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 7 Stimmen angenommen. Sie unterstützt die Stossrichtung des Bundesrates und will drei Lücken in der Gesetzgebung schliessen. Erstens sollen Ausbildungszulagen bereits ab Vollendung des 14. Lebensjahres ausbezahlt werden. Aktuell ist dies erst ab Vollendung des 16. Lebensjahres möglich. Der Bundesrat sah eine Auszahlung nach Vollendung des 15. Lebensjahres vor. Zweitens sollen arbeitslose alleinerziehende Mütter während des Bezugs der Mutterschaftsentschädigung Familienzulagen erhalten. Drittens will die Kommission eine gesetzliche Grundlage für die Gewährung von Finanzhilfen an Familienorganisationen schaffen. Diese Subventionen werden bereits seit 1949 geleistet und belaufen sich gegenwärtig auf jährlich zwei Millionen Franken.

Weitere Geschäfte

Mit 10 zu 8 Stimmen bei 4 Enthaltungen beantragt die Kommission der Pa.Iv. Weibel. Flexible BVG-Renten ermöglichen (17.521) keine Folge zu geben. Die Initiative verlangt, dass im überobligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge die laufenden Renten je nach Finanzlage der Kasse angemessen erhöht und gesenkt werden können. Nach Meinung der Kommission würde es für die Versicherten eine grosse Unsicherheit bedeuten, wenn laufende Renten gekürzt werden dürften. Zudem arbeiteten die Sozialpartner derzeit an der nächsten grösseren Reform der beruflichen Vorsorge. Diesen Arbeiten sei nicht mit einem derart grundsätzlichen Anliegen, wie es die Initiative verlangt, vorzugreifen. Die Minderheit erachtet die bereits erhebliche Umverteilung von jüngeren Versicherten zu Rentnern als unfair.

Einstimmig beantragt die Kommission, die Mo. Ständerat (Stöckli). Recht auf einen Medikationsplan zur Stärkung der Patientensicherheit (18.3512 s) anzunehmen.

Die Kommission tagte am 24. und 25. Januar 2019 in Bern unter der Leitung von Thomas de Courten (SVP, BL) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.